Sozialisten nach DSK: François Hollande:Der Profiteur

Während der Sozialist Strauss-Kahn seine Unschuld beteuert, spekuliert Frankreich über die Folgen für die Präsidentschaftswahl 2012. Nicht nur Sarkozys Berater halten François Hollande für den gefährlichsten Gegner - der frühere Linken-Chef gelte als Saubermann. Dabei hatte auch er ein turbulentes Privatleben.

Matthias Kolb

Nach den Vergewaltigungsvorwürfen gegen IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn, der in New York ein Zimmermädchen zum Oralverkehr gezwungen haben soll, befindet sich das politische Frankreich im Ausnahmezustand. Professoren, Berater, Bürger und Journalisten rätseln nicht nur darüber, was genau am vergangenen Samstagmittag in New York passiert ist, sondern spekulieren auch über die Auswirkungen auf den Präsidentschaftswahlkampf 2012.

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Er könnte nach Meinung vieler französischer Analysten am stärksten von den Vergewaltigungsvorwürfen gegen Dominique Strauss-Kahn profitieren: François Hollande.

(Foto: AFP)

Dabei wird die These von Françoise Fressoz, der Leiterin des Politik-Ressorts der Tageszeitung Le Monde, von vielen geteilt: "François Hollande dürfte der Nutznießer vom Sturz Strauss-Kahns sein." Auch der Demoskop Stéphane Rozès analysierte bereits am Sonntagabend: "Derjenige, der am meisten von dieser Situation profitiert, ist ohne Zweifel Hollande."

In den jüngsten Umfragen über die Chancen der sozialistischen Herausforderer hatte Hollande rasant aufgeholt und lag zuletzt nur noch drei Punkte hinter DSK. Der schillernde Chef des Internationalen Währungsfonds galt laut einem Bericht der Wirtschaftszeitung Les Echos im Sarkozy-Lager als Wunschgegner. Das Blatt zitiert einen engen Berater des Staatsoberhaupts mit den Worten: "Strauss-Kahn hat die Fehler des Präsidenten eliminiert."

Sarkozys Spin Doctor spielt offenbar darauf an, dass auf DSK einige Eigenschaften zutreffen, die immer mehr Franzosen an Nicolas Sarkozy stören: Das arrogante, mitunter selbstherrliche Auftreten sowie der Hang zur Selbstinszenierung. Zudem verfügt der Wirtschaftsexperte Strauss-Kahn - auch dank des Erbes seiner Ehefrau Anne Sinclair - über Vermögen. Eine öffentliche Debatte über das Gebaren des "Luxus-Linken", der zuletzt neben einem teuren Porsche fotografiert wurde, ist bei François Hollande undenkbar. So sieht dies Les Echos zufolge auch Sarkozys Berater: Hollande profitiere von seinem Ruf als Saubermann.

Dem 56-Jährigen ist es gelungen, dass ihm die filmreife Trennung von seiner langjährigen Lebenspartnerin nicht geschadet hat - obwohl toute la France wochenlang darüber redete. Denn Hollande war jahrelang mit Ségolène Royal zusammen, die 2007 in der Stichwahl gegen Sarkozy unterlag. Die beiden lernten sich an der Elite-Hochschule Ena kennen und haben vier gemeinsame Kinder.

Nachdem Gerüchte über eine außereheliche Affäre Hollandes nicht verstummten, erklärte Royal 2008 am Wahlabend in aller Öffentlichkeit: "Ich habe François Hollande gebeten, unsere Wohnung zu verlassen und seine Liebesgeschichte auszuleben, die schon in Büchern und Zeitungen ausgebreitet wird."

Langjährige Vorbereitung

Hollande trat ein Jahr später als Parteichef zurück, doch er bereitet sich im Stillen auf 2012 vor. Der Mann, der bereits an der Kaderschmiede Ena als der "Beste seiner Generation" bezeichnet wurde, möchte unbedingt für die Sozialisten Sarkozy besiegen und erstmals seit 1988 wieder eine Präsidentschaftswahl für die Linke gewinnen. Dabei hilft ihm, dass er als langjähriger Vorsitzender die Partei und das Land sehr gut kennt.

Galt Hollande früher als langweiliger Bürokrat, so hat er nun auch an seiner äußeren Erscheinung gearbeitet: Den Bauch hat er sich wegtrainiert und sowohl das Brillenmodell als auch den Frisör gewechselt. Immer wieder verspricht er, ein "normaler Präsident" sein zu wollen - und setzte sich bis zum Wochenende mit dieser Bemerkung sowohl von Amtsinhaber Sarkozy als auch von Strauss-Kahn ab.

Um sich gegenüber diesem zu profilieren, hat Hollande bewusst sehr früh seine Kandidatur bekanntgegeben. So konnte er jene Zeit nutzen, in der sich DSK noch nicht aus der Deckung wagen wollte - als mächtiger Chef des Internationalen Währungsfonds durfte sich dieser nicht zu tagespolitischen Angelegenheiten äußern.

In einigen Punkten erscheint Hollande noch angreifbar: Er müsse noch beweisen, so analysiert Françoise Fressoz von Le Figaro, dass er sich außenpolitisch auskennt und auf dem internationalen Parkett sicher bewegen kann. Zudem hatte Hollande im Gegensatz zu seiner Ex-Partnerin Royal und Parteichefin Martine Aubry, die in Frankreich als "Dame der 35-Stunden-Woche" bekannt ist, noch nie ein Ministeramt inne. Dies könnte in Zeiten der Finanzkrise als Argument benutzt werden, um Zweifel an Hollandes Führungsfähigkeiten zu streuen.

Allerdings attestieren ihm andere Beobachter, weniger oberflächlich und populistisch zu sein als seine langjährige Partnerin Royal. Und dem nüchternen Intellektuellen wird eine Fähigkeit zugetraut, ohne die man in Westeuropa heutzutage kaum noch Wahlen gewinnen kann: In der Mitte der Gesellschaft zu punkten und so die Mehrheit zu erringen.

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