Simbabwe:Parteibonzen auf Beutejagd

So schlimm war es um das Land noch nie bestellt: Die Menschen in Simbabwe sinken immer tiefer ins Elend. Doch je verheerender die Lage, desto besser scheint es dem Diktator Robert Mugabe und seinen Günstlingen zu gehen.

Von Michael Bitala

Nairobi - In Simbabwe mangelt es an allem - nur nicht an Gerüchten. Sie halten sich hartnäckig, in immer neuer Form, aber alle haben die gleiche Botschaft: Präsident Robert Mugabe wird bald seine Macht abgeben. Vielleicht schon auf dem Parteitag seiner Regierungspartei Zanu-PF im Dezember, vielleicht auch erst in einigen Monaten. Sicher ist, dass Regierung und Opposition miteinander verhandeln, wenn auch unter strengster Geheimhaltung. Deshalb dementieren beide Seiten auch diese Treffen.

Kinder

Hilfsorganisationen rechnen damit, dass sie in den kommenden Monaten mehr als sechs Millionen Simbabwer ernähren müssen.

(Foto: Foto: dpa)

Die Aussicht auf den Rückzug des 79-jährigen Diktators ist die einzige Hoffnung, die den Menschen noch bleibt. So schlimm wie heute war es um das Land noch nie bestellt: Die Inflationsrate liegt nach offiziellen Angaben bei 455 Prozent, tatsächlich dürfte sie schon 1000 Prozent übersteigen. 70 Prozent der Menschen haben keine Arbeit, und diejenigen, die noch Löhne beziehen, bekommen am Ende des Monats oft nicht einmal die fast wertlosen Scheine, weil auch das Bargeld knapp ist und die Gelddruckereien mit dem Bedarf nicht hinterherkommen.

Kein Sprit mehr

Vor ein paar Wochen hieß es dann aus der Nationalen Ölgesellschaft, dass sie über keine Tropfen Benzin mehr verfüge, der Strom ist ebenfalls knapp, und Hilfsorganisationen rechnen damit, dass sie in den kommenden Monaten mehr als sechs Millionen Simbabwer, also jeden zweiten Einwohner, ernähren müssen, weil es so gut wie keinen Mais und keinen Weizen mehr gebe.

Die meisten Felder liegen durch die Farmbesetzungen brach. Doch je schlimmer die Lage wird, desto besser scheint es Mugabe und seinen Günstlingen zu gehen. Obwohl das Land fast bankrott ist, gibt es für sie immer noch Quellen, um sich persönlich zu bereichern - und die Zufriedenheit des Militärs, der Polizei und der Sicherheitsdienste ist die Garantie für des Überleben des 79-jährigen Despoten. Deshalb schlagen diese auch weiterhin jede Form von Opposition nieder, deshalb kann Mugabe auch die einzige unabhängige Tageszeitung Daily News gewaltsam schließen lassen - obwohl ein Gericht dies für illegal erklärt hat.

Mitglieder der Regierung, der Partei, des Militärs, der Polizei und der Sicherheitsdienste haben nicht nur die besten Farmen bekommen, die den weißen Bauern weggenommen wurden. Auch konnten sich die Armee-Generäle im Kongofeldzug bereichern, indem sie Konzessionen für dortige Gold-, Diamanten, Kupfer- oder Kobaltminen bekamen. Doch nachdem sich die Simbabwer aus dem zentralafrikanischen Land zurückgezogen haben, nachdem der Landraub nahezu abgeschlossen ist, nutzt Mugabes Clique andere Möglichkeiten zur Plünderung der Staatskasse.

Am Tropf der Helfer

Da gibt es zum Beispiel die Benzinversorgung. Seit gut einem Jahr gibt es keinen Sprit mehr in den Esso- und Shell-Filialen des Landes. Auch wenn der Nationalen Ölgesellschaft vor kurzem der Nachschub ausging, so gibt es inzwischen wieder Benzin, Diesel und Paraffin - und zwar an den Tankstellen zweier Ketten, die Country Petrol und Comoil heißen und Mitgliedern der Zanu-PF gehören. Sie haben die Lizenz bekommen, zum staatlich festgesetzten Preis Benzin einkaufen zu dürfen, um es danach zu regulären Marktpreisen weiter zu verkaufen, was enorme Gewinne garantiert.

