Sozialpolitik:Streit um Kind und Geld

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Die Grünen fordern mehr Geld für getrennt lebende Eltern.

(Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Wenn zwei Eltern getrennt leben und Hartz IV beziehen, wird das Geld aufgeteilt. Die Grünen rügen, dass der Konflikt damit programmiert sei.

Von Constanze von Bullion

Berlin - Wenn Eltern sich trennen, gibt es oft Streit ums Geld oder die Tage, die Kinder mit der Mutter oder dem Vater verbringen. Beziehen die Eltern Hartz IV, droht der Zwist sich zu verschärfen. Das zumindest befürchten die Grünen im Bundestag und fordern Korrekturen an einem geplanten Gesetz aus dem Bundessozialministerium, das am Freitag in erster Lesung im Bundestag beraten wurde. "Der Entwurf setzt Fehlanreize", sagte die familienpolitische Sprecherin der Grünen, Franziska Brantner. "Er widerspricht dem Ziel, bei getrennt lebenden Eltern die gemeinsame Erziehungsverantwortung zu stärken."

Trennen sich arbeitslose Eltern mit Hartz-IV-Bezug, dann ist es bisher so, dass dem hauptverantwortlichen Elternteil, oft der Mutter, vom Sozialgeld die Tage abgezogen werden, die die Kinder beim anderen Elternteil verbringen. Oft ist das der Vater, der mit den Kindern eine "temporäre Bedarfsgemeinschaft" bildet. Diese Verwaltungspraxis des Leistungstransfers aber, so die Grünen, könne im Einzelfall flexibel gehandhabt werden. Immer wieder drückten Behörden ein Auge zu, um die Lage alleinerziehender Mütter nicht noch weiter zu verschärfen.

Kommen Sohn oder Tochter zum anderen Elternteil, bilden sie eine "Bedarfsgemeinschaft"

Der Entwurf einer "Neuregelung zur temporären Bedarfsgemeinschaft im SGB II", mit dem Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) das Arbeitslosengeld II ordnen will, schreibt diese Verwaltungspraxis nun fest, Ausnahmen soll es nicht mehr geben. Wird ein Sechsjähriger zehn Tage im Monat vom Vater betreut, werden der Mutter vom Hartz-IV-Bezug 90 Euro abgezogen. Verbringt eine 15-Jährige zehn Tage beim Vater, bekommt die Mutter 102 Euro weniger. Das Geld geht an den Vater. Betreut er mehrere Kinder relativ viel, kriegt die hauptverantwortliche Mutter erheblich weniger als den Regelsatz.

Im Hause Nahles sieht man darin keine Verschlechterung, dies sei gängige Praxis. Die Grünen und mehrere Verbände dagegen warnen davor, eine ihrer Ansicht nach problematische Praxis festzuschreiben. Elternzwist sei programmiert, wenn jeder zusätzliche Betreuungstag eines Elternteils den anderen ans Existenzminimum bringen könne. "Es darf nicht sein, dass eine Mutter es sich finanziell nicht leisten kann, dass der Vater mehr Betreuungstage bekommt", sagte Brantner. Dies unterlaufe die Idee gemeinsamer Verantwortung. Auch sei "realitätsfremd", dass ein Kind in zwei Haushalten ebenso viel koste wie in einem. Viele Ausgaben fielen doppelt an, die Miete laufe weiter, auch wenn das Kind mehrere Tage weg sei.

Die Grünen fordern, dem hauptverantwortlichen Elternteil den Regelsatz in voller Höhe zu zahlen, dem weniger betreuenden einen "Umgangsmehrbedarf". Den Staat käme das teurer. Das Sozialministerium winkt ab, das Familienministerium bremst. Die gemeinsame Verantwortung getrennt lebender Eltern werde gestärkt, "indem die Regelbedarfe der Kinder - wie in dem Entwurf von Frau Nahles vorgesehen - je nach dem Umfang der Verantwortung angemessen zwischen den Eltern aufgeteilt werden", sagte eine Sprecherin. Was aber angemessen ist, darüber ist nun zu reden.

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