Simbabwes Herrscher Robert Mugabe:Der Präsident liebt Pomp und Prügel

Mit äußerster Gewalt geht der 83-jährige Despot gegen Kritiker vor. Dabei zeigt er der Welt aufs Neue, dass ein ruiniertes Land noch tiefer fallen kann.

Arne Perras

Sharon hat es gewagt, ihre Stromrechnung anzuzweifeln. Das reicht, um in Simbabwe abgeführt zu werden. Zwei Tage Gefängnis hat die junge Frau hinter sich. Und eine Woche Krankenhaus. Nun ist sie wieder zu Hause. Sie sitzt in einem zerschlissenen Sessel, ihr Körper ist in Wolldecken gewickelt, die Beine ruhen auf einem Hocker. Schauer laufen ihr über die Glieder. Sie kann weder gehen noch stehen. Und jeder Atemzug tut weh.

Mugabe, Simbabwe

"Er hat sich immer skrupellos durchgesetzt": Seit der Unabhängigkeit vor 27 Jahren regiert Robert Mugabe in Simbabwe.

(Foto: Foto: afp)

Dennoch wird Sharon, deren Name geändert ist, alles erzählen. Drei Stunden lang wird sie ihre Geschichte herauspressen, mit vielen Pausen, um Kraft zu schöpfen. Am späten Abend wird sie dann zusammensinken. Seit dem 23. April hat sie kaum Schlaf gefunden. Das war der Tag, an dem alles begann.

Sharon erinnert sich: Am Morgen zieht sie mit Nachbarn vor das Büro der staatlichen Stromgesellschaft und protestiert. Sie sieht nicht ein, dass sie ständig im Dunkeln sitzt und trotzdem eine volle Rechnung bezahlen muss. In sechs Monaten soll sie ihr drittes Kind zur Welt bringen, dann wird sie ihr Geld dringend brauchen.

Doch der Staat duldet keinen Widerspruch. Noch am selben Tag wandern Sharon und 55 andere Zweifler ins Gefängnis. Sie werden zusammen in eine Zelle gepfercht, kaum größer als ihr Zimmer. Und manche ahnen schon, was sie erwartet.

Die Genossen nicken stumm

Alltag im Reich von Robert Mugabe. Vor 27 Jahren, als das Land die Unabhängigkeit erlangte, wurde der Mann als Freiheitskämpfer bejubelt. Heute sehnen sich viele nach Erlösung von ihrem 83-jährigen Diktator. Er hat Simbabwe in den Ruin getrieben. Nun klammert er sich mit allen Mitteln an die Macht. Im nächsten Jahr will er sich erneut zum Präsidenten wählen lassen. Und die Genossen im Politbüro haben nur stumm genickt.

Die Spuren seiner Herrschaft sind vielerorts zu erblicken: zum Beispiel im Gesicht von Fletcher Dhlamini. Auf einem Auge sieht er nicht mehr, seitdem er unter Mugabe im Gefängnis saß. Zuckerkrank ist er, und sie haben ihm seine Medizin so lange verweigert, bis er auf einer Seite erblindet war. Wie Mugabe gehört Dhlamini zur Generation der Befreiungskämpfer.

Auch er hat das rhodesische Minderheitenregime von Ian Smith bekämpft und wurde dafür vor drei Jahrzehnten eingekerkert. "Das war schlimm", erzählt er. "Aber unter Mugabe ist es schlimmer." Als er jung war, hatte Dhlamini einen Traum. Er wollte die Weißen stürzen, damit es seine Kinder einmal besser haben würden. Ein Leben ohne Unterdrückung und Not. Doch es ist alles anders gekommen. "Jetzt müssen wir uns ein zweites Mal befreien", sagt er. Vom Terror des alten Mannes Mugabe.

Sharon erinnert sich: Aus ihrer Zelle werden die Gefangenen in einen anderen Raum geführt, wo zwei Polizisten mit Schlagstöcken auf sie warten. Sie prügeln auf sie ein. Bald können viele nicht mehr stehen und sinken zu Boden. Aber die Knüppel tanzen weiter. "Ihr werdet das Ende des Jahres nicht mehr erleben", brüllt einer ihrer Peiniger. Nachts um zwei werden die Frauen zurückgezerrt in ihre Zelle. Stöhnen erfüllt den Raum. Sharon betet: Herr, hilf uns in der Not. Herr, beschütze mich und mein Kind. Doch der nächste Morgen kommt bestimmt.

