Sodexo-Chefin Axler:"Wahl ist das Wichtige"

Die Deutschland-Chefin des französischen Kita- und Kantinenbetreibers über ihr Konzept und das Ulmer Kita-Projekt.

Interview von Ulrike Heidenreich

Adrienne Axler, 60, ist die Deutschland-Chefin des Kita- und Kantinenbetreibers Sodexo, der hier etwa 15 000 Mitarbeiter hat. Sie ist außerdem Mitglied der europäischen Geschäftsleitung der französischen Sodexo-Gruppe. Weltweit beschäftigt sie 420 000 Mitarbeiter.

SZ: Frau Axler, Ihr Unternehmen bringt internationale Expertise ein beim Betrieb der Ulmer Kita. Aus welchen Ländern sollte sich Deutschland etwas abschauen?

Adrienne Axler: Frankreich ist ein gutes Beispiel dafür, wie der Staat seit Langem eine familienfreundliche Politik verfolgt. Dass man politisch Mut hat und sagt: Wir wollen, dass Paare Kinder bekommen. Und wir wollen, dass Mütter ganz selbstverständlich arbeiten können. Die skandinavischen Länder sind noch einen Schritt weiter: Die Aufgabenverteilung im Haushalt zwischen Männern und Frauen ist viel ausgeglichener. Gleichberechtigung ist dort in der Gesellschaft angekommen und wird gelebt.

Läuft alles schief in Deutschland?

Ich persönlich finde, dass die Frauen in Deutschland auch viel richtig machen. Ich möchte keinen Lebensentwurf verurteilen und auch nicht beurteilen. Das Wichtige ist, hier freie Wahl zu haben. Das ist in Deutschland schwierig.

Was kann zeitliche Flexibilität in Kitas da erleichtern?

Die klassischen Arbeitszeiten bestehen nicht mehr. Flexibilität und Mobilität sind gefragt. Dafür dient unser Modell: Nicht, um das Kind durchgehend zwölf Stunden in der Kita zu lassen, sondern um sich besser organisieren zu können.

Haben Sie Untersuchungen anstellen lassen, wie es den Kindern bei dieser flexiblen Betreuung geht?

Haben wir nicht, da müsste ich lügen. Aber klar ist ja: Gäbe es unser Angebot nicht, müssten die Eltern dringend eine andere Lösung finden. Und da denke ich, dass unsere Lösung ein bisschen besser ist, weil Verständnis, eine gute Ausbildung und der richtige Geist da sind.

Von der entspannten Haltung der Eltern profitieren dann auch die Kinder?

Ich habe selbst drei. Und ich weiß: Wenn die Mutter nervös ist, dann sind die Kinder auch nervös.

Waren Ihre Kinder in einer Krippe?

Nein. Meine Schwiegermutter war für sie da. Das war auch eine gute Lösung.

Sie sind eine erfolgreiche Managerin. Können Sie Ihr Familienleben damit vereinbaren?

Total. Meine Kinder - sie sind jetzt 36, 34, und 32 Jahre alt - sagen mir das auch. Dass sie gut damit leben konnten und dass sie stolz darauf waren, was ich gemacht habe. Ich habe mich nie schuldig gefühlt. Ich glaube, es ist mir gelungen, da zu sein, wenn das notwendig war.

Ist Kinderbetreuung in Deutschland ein vielversprechender Markt?

Absolut, es gibt sehr viel Bedarf. Allerdings ist es hier kompliziert wegen der föderalen Struktur. Es ist auch ein Markt, der nicht konsolidiert ist. Es gibt keine großen Spieler, nur kleine Unternehmer.

Besteht nun die Chance, die verkrampfte, oft mit schlechtem Gewissen behaftete Haltung zur Kinderbetreuung zu lockern?

Ich hoffe das. Wichtig ist aber auch, dass sich die deutschen Frauen selbst ein bisschen befreien. Ich höre oft von meinen Mitarbeitern hier, dass ihnen die Eltern, die eigenen Mütter und Schwiegermütter, schlechte Gefühle vermitteln - weil diese grundsätzlich gegen Kita sind. Da sollte eine kulturelle Entwicklung stattfinden.

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