Sozialdemokratische Partei:Warum das Scholz-Papier Schulz gefährlich werden könnte

July 18 2017 Berlin Germany Social Democratic Party Chancellor candidate Martin Schulz L is

Trotz der verlorenen Wahl sprachen viele Spitzengenossen Martin Schulz (links) ihr Vertrauen aus, Olaf Scholz tat das allerdings nicht.

(Foto: Omer Messinger/imago/ZUMA Press)
  • Die SPD und ihr Vorsitzender Martin Schulz sind seit der Bundestagswahl stark angeschlagen.
  • Mitten in diese schlechte Stimmung hinein hat nun der Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz ein Grundsatzpapier veröffentlicht, in dem er scharfe Kritik übt.
  • Es ist ein Papier ohne Knalleffekte, dafür mit wägenden, häufig sperrigen Sätzen.
  • Dennoch könnte es für Diskussionen sorgen - denn es gärt in der SPD.

Von Christoph Hickmann, Berlin

Am Mittwoch hat sich Martin Schulz den Mitarbeitern des Willy-Brandt-Hauses gestellt. Am Tag zuvor hatte sich der Bundestag konstituiert, nun stand der SPD-Chef mit seinem Schatzmeister Dietmar Nietan etwa drei Stunden lang Rede und Antwort in der Parteizentrale. Es ging um die Sorgen und Nöte der Menschen dort, von der politischen Lage der SPD bis zur personellen Lage des Hauses. Und bereits ziemlich am Anfang, so berichten es Teilnehmer, sei ein junger Mitarbeiter den Parteichef recht hart angegangen.

Im Beitrag des Mitarbeiters ging es demnach um Schulz' jüngste Personalentscheidungen, um zu viele Männer und zu wenige Frauen sowie den Umgang mit Bundesgeschäftsführerin Juliane Seifert. Deren Job hatte Schulz der Juso-Vorsitzenden Johanna Uekermann angeboten, woraufhin sich Seifert Anfang dieser Woche zurückzog. Das sei es an Attacken in der Mitarbeiterversammlung dann aber auch gewesen, wird im Willy-Brandt-Haus versichert - statt weiterer Frontalkritik habe es viel Unterstützung für Schulz gegeben.

Doch immerhin fühlte sich der Vorsitzende bemüßigt, vor den Mitarbeitern eines klarzustellen: Wenn er glaube, dass dies etwas bringen würde, dann würde er zurücktreten.

"Kein Ausflüchte!", fordert Scholz in seinem Papier

So ist gerade die Lage in der SPD - und in diese Lage hinein schreibt nun der Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz ein Papier mit dem Titel "Keine Ausflüchte! Neue Zukunftsfragen beantworten! Klare Grundsätze!". Es ist ein typisches Scholz-Papier, also ohne Knalleffekte, dafür mit umso mehr wägenden, häufig auch ziemlich sperrigen Sätzen.

"Stellt die SPD sich als progressive Volkspartei so auf, dass große Teile der Wählerschaft ihr das Land und die Führung der Regierung anvertrauen mögen, wird sie bei Bundestagswahlen auf neue Erfolge hoffen können", heißt es da etwa. Oder, an anderer Stelle: "Sozialdemokratische Politik muss dafür einstehen, dass Weltoffenheit und Offenheit für den technischen Fortschritt einerseits, sozialer Friede und gerechte Lebensverhältnisse andererseits vereinbar sind."

Warum dieses Papier in der SPD trotzdem Diskussionen auslösen könnte? Weil es in der Partei gärt. Zwar schildern sowohl Schulz' Unterstützer als auch seine Kritiker immer wieder den breiten Rückhalt, den der Parteichef nach wie vor an der Basis habe - doch wer sich am Montagabend vor den Sitzungssaal der SPD-Bundestagsfraktion stellte, bekam eine Ahnung davon, wie es unter den Abgeordneten um sein Ansehen bestellt ist.

Vorausgegangen waren die Querelen um den Rückzug der Bundesgeschäftsführerin Seifert und die Besetzung zu vieler Spitzenposten durch Männer - gemessen jedenfalls an der Ankündigung, die SPD müsse "weiblicher" werden. Nun kamen immer wieder einzelne Abgeordnete aus dem Saal - und selbst solche, die sonst stets die Parteidisziplin wahren, schüttelten den Kopf über Schulz und seine jüngsten Fehler. "Er kann es nicht", dieser Satz fiel immer wieder.

Scholz plädiert für einen Kurs der Mitte und warnt vor Extrempositionen

Beinahe noch schwerer als die handwerklichen Fehler wiegt für viele Genossen, dass sie bei Schulz bislang keinen Plan und keine Idee sehen, wohin er die auf 20,5 Prozent abgesunkene Partei führen will. Er wolle nun ausführlich zuhören, statt einen fertigen Zehn-Punkte-Plan zu präsentieren, so begegnete Schulz solcher Kritik in den Wochen nach der Wahl - um dann vor einer Woche in der Zeit scharf nach links zu schwenken: "Wir müssen wieder den Mut zur Kapitalismuskritik fassen", sagte er da. Und: "Es geht sehr wohl um die Frage, welches System wir haben."

Scholz hingegen plädiert in seinem Papier für einen pragmatischen Kurs der Mitte - und warnt vor Extrempositionen: "In der politischen Debatte stellen die einen ausschließlich die offensichtliche ökonomische Prosperität des Landes (und nicht weniger Bürgerinnen und Bürger) heraus und die anderen nur die ebenso offensichtlich zunehmenden sozialen und regionalen Disparitäten." Darin liege eine große Gefahr. "Kein Wunder, dass linke und rechte populistische Parteien heute überall Gehör und Anhänger finden, obwohl sie keinerlei praktikable Lösungen vorschlagen."

Er ist nicht der erste SPD-Spitzenvertreter, der sich in einer Phase, in der Schulz noch Fragen aufwirft, bereits an erste Antworten wagt - wobei auch er an vielen Stellen noch recht vage bleibt. Den Anfang hatte in dieser Woche Ralf Stegner gemacht, Repräsentant des linken Flügels und wie Scholz stellvertretender Parteivorsitzender. Der Titel seines Papiers: "Großbaustelle SPD - Vom Keller bis zum Dach muss saniert werden!" Anders als bei Scholz findet sich darin ein klares Bekenntnis zu Schulz: Der werde "als Parteivorsitzender diesen Erneuerungsprozess steuern", so Stegner.

Stegners Ziel ist eindeutig: eine klar linke SPD. Scholz hingegen hat anderes im Sinn: Er ist der Überzeugung, dass er es eigentlich besser könnte als Schulz. Doch erstens neigt er nicht zum Risiko, zweitens ist er in der Partei zwar als kluger Kopf anerkannt, aber deswegen noch lange nicht beliebt - und Schulz hat bislang die mächtigen Landesverbände Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen hinter sich. Außerdem ist Scholz nach den Krawallen beim Hamburger G-20-Treffen noch politisch angeschlagen. Doch bis zum Parteitag im Dezember ist noch viel Zeit für Debatten.

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