Die Polizei habe die Aufgabe zu bestrafen, hat Mugabe kürzlich verkündet. Seinem Volk zeigt sich der Präsident nur noch selten. Beim Unabhängigkeitstag im April hatte seine Partei Zanu-PF schon einige Mühe, genügend Menschen herbeizukarren, die ihn bejubeln sollten. Also wurde die Feier vom großen Stadion in Harare in ein kleineres verlegt. Mugabe hetzte wie immer gegen die Neokolonialisten, die versuchten, sein Land zu zerstören. Und weil er fast alle Medien kontrolliert, kann er seine Propaganda per Radio in alle Dörfer tragen und so die Bauern in die Irre führen.

Der Präsident liebt Pomp und Prügel

Fahrt hinaus aufs Land: Entlang der Straße nach Chinoi lagen einst riesige Farmen. Gemüse, Getreide, Tabak. Sie gehörten den Weißen - zweifellos ein Erbe des Unrechtsstaats Rhodesien. Doch es waren diese Unternehmer, die das ökonomische Rückgrat des neuen Simbabwe bildeten und dem Staat Devisen bescherten. In den Jahren nach der Unabhängigkeit galt der südafrikanische Staat lange als Musterland, Mugabe sprach von Versöhnung zwischen Schwarz und Weiß und wurde vom Westen gehätschelt.

Doch vor sieben Jahren befahl er dann, die weißen Farmer zu enteignen. Er rechtfertigte dies als neuen anti-kolonialen Kampf. Und jeder, der dagegen protestierte, wurde als Kollaborateur der Briten beschimpft. Das machte es der Opposition schwer, denn niemand in Simbabwe möchte als Handlanger des Westens gelten. Viele Ländereien verteilte Mugabe an seine Günstlinge. Eine gute Landreform wäre nötig gewesen, doch der Präsident hat mit seiner Brachialstrategie alle Chancen zerstört.

Die Landwirtschaft ist seither ruiniert. Viele der neuen Farmbesitzer haben Geräte und Maschinen einfach verkauft: Traktoren, Bewässerungssysteme und was sonst noch Geld einbrachte. Deshalb wuchert nun hohes Gras auf den Äckern entlang der Straße. Nur ab und zu sind Felder zu sehen, auf denen klägliche Maispflanzen verdorren. Das sind die Grundstücke der kleinen Bauern, die ebenfalls Land von Mugabe bekommen haben. Aber sie können es nicht bewässern, es fehlen Werkzeuge, Saatgut und Dünger. Und es hat viel zu wenig geregnet.

Knüppel auf Mutter und Kind

So sind Millionen vom Hunger bedroht. Sie werden Nahrungshilfe brauchen, und die kontrolliert die Partei Mugabes. "Damit kauft er sich die Stimmen für die nächste Wahl", sagt ein Ernährungsexperte, der anonym bleiben will. Wer sich eine Parteikarte von Zanu-PF holt, dem werden 50Kilo Mais versprochen. Solche Dinge muss man tun, um in Simbabwe zu überleben.

Sharon erinnert sich: Der Morgen graut, und alle müssen wieder raus aus ihrer Zelle. Es ist der zweite Tag im Knast. Sie bekommen den Befehl, sich flach auf den Boden zu legen. Einige Mütter haben Babys auf ihren Rücken gebunden, sie sollen sie zur Seite legen, heißt es. Aber eine Frau weigert sich. Also saust der Knüppel hernieder, auf Mutter und Kind. Sharon kann nicht viel sehen unten auf dem Boden. Sie hört nur die Schreie. Und neben ihr marschieren schwere schwarze Stiefel auf und ab.

Masvingo, sechs Stunden Autofahrt von Harare entfernt: Ein paar Hütten tauchen am Ende der Piste auf. Hunderte Menschen kauern auf der Erde. Sie sind gekommen, um einen der Gründer der Oppositionspartei MDC zu Grabe zu tragen. Der Gewerkschafter Isaac Matongo ist an Herzversagen gestorben. Jetzt liegt sein Leichnam in einem blütenweißen Sarg, und die ganze Führung der Partei nimmt Abschied. Morgan Tsvangirai, Chef der Bewegung für demokratischen Wandel (MDC), hält die Trauerrede. Dann hallen dumpfe Trommelschläge durch den Busch. Die Frauen erheben sich, tanzen im Kreis um den Leichnam und singen: "Wir wollen keinen Sohn wie Robert Mugabe. Wir wollen einen Sohn wie Morgan Tsvangirai."

Mitte März wurden der Oppositionsführer und andere Kritiker von der Polizei halb totgeschlagen. Die Narbe auf dem Kopf von Tsvangirai ist noch zu sehen. "Ich bin aber wieder voll da", sagt der MDC-Führer. Weiterkämpfen will er für ein neues Simbabwe, doch es sind schwere Zeiten für die MDC, deren Führer nur heute, am Tag der Trauer, einig nebeneinandersitzen. Die Bewegung hat sich aufgespalten in zwei Lager. Und sie steht vor einer schwierigen Entscheidung. Soll sie mitmachen bei der Präsidentenwahl nächstes Jahr oder zum Boykott aufrufen? Tsvangirai, der gerade seinen Kameraden Matongo in die Erde hinabgelassen hat, zögert mit der Antwort. Erst einmal müssten sie versuchen, einige Verfassungsänderungen durchzusetzen, damit die Wahlen fair ablaufen könnten. Außerdem sollten Vermittlungsgespräche eine Chance bekommen, unter der Leitung von Südafrikas Präsident Thabo Mbeki.

