Sozialstaats-Debatte:Das Märchen von der sozialen Hängematte

Protest gegen die Kritik von FDP und CDU-Vize Roland Koch: Heinrich Alt von der Bundesagentur für Arbeit nimmt Hartz-IV-Empfänger in Schutz.

In der Debatte um arbeitsunwillige Hartz-IV-Empfänger hat die Bundesagentur für Arbeit der FDP und Hessens Ministerpräsidenten Roland Koch Kontra gegeben und die Betroffenen verteidigt.

Heinrich Alt Hartz IV Debatte Arbeitslose, dpa

Er muss es doch wissen: Heinrich Alt, bei der Bundesagentur für Arbeit zuständig für das Thema Grundsicherung, verteidigt die Arbeitsmoral von Hartz-IV-Empfängern.

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Arbeitssuchende seien "heute eher bereit, mit Lohneinbußen zu arbeiten oder einen Wohnortwechsel in Kauf zu nehmen", sagte das für die Grundsicherung zuständige Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit (BA), Heinrich Alt, der Thüringer Allgemeinen.

Damit widerspricht Alt Kochs Standpunkt, Arbeitslose würden zu selten Jobs annehmen und sollten im Zweifel zur Arbeit gezwungen werden.

Koch hatte gefordert, Hartz-IV-Empfänger müssten auch niederwertige Arbeit annehmen. Es müssten "Instrumente" eingesetzt werden, damit niemand "das Leben von Hartz IV als angenehme Variante ansieht".

Alt verteidigte die auf staatliche Unterstützung Angewiesenen: "In den letzten Jahren ist die Konzessionsbereitschaft Arbeitsuchender deutlich gestiegen." Etwas mehr als ein Viertel derer, die aus der Grundsicherung in Beschäftigung gehen, arbeiten nach Angaben des BA-Experten unterhalb ihres Qualifikationsniveaus.

"Die wenigsten wollen sich in die soziale Hängematte legen"

"Menschen lassen sich also nicht nur vom ökonomischen Kalkül leiten. Ihnen geht es um das Gefühl, etwas zu leisten und gebraucht zu werden", sagte Alt.

Dass in Regionen, in denen es ausreichend Jobs gebe, kaum Grundsicherung in Anspruch genommen werde, zeige, "dass sich die Wenigsten in die soziale Hängematte legen möchten", wies Alt die Kritiker der Arbeitssuchenden zurecht.

Ungeachtet dessen beharrt FDP-Vizeparteichef Andreas Pinkwart darauf, härter gegen Arbeitslose vorzugehen: "Wenn wir jetzt die Betreuung in den Job-Centern weiter verbessern, was wir ja vorhaben, dann müssen die Bezüge arbeitsfähiger Hartz-IV-Empfänger, die zumutbare Arbeit verweigern, auch konsequenter gekürzt werden", sagte der stellvertretende Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen der Rheinischen Post.

Pinkwart fordert Gegenleistung für staatliche Leistungen

Wer arbeitsfähig sei, "sollte auf staatliche Hilfe grundsätzlich nur Anspruch haben, wenn er auch zur Gegenleistung bereit ist", betonte Pinkwart. Nehme ein Hartz-IV-Empfänger eine Arbeit nicht an, können seine Bezüge für drei Monate um 30, beim zweiten Mal um 60 Prozent gekürzt werden.

Zwar denkt die überwiegende Mehrheit der Deutschen laut einer aktuellen Umfrage von Infratest-dimap, dass die Diskussion über Sozialleitungen der FDP schade. Trotzdem finden fast drei Viertel der Befragten die Diskussion gut. Und zehn Prozent hätten sich laut der Statistik bei einer Wahl für die FDP ausgesprochen - das waren im Vergleich zu einer Umfrage von Anfang Februar zwei Prozentpunkte mehr.

Steinmeier verteidigt Hartz IV

Derweil hat Frank-Walter Steinmeier die Vorwürfe von Guido Westerwelle zurückgewiesen, die frühere rot-grüne Bundesregierung habe mit der Hartz-IV-Reform "Murks" produziert. Der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion sagte im RBB-Inforadio, SPD und Grüne hätten "Wichtiges auf den Weg gebracht".

Fehlentwicklungen wie bei der Leiharbeit müsse man korrigieren. Doch die Hartz-IV-Regelungen hätten sich auf die Vermittlung von Arbeit positiv ausgewirkt. Steinmeier sagte: "Anders als Herr Westerwelle haben wir nicht nur öffentliche Debatten geführt, sondern wir haben Politik gemacht, um diese Anreize zu stärken."

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