SMS-Ärger zwischen Merkel und Gabriel:Funkstille in Berlin

Ungeklärte SMS-Affäre: Vertrauliche Textbotschaften zwischen SPD-Chef Gabriel und Kanzlerin Merkel finden den Weg in ein Magazin. Gabriel streitet ab, der indiskrete Informant zu sein. Merkel ist trotzdem sauer - und spricht angeblich nicht mehr mit Gabriel.

Susanne Höll

Das deutsche Polizeirecht kennt den Begriff des Zweckveranlassers. Das ist ein Mensch, der mit einer an sich nicht strafbaren Handlung eine gravierende Störung des öffentlichen Lebens bewirkt - und dafür belangt werden kann. Als Beispiel für angehende Juristen wird gern der Fall eines Ladenbesitzers genannt, der aus Werbegründen mit leichtbekleideten Models eine spektakuläre Schaufensteraktion veranstaltet und einen Menschenauflauf verursacht, unter dem andere Geschäftsleute zu leiden haben.

Angela Merkel

Ein vertraulicher SMS-Wechsel zwischen dem SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel und Kanzlerin Angela Merkel wurde im "Spiegel" abgedruckt. Gabriel bestreitet, die Nachrichten an Journalisten weitergegeben zu haben.

(Foto: AP)

Nun ist der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel kein Ladeninhaber, und niemand wirft ihm vor, für ungebührliche Zusammenrottungen verantwortlich zu sein. Im Kanzleramt aber gilt er seit drei Wochen als eine Art politischer Zweckveranlasser. Anlass ist die im Detail ungeklärte SMS-Affäre, in der eine elektronische Botschaft von Bundeskanzlerin Angela Merkel an den Mann aus Goslar bekannt wurde. Der Spiegel druckte damals wortwörtlich den SMS-Wechsel ab, in dem Gabriel zuerst eine gemeinsame Nominierung von Joachim Gauck zum Bewerber für das Bundespräsidentenamt anbot, worauf Merkel in einer höflichen, wenngleich knappen Replik nicht eingehen wollte.

Als sie diesen Austausch schwarz auf weiß nachlesen konnte, war Merkel erzürnt. Seither hat sie Sigmar Gabriel mit einer Kontaktsperre belegt. Vertrauliche Gespräche will sie erklärtermaßen nicht mehr mit ihm führen, vorerst jedenfalls, wie man sowohl aus dem Kanzleramt als auch aus der SPD hören kann. Gabriel ist diese ganze Angelegenheit ziemlich unangenehm, obgleich er in internen Gesprächen Wert auf die Tatsache legt, er habe sich in dieser Sache keiner Indiskretion gegenüber Journalisten schuldig gemacht.

Wer gab die SMS weiter?

Weitergegeben hat er die beiden Botschaften aber durchaus - an einen kleinen Kreis von Spitzenleuten bei den Sozialdemokraten, aber auch bei den Grünen, mit denen zusammen sich die SPD auf die Nominierung Gaucks verständigt hatte. Viele Empfänger können es wirklich nicht gewesen sein; die SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles jedenfalls ließ öffentlich wissen, sie habe diese Nachrichten nie erhalten.

Wer aus welchem Grund die Botschaften zum Abdruck freigab, ist Anlass von Spekulationen. Das freilich ist der Kanzlerin egal. Sie sieht den Urheber in Gabriel und ist, wie man aus dem Kanzleramt verbreitet, sehr enttäuscht von dessen aus ihrer Sicht wenig staatsmännischen Qualitäten. Mit seinen Vorgängern Franz Müntefering und Kurt Beck habe es in puncto Vertraulichkeit nie Probleme gegeben, selbst nicht mit dem für seinen Hang zur Ruchlosigkeit bekannten Altkanzler Gerhard Schröder. Merkels Unmut bekam Gabriel bereits zu spüren. Eine erklärende Entschuldigungs-SMS des SPD-Vorsitzenden ließ die Kanzlerin bis heute unbeantwortet. Die Grünen-Spitze bleibt offenkundig von solchen Sanktionen Merkels verschont. Man wisse nichts von derlei Kontaktsperren, heißt es dort.

Gleichwohl bedeute das nicht, dass nun Funkstille herrsche zwischen Merkel und Gabriel, heißt es aus ihrer Umgebung. Natürlich werde die Kanzlerin mit dem Vorsitzenden der Oppositionspartei reden, wenn es nötig sei. Und in wichtigen Fällen könne man sich ja an den Ex-Vizekanzler, SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier, wenden. Das allerdings wäre wohl schmerzlich für Gabriel, der sich in der großen Koalition eines ausgesprochen guten Verhältnisses zu Merkel erfreute.

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