Aber nur wenige Simbabwer setzten darauf Hoffnung. Mbeki hat stets gezögert, den alten Kämpfer Mugabe zu kritisieren. Einerseits muss der Südafrikaner zwar daran interessiert sein, die Krise bald zu entschärfen. Drei Millionen Flüchtlinge sind bereits hereingedrängt in sein Land, und es werden täglich mehr. Südafrika will 2010 die Fußballweltmeisterschaft ausrichten. Da sieht es ganz schlecht aus, wenn der Terror im Nachbarland die Party stört. Andererseits aber will Mbeki um jeden Preis vermeiden, dass eine Gewerkschaftsbewegung wie die MDC in Simbabwe triumphiert. Das nämlich könnte Cosatu, das Arbeiterbündnis in Südafrika, auf ähnliche Gedanken bringen.

Aufräumen im Armenviertel

Viele zweifeln ohnehin, dass es mit Mugabe Versöhnung geben kann. "Der Mann will bis zum Ende durchhalten, um jeden Preis", sagt Politikprofessor John Makumbe. Und er wisse auch warum: Verliert Mugabe seine Immunität, muss er damit rechnen, wegen schwerster Verbrechen verurteilt zu werden. Als er nach dem Sturz der weißen Regierung die Macht übernahm, ließ er in Matabeleland mindestens 20000 Anhänger der zweiten großen Befreiungsbewegung - Zapu - ermorden, weil er sie als Gefahr für seine Herrschaft ansah. Die Massaker sind bis heute ungesühnt.

Sonntagnachmittag, am Stadtrand von Harare. Aus dem Hof der St. Peters Kirche im Township Mbare dröhnt Raggae-Musik, Dutzende Jugendliche haben sich um die Lautsprecher versammelt und feiern. Wenigstens für ein paar Stunden wollen sie die Tristesse des Alltags vertreiben. Hier arbeitet Pater Oskar Wermter, ein deutscher Jesuit, der seit den siebziger Jahren in Simbabwe lebt. Er hat Mugabes Treiben all die Zeit beobachtet, auch 2005, als der Präsident die Bulldozer in die Armenviertel schickte für die Operation "Murambatsvina", was so viel heißt wie "Räum den Müll weg". Die Maschinen rissen Tausende ärmliche Behausungen ein, angeblich, um das Verbrechen zu bekämpfen. Die Trümmer sind noch zu sehen, und jeder weiß, dass dies eine gezielte Strafaktion gegen die Opposition war: "Dieser Mann hat gelernt, dass sich Gewalt auszahlt", sagt Wermter. "Er hat sich immer skrupellos durchgesetzt."

Dass einer wie er so mächtig werden konnte, sei auch die Schuld des rhodesischen Regimes gewesen, sagt Wermter. Denn die unbelehrbaren Weißen hätten die Schwarzen dazu gezwungen, ihren Kampf um Freiheit gewaltsam zu führen. So seien Männer wie Mugabe erst groß geworden. "Ian Smith und Robert Mugabe, das sind im Grunde Zwillinge."

Die Kirchen in Simbabwe beweisen großen Mut, sie haben einen Hirtenbrief verfasst, in dem sie Mugabes Brutalität offen anprangern. Das hat den Präsidenten, der stets den braven Katholiken gibt, hart getroffen. Im staatlichen Organ Herald entfesselte er eine wütende Attacke auf die Geistlichen. "Auch Bischöfe können zur Hölle fahren", donnerte er. "Der Mann ist jetzt nervös", glaubt Wermter, "weil er sich immer als einer von uns darstellen wollte." Das aber geht nun nicht mehr. Und die Kirchen haben Gewicht im Land, vielleicht sind sie Mugabes gefährlichster Gegner.

Der Präsident liebt Pomp und Prügel

Sharon erinnert sich: Sie liegen noch immer flach auf dem Boden. Dann kommen plötzlich die Stiefel. Zwei Männer und eine Frau marschieren auf den Gefangenen auf und ab. Auf und ab. Manchmal stampfen und hüpfen sie. Sharon greift sich an den Rücken, weil sie es kaum noch aushält. "Was tust du da", brüllt einer der Polizisten. Und schlägt mit dem Knüppel auf ihren Ellbogen ein.