Das gilt auch für ausländische Devisen. Nur Vertraute des Diktators bekommen bei der Zentralbank noch US-Dollar, und zwar zum offiziellen Umtauschkurs von 824 Zim-Dollar. Die können sie auf dem Schwarzmarkt veräußern, wo ein US-Dollar für mehr als 6000 Zim-Dollar gehandelt wird.

Ähnliches geschieht mit Mangelwaren wie Zucker, Mais und Weizen, die sie zum staatlich festgesetzten Kurs kaufen und dann in Nachbarländer wie Mosambik, Sambia oder Südafrika zum vielfach höheren Preis exportieren, auch wenn im eigenen Land die Bevölkerung verhungert. Wie dreist es selbst der Präsident treibt, zeigte sich vor kurzem, als Mugabe aus Malaysia zurückflog und die Fluglinie Singapore Airlines ihm 40 000 Dollar für Übergepäck in Rechnung stellte. Seine Frau Grace hatte eingekauft, Mugabe zahlte noch beim Einchecken per Kreditkarte.

Dass nicht noch mehr Menschen hungern, ist ausschließlich den Hilfsorganisationen zu verdanken und den Simbabwern, die im Ausland leben. Zwischen drei und vier Millionen Menschen sind inzwischen nach Südafrika, Botswana, Großbritannien, Neuseeland, Australien oder die USA ausgewandert, viele von ihnen sind Professoren, Ärzte, Ingenieure oder Krankenschwestern, die sich im Ausland eine neue Existenz aufbauen. Fast alle schicken einen Teil ihres Einkommens in die Heimat. Wie viel das ist, zeigt die Statistik: In Simbabwe wird 25 Prozent mehr Geld ausgegeben als das Land selbst erwirtschaftet. Die im Exil lebenden Simbabwer stabilisieren mit ihrer Hilfe aber auch indirekt das Regime von Robert Mugabe.

Gespräch um den Nachfolger

Dennoch könnte auf dem Parteitag ein schrittweiser Machtwechsel eingeleitet werden, nicht zuletzt weil Mugabe im Februar 80 Jahre alt wird und die Regierungspartei einen geordneten Übergang will. Im September starb Vizepräsident Simon Muzenda, deshalb soll beim Parteitreffen im Dezember der Nachfolger bestimmt werden. Dies gilt als Vorentscheidung, wer Mugabe beerben wird. Der aussichtsreichste Kandidat und Wunschnachfolger des Diktators ist der Parlamentssprecher Emmerson Mnangagwa, der den Geheimdienst und die Geschäfte der Zanu-PF kontrolliert.

Gleichzeitig finden seit einiger Zeit auch Gespräche mit Teilen der oppositionellen "Bewegung für den demokratischen Wandel" (MDC) statt. Deren Generalsekretär Welshman Ncube soll dazu bewogen werden, dass ein Teil der Opposition mit Mugabes Partei eine "Regierung der nationalen Einheit" eingeht - unter Ausschluss des MDC-Chefs Morgan Tsvangirai.

Zwar ist Tsvangirai in Simbabwe populär, doch - so urteilen Beobachter in der Hauptstadt Harare - "politisch ist er längst tot". Zum einen, weil die Opposition tief zerstritten ist, zum anderen, weil der südafrikanische Präsident Thabo Mbeki, der im Hintergrund vermittelt, Tsvangirai nicht schätzt. Ncube gilt als intellektueller und auch moderater als sein Parteichef, und nichts fürchtet Mbeki mehr, als dass es Unruhen im Nachbarland geben könnte oder dass ein unberechenbarer neuer Staatschef an die Macht kommt.

Tödliche Umarmung

Die Gefahr einer Einheitsregierung aber besteht darin, dass Mugabes Zanu-PF den politischen Gegner so fest umarmen könnte wie schon einmal, im Jahr 1987, als die konkurrierende Partei Zapu mit Zanu so verschmolzen wurde, dass sie faktisch aufgelöst wurde. Von da an konnte Mugabe alleine weiter regieren. Trotz aller Gerüchte, trotz der Gespräche und der Nachfolge-Diskussionen - Mugabe zeigt keinerlei Anzeichen, dass er abtreten möchte. Er reist ständig umher, mal nach