Slowakei:Wahl in der Slowakei: Alles auf die harte Karte

Smer party election campaign rally in Bratislava

Robert Fico bei einer Wahlkampfveranstaltung in Bratislava am 2. März.

(Foto: dpa)
  • Heute wird in der Slowakei ein neues Parlament gewählt, die Wahllokale sind bis 22 Uhr geöffnet.
  • Der sozialdemokratische Premier Fico hat eine monothematische Kampagne gegen Flüchtlinge geführt.
  • Allerdings haben viele im Land andere Sorgen, es ist deshalb fraglich, ob Fico die absolute Mehrheit halten kann.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Robert Fico setzt auf Härte, und lange sah es so aus, als würde genau das dem slowakischen Premier einen Erdrutsch-Sieg bescheren. Dabei könnte alles ganz anders kommen. An diesem Samstag wird in der Slowakei ein neues Parlament gewählt, und der Sozialdemokrat Fico, der mittlerweile am längsten amtierende Regierungschef seit der Aufspaltung der Tschechoslowakei, hat im Wahlkampf alles auf die Flüchtlingskarte gesetzt.

Als er etwa in der vergangenen Woche Mazedonien besuchte, war er auch am Grenzzaun. Durch den Maschendraht hindurch, berichtet die Nachrichtenagentur dpa, hätten Flüchtlinge den Slowaken um Hilfe gebeten. Aber da waren sie an den Falschen geraten. Was er hier sehe, sei "nichts Entsetzliches", so Fico, sondern vielmehr "eine Gefahr". Später legte er im Wahlkampf-Endspurt in Bratislava nach: Er werde "nicht zulassen, dass auch nur ein einziger Muslim über EU-Quoten hierher gebracht" werde, rief er seinen Anhängern zu. Ficos Smer-Partei, die seit 2012 die absolute Mehrheit hält, wirbt im ganzen Land mit dem Slogan "Wir schützen die Slowakei". Die Regierung hat gegen die Idee verbindlicher Verteilungsquoten geklagt und sich geweigert, muslimische Flüchtlinge ins Land zu lassen. Es ist offensichtlich: Robert Fico glaubt daran, dass er die Bevölkerung mit einem monothematischen Wahlkampf hinter sich bringt.

Aber: Sagten Wahlforscher im Winter ihm noch einen satten Vorsprung und bis zu 40 Prozent der Stimmen voraus, so sind es mittlerweile nur noch 32 Prozent. Auch das dürfte für eine Mehrheit, wenngleich keine absolute, reichen, denn die Smer hat kaum ernsthafte Konkurrenz. Doch Experten beobachten, dass sich viele Slowaken nicht abgeholt fühlen von Fico. Während der sich, gemeinsam mit seinem Kollegen Viktor Orbán in Ungarn und der polnischen Ministerpräsidentin Beata Szydło, in der Visegrad-Gruppe gegen die EU-Kommission und gegen eine "Unterwanderung durch Muslime" verkämpfte, hatten viele Slowaken ganz andere Sorgen.

Bei Protesten von Lehrern und Krankenpflegern zeigte sich der Premier unerbittlich

330 Asylanträge wurden 2015 in der Slowakei gestellt, ganze acht bewilligt. Währenddessen dominierten Massenstreiks von Lehrern und Schülern gegen ein unterfinanziertes Bildungswesen die Schlagzeilen und die nationale Debatte; ebenso wie Massenkündigungen von Krankenschwestern, die - weil sie nicht streiken dürfen - zu diesem Mittel griffen, um ihren Protest gegen schlechte Bezahlung und ein marodes Krankenhauswesen zu artikulieren. Beide Protestwellen blieben erfolglos - unter anderem, weil sich Premier Fico nicht auf Kompromisse mit den Demonstranten einlassen mochte. In der Bevölkerung kam das nicht gut an; die realen Probleme seien im Wahlkampf nicht behandelt worden, heißt es. Bekanntlich sind Umfragen in aufgeheizten Zeiten nicht verlässlich, und so kann es sein, dass Fico und seine Smer wieder die absolute Mehrheit holen. Wenn nicht, könnte sich der Premier eventuell mit der mutmaßlich Zweitplatzierten, der rechtspopulistischen SNS (Slowakische Nationalpartei) zusammentun. Thematisch gibt es, zumal in der Flüchtlingsfrage, große Überschneidungen.

Bei der Wahl 2010 errang der bullige Sozialdemokrat zwar die Mehrheit der Stimmen, doch es gelang ihm nicht, eine Regierung zu bilden. Auch wenn er diese Scharte zwei Jahre später, bei vorgezogenen Neuwahlen, auswetzen konnte, so sitzt ihm die Niederlage doch in den Knochen - ebenso wie der gescheiterte Versuch, sich zum Staatsoberhaupt wählen zu lassen; er unterlag bei der Präsidentschaftswahl dem parteilosen Millionär Andrej Kiska.

Verwunderlich sind die harte Rhetorik und das kompromisslose Auftreten des Premiers, der oft als Demagoge und Populist bezeichnet wird, vor allem, weil es der Slowakei wirtschaftlich gut geht. Die Region um Bratislava boomt, internationale Autofirmen investieren im Land, die Staatsverschuldung ist eine der niedrigsten in der EU. Populär ist die Regierung bei Rentnern und Studenten, für die sie kostenlose Zugtickets einführte; und die Armen sind dankbar über die Senkung des Mehrwertsteuersatzes für Grundnahrungsmittel. Die liberale slowakische Tageszeitung Dennik N setzt gleichwohl auf einen Regierungswechsel: "Im Interesse der mentalen Gesundheit des Landes sollte der Regierungschef ausgetauscht werden. Es kann nur immer schlimmer und gefährlicher werden, wenn jemand zu lange an der Macht ist."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: