Söder:Kein Strauß, ein Sträußlein

Söder fehlt die Freude an politischen Inhalten, ihm fehlt wohl auch eine Vorstellung von der Zukunft des Landes - und die Gabe, die Leute zu gewinnen. Das macht es schwer, ihn sich als Landesvater vorzustellen.

Von Heribert Prantl

Ende gut, alles gut: Das ist der Titel einer Komödie von Shakespeare; sie handelt davon, wie die Hauptfigur nahezu unlösbare Aufgaben löst. Genau das ist die Erwartung, welche die CSU-Landtagsfraktion in Bayern an Markus Söder hat: Er soll als Spitzenkandidat die ausgezehrte und zerstrittene Partei wieder aufrichten und an ihrer Spitze in zehn Monaten die Landtagswahl gewinnen. Das ist ein Wunschtraum; er wird mit einiger Wahrscheinlichkeit ein Wunschtraum bleiben. Die absolute Mehrheit ist schier unerreichbar. Nach der Landtagswahl wird also der große Streit, wer daran schuld ist, weitergehen.

Ende gut, alles gut? Der Shakespeare-Titel beschreibt die Lage der CSU nicht. Erstens handelt es sich beim CSU-Stück nicht um eine Komödie, sondern um eine Tragödie, die von der Auszehrung und dem Verfall einer Partei handelt. Zweitens ist die Nominierung von Söder nicht das Ende des Kriegs in der CSU, sondern nur der Beginn eines neuen Kapitels. Drittens ist mitnichten alles gut, sondern nur die Hälfte geklärt. Es ist nur die Spitzenkandidatenfrage für die Landtagswahl entschieden, sonst nichts. Und die Hinterzimmer-Verfahren, in denen diese Entscheidung vorbereitet wurde, tragen zur Befriedung der Partei nichts bei.

Söder und Seehofer - jetzt Wahlkampf-Freunde?

Die CSU ist eine Mitgliederpartei; sie ist eine Partei, die von der stolzen Identifikation der Basis mit ihrem Spitzenpersonal der Partei lebt. Aus dieser stolzen Identifikation ist im Laufe des Machtkampfs zwischen Seehofer und Söder erst Irritation und dann komplette Konfusion geworden. Die CSU ist Ränkespiele gewohnt. Aber so etwas wie zuletzt hat die Partei kaum je erlebt: Die zwei Lager der CSU haben alle erdenklichen Mittel angewandt, um sich, auch öffentlich, gegenseitig vorzuführen, lächerlich zu machen und zu demütigen. Wie nach dieser Schlacht die beiden Lagerführer Seehofer und Söder nun zueinanderfinden, miteinander arbeiten und Wahlkampf führen sollen: Das ist schleierhaft. Der Bundestagswahlkampf der Union mit Angela Merkel und Horst Seehofer war, verglichen mit dem bevorstehenden Landtagswahlkampf, eine glaubwürdige Angelegenheit.

Markus Söder hat politische Gaben, wie sie in diesem Maß keiner seiner Konkurrenten hatte und hat: Er ist rücksichtslos, er ist skrupellos, er ist ruchlos, wenn es sein muss. Mit diesen Gaben kann man, wie sich zeigt, einen Machtkampf gewinnen, eine wichtige Etappe jedenfalls. Kann man mit diesen Gaben eine ganze Partei, kann man Sympathisanten, kann man Wählerinnen und Wähler, kann man ein Land gewinnen? Zweifel sind angebracht. Gewiss: Söder passt ins Ensemble des bayerischen Welttheaters, in dem es schmeichlerische und bissige, intrigante und meineidige, leutselige, biegsame und polternde Figuren gab. Er ist ein souveränes Unikum. Stellt man ihn sich aber in der Reihe der bayerischen Ministerpräsidenten vor, dann hält man ihn eher für einen Fremdkörper; ihm fehlt leutselige Gelassenheit, ihm fehlt gewinnende Ausstrahlung; gewiss: die hatte auch Stoiber nicht gerade, aber der hatte gestalterischen Furor und politische Haltung.

Die Söderisten sagen gern, ihr Held sei halt einer wie Strauß. Aber Söder ist allenfalls ein Sträußlein. Ihm fehlt die programmatische Lust, ihm fehlt die Freude an politischen Inhalten, ihm fehlt wohl auch eine Vorstellung von der Zukunft des Landes. "Wg. Zukunft" - das ist kein Kürzel, das man bisher mit Söder verbindet. Man kann es sich nicht vorstellen, dass er der programmatischen Ödnis der CSU abhelfen kann. Söder ist Finanz- und Heimatminister. Ein guter Finanzminister zu sein ist in einem Land, dem es wirtschaftlich so gut geht wie Bayern (in der Wirtschaft heißt es derzeit, nicht wegen, sondern trotz der CSU), kein Kunststück. Ein guter Heimatminister? Das ist man nicht dadurch, dass jede Kommune das Gewerbegebiet bekommt, das sie angeblich braucht. Söder gehört zu denen, die glauben, dass eine goldene Zukunft gut subventioniert herbeibetoniert werden kann. Ein flächendeckend versiegeltes Gewerbegebiet - das ist aber keine Zukunftsvision für Bayern.

Die bayerischen Grünen betreiben ein Volksbegehren gegen Flächenfraß, "um die Schönheit Bayerns vor der Heimatzerstörungswut der CSU zu schützen", wie sie schreiben. Ein solcher Vorwurf könnte der CSU und ihrem Spitzenkandidaten Söder im Wahlkampf gehörig in die Quere kommen. Die Zersiedlung des Landes, die Verödung der Ortskerne, die Vermarktung der Natur - das alles ist ja augenfällig, das sind gefährliche Entwicklungen für Bayern, aber auch für eine Partei, die sich als Heimatpartei versteht. Wenn sich das Signum "Heimat" von der CSU löst, dann schaut diese Partei wirklich in den Abgrund.

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