Sonntag, 25. September 1977, Tag 21:Die Wunschliste der Entführer

Elf Terroristen will die RAF freipressen: Um wen es sich handelt und wie sich die Verhandlungen mit den Ländern gestalten, in die RAF-Köpfe geflogen werden wollen.

Robert Probst

Das Bundeskriminalamt teilt den Entführern Schleyers einen Zwischenstand der Verhandlungen mit den Staaten mit, die Andreas Baader als mögliche Zielländer für die Ausreise genannt hatte. "Von den bisher auf Ministerebene befragten Ländern haben Libyen und Süd-Jemen abgelehnt, zwei sich noch nicht endgültig geäußert." Dabei handelt es sich um den Irak und Algerien. "Vorsorglich" reist nun Staatsminister Hans-Jürgen Wischnewski auch noch nach Vietnam, dem fünften von Baader notierten Land.

Sonntag, 25. September 1977, Tag 21: Andreas Baader und Gudrun Ensslin vor Gericht

Andreas Baader und Gudrun Ensslin vor Gericht

(Foto: Foto: AP)

In ihrem ersten Ultimatum vom 6. September hatten die Terroristen gefordert, elf in deutschen Haftanstalten einsitzende Gesinnungsgenossen freizulassen und in ein Land ihrer Wahl auszufliegen. Jedem sollen 100.000 Mark mitgegeben werden.

Die Aktion läuft unter dem RAF-Motto "Big Raushole". Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe sind erst im Frühjahr wegen mehrerer Morde, Mordversuche, Raubüberfällen und der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zu lebenslanger Haft verurteilt worden.

Irmgard Möller ist wegen Urkundenfälschung, Widerstand gegen Justizbeamte und Vergehen gegen das Waffengesetz zu vier Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Verena Becker sitzt wegen eines Sprengstoffanschlags und bewaffneten Raubüberfalls eine sechsjährige Jugendstrafe ab. Die fünf RAF-Mitglieder sind in Stammheim inhaftiert.

Karl-Heinz Dellwo, Hanna-Elise Krabbe und Bernhard Maria Rössner sind wegen des Überfalls auf die deutsche Botschaft in Stockholm im April 1975, wegen Geiselnahme und des Mordes an zwei deutschen Diplomaten zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Werner Hoppe verbüßt wegen versuchten Totschlags eine zehnjährige Haft. Ingrid Schubert ist wegen versuchten Mordes und Raubüberfällen zu 13 Jahren Haft verurteilt.

Gegen mehrere Terroristen wurden weitere Anklagen erhoben, gegen Becker und Günter Sonnenberg, der bereits wegen vierfachen Mordversuchs angeklagt ist, besteht zudem der dringende Verdacht, beim Mord an Generalbundesanwalt Siegfried Buback im April 1977 mitgewirkt zu haben. Sonnenberg ist im Mai bei einem Schusswechsel während seiner Festnahme verletzt worden, er liegt in einem Vollzugskrankenhaus.

Nur einmal hatte sich der Staat zuvor erpressbar gezeigt - bei der Entführung des CDU-Politikers Peter Lorenz im Februar/März 1975 in Berlin. Damals erzwang die "Bewegung 2. Juni" die Freilassung von fünf wenig bekannten Genossen aus dem Gefängnis, unter ihnen Verena Becker.

Jeder der fünf bekam zudem 20 000 Mark aus der Staatskasse, der Abflug ins Ausland wurde live im Fernsehen übertragen. Doch Bundeskanzler Helmut Schmidt hatte den Austausch von Lorenz schnell als "Fehler" eingestuft und beschlossen, den Terroristen künftig in keinem Fall mehr nachzugeben.

(SZ vom 25. September 2007)

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