Sommerfeste in Berlin:Piratenkapitän Steinbrück lässt entern

Peer Steinbrück SPD Bundestagswahl

Peer Steinbrück: "Bringt mich an den Horizont, Freudinnen und Freunde!"

(Foto: dpa)

Wie Jack Sparrow, nur von der SPD: Kanzlerkandidat Steinbrück will sich an den Horizont bringen lassen. Der ist ähnlich schwer zu erreichen wie ein SPD-Sieg bei der Bundestagswahl. Vom Säbelrasseln des Kandidaten und wie Kanzlerin Merkel das alles gar nicht interessiert.

Von Thorsten Denkler und Michael König, Berlin

Schwer zu sagen, wie Peer Steinbrück auf den durchgeknallten Jack Sparrow aus "Fluch der Karibik" kommt. Vielleicht weil das "Hoffest" der SPD-Bundestagsfraktion am Dienstagabend im Haus der Kulturen der Welt stattfindet. Das liegt direkt an der Spree. Vielleicht weil er selbst von der Waterkant ist. Oder einfach, weil es in Strömen regnet. Und wenn einer mit schlechtem Wetter fertigwerden kann, dann ja wohl Jack Sparrow!

Steinbrück jedenfalls zitiert den Piratenkapitän aus dem Film, den er mit seinem englischen Originaltitel "Pirates of the Caribbean" vorstellt, mit dem Satz: "Bringt mich an den Horizont, Freudinnen und Freunde!"

Unter den Genossinnen und Genossen löst er damit befreiten Jubel aus und rhythmischen Applaus. Einige versuchen sich an einem einstudierten Sprechgesang: "Wir wollen mehr ...", brüllen die einen. Die anderen: "Peer!"

Nun, was immer Steinbrück am Horizont will - mit diesem ist es wie mit einem Bundestagswahlsieg der SPD: verdammt schwer zu erreichen.

Das weiß auch Steinbrück. Vielleicht fuchtelt er deshalb während der Eröffnungsrede des Hoffestes mit den Armen, als würde er mit einer Horde seinesgleichen Säbel gegen Säbel die Santa Angela entern.

Von einem irgendwie ungewissen Ausgang will Steinbrück da lieber nichts wissen. In der kommenden 89 Tagen wolle er von niemandem Sätze hören wie: "Das ist noch nicht verloren. Oder: Wir haben noch ein Chance." Da durchzuckt es einige kurz. Steht es so schlecht, dass gar keine Hoffnung mehr sein soll? Nein, nein, Steinbrück legt nach: "Ich will von allen hören: Das werden wir gewinnen! Das ist die Einstellung!" Soso.

Den Genossen gefällt's. Wie eine Sturmböe durchzieht lauter Jubel das Restaurant "Auster".

Steinbrück hat hier offensichtlich was zu beweisen. Der SPD-Wahlkampf läuft bescheiden an, Steinbrücks Performance ist eher unterirdisch, sein öffentlicher Zoff mit Parteichef Sigmar Gabriel hat die Partei zusätzlich verunsichert. Die Mannschaft aber will Erfolge sehen oder zumindest die Hoffnung eingepflanzt bekommen, am 22. September warte große Beute auf sie. Sonst könnte es womöglich zur Meuterei kommen. Mitten auf hoher See im Sturm des Wahlkampfes wäre das der sichere Untergang.

Kleiner Sprung ans Festland. Dort steht Angela Merkel, die Kanzlerin und Widersacherin von Piratenkapitän Peer Steinbrück. Er will ihre Juwelen. Sie will alles behalten.

Es ist das Sommerfest des Parlamentskreises Mittelstand (PKM) der Unionsfraktion, einem mächtigen Zusammenschluss innerhalb der Union. Es regnet auch hier. Himbeer-Mojito, Kräuterschnaps und Zigarren machen das Wetter erträglich. Angela Merkel drängelt sich mit ihrer Entourage durch die nasse Menge zu Christian Freiherr von Stetten, dem Vorsitzenden des PKM. Kurzes Händeschütteln, rüber zur Bühne.

Gegner eher in den eigenen Reihen

Der Regen sei gut für die Ernte, so müsse man das sehen, sagt Merkel. Solides Wirtschaften sei der Markenkern der Union. Sparen und Investieren stünden in keinem Widerspruch zueinander.

Klingt nicht wie jemand, der gegen Käpt'n Steinbrück in eine Seeschlacht ziehen will. Sie bleibt lieber schön an Land. Da ist es zwar auch nicht trocken. Aber der Boden unter den Füßen ist fest.

In Steinbrück sieht sie ohnehin keinen Gegner mehr. Die stehen, wenn überhaupt, in den eigenen Reihen. Kurt Lauk etwa, Präsident des Wirtschaftrats der CDU. Der hat kürzlich in den ARD-Tagesthemen sinngemäß gesagt, falsche Wahlversprechen hätten seit 50 Jahren Tradition, auch in der Union. Nicht lustig.

Merkel macht sich schon auf dem Weg zu Lauk. Auch der Wirtschaftsrat feiert sein Sommerfest. Sie wird auch ihn einlullen. Deutschland müsse die Binnennachfrage stimulieren, die EU kümmere sich um die falschen Themen, die Bundestagswahl sei eine Richtungsentscheidung für Europa. So in etwa. Was soll Lauk da noch sagen?

Steinbrück säbelt mit seinen Armen immer noch durch die Luft. Er prophezeit, in 89 Tagen werde der Stillstand abgewählt, in 89 Tagen werde der Etikettenschwindel abgewählt, in 89 Tagen werde die Klientelpolitik abgewählt. Und das Chaos und die Gipfelfliegerei und der Investitionsstau.

"Lasst euch nicht kirre machen von Umfragen", zetert er. "Geht in die Wahlkreise, redet mit den Leuten. Macht Häuserwahlkampf!" Denn dann sei "das Ding allemal zu gewinnen". Allemal zu gewinnen? Hat er nicht eben noch gesagt: "Das werden wir gewinnen!" Und nur das wolle er hören? Na ja, hat vielleicht was mit der Beinfreiheit zu tun, die Steinbrück gerne für sich in Anspruch nimmt, die aber die Partei manches Mal an den Rand der Verzweiflung gebracht hat.

Nach Steinbrücks Auftritt würgt eine Moderatorin den gerade aufkeimenden Jubel ab. Sie will eine Band vorstellen, die hier gleich spielen soll. Ihr Name könnte Programm sein für den Zustand der SPD: "Tohuwabohu." Für das Wetter können die Sozialdemokraten ja nichts. Aber die Band hat sicher nicht die CDU ausgesucht. Oder doch?

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