Fifth Street in Harare, vor dem Holiday Inn: Die Leute nennen diese Gegend "die Weltbank". Hier werden Devisengeschäfte auf der Straße getätigt. Die Händler kaufen und verkaufen US-Dollar. Der offizielle Kurs der simbabwischen Währung liegt bei 250 zu 1. Auf dem Schwarzmarkt kostet der US-Dollar längst mehr als das Hundertfache. Die Preise klettern in atemberaubendem Tempo, die Gehälter aber hinken hinterher. Die Regale in den Supermärkten sind oft leer, und was es noch zu kaufen gibt, ist unerschwinglich. Am schlechtesten sind die Landarbeiter dran, die nur 40 000 Zimbabwe-Dollar im Monat bekommen. Davon kann ein Familienvater vier Brote kaufen. In ein paar Wochen werden es nur noch zwei sein, so wie die Inflation galoppiert. Sie liegt bei 3700 Prozent. Das ist einsame Weltspitze. Und wie überleben die Menschen? Viele halten nur deshalb durch, weil sie Verwandte im Ausland haben, die sie unterstützen. Fast jeder vierte Simbabwer lebt inzwischen jenseits der Grenzen.

Andere, die geblieben sind, suchen ihre letzte Rettung unter der Erde. Mit Hacke und Schaufel graben sie Nacht für Nacht, zum Beispiel nahe der Stadt Kwekwe. Das sind die Goldgräber Simbabwes. Überall zwischen den Büschen liegen große Erdhaufen, auf einmal taucht ein Holzgestänge auf, an das ein Seil gebunden ist. Es reicht hinunter in ein tiefes Loch, dessen Boden nicht zu sehen ist. Nur ein leises Hämmern dringt herauf. Ein Ruf nach unten, und das Werkzeug verstummt. Der Goldgräber ist nicht herauszulocken, es gibt Probleme zur Zeit, die Polizei hat die Arbeit vielerorts verboten, weil die Leute angeblich keine Genehmigungen haben.

Geld für die Günstlinge

Mehrere Tonnen Gold werden jedes Jahr aus Simbabwe herausgeschmuggelt, weil der Staat, der den Goldhandel kontrolliert, für den Rohstoff viel zu wenig bezahlt. Inzwischen suchen Zehntausende ihr Glück in den dunklen Löchern. Doch die Arbeit ist gefährlich, das wissen auch Lennard und Joburg. Vor ein paar Wochen, da war auf einmal ihr Freund verschwunden. Tagelang suchten die beiden Männer nach ihm, bis dann aus einer der Gruben ein beißender Geruch nach oben drang. Ein tödlicher Unfall. "Aber was bleibt uns denn übrig?", fragt Lennard. Ohne das Gold haben sie keine Chance. Ihre Löhne auf der Farm sind nichts wert.

Den Schmuggel kontrollieren mächtige Leute. Vor kurzem versuchte ein Minister sogar, Diamanten über den Flughafen Harare hinauszuschleusen. 11 000 Karat. Das war dann doch zu dreist, er wanderte hinter Gitter. Der Internationale Währungsfonds schätzt, dass der gesamte illegale Handel über die Grenzen einen Umfang von etwa zwei Milliarden US-Dollar im Jahr hat. Das ist weit mehr, als das Land durch legalen Export verdient. Die beste Methode, um reich zu werden, ist aber immer noch das Tauschmanöver mit dem US-Dollar. Nur Parteifunktionäre können sich bei der Zentralbank die US-Währung holen, zum Kurs von 250 zu 1. Auf dem Schwarzmarkt bekommen sie dann für jeden US-Dollar mehr als 30 000 Zimbabwe-Dollar, die sie auf der Bank wieder in amerikanische Währung zurücktauschen. Eine wundersame Geldvermehrung, mit der die Partei-Oberen Millionen scheffeln, während die Wirtschaft immer tiefer in den Abgrund trudelt.

Mugabe muss streng darauf achten, dass seine Günstlinge gut leben. Sonst bricht sein System zusammen. Auch die Generäle hat er versorgt, damit sie auf keine dumme Gedanken kommen. Irgendwann aber wird es nichts mehr geben, das Mugabe verteilen kann. Dann ist auch der Diktator am Ende. Doch niemand weiß, wann der Kollaps kommt.

Sharon erinnert sich: Am Abend des zweiten Tages werden sie alle wieder freigelassen. Freunde bringen die Verletzten zum Arzt, vier Frauen müssen ins Krankenhaus. Sharon bekommt Infusionen und wird unter den Röntgenapparat geschoben. Die Ärzte begutachten den Wirbelschaden. Sie muss jetzt ruhen. Und warten. Und beten.

Am nächsten Tag verliert Sharon ihr Kind.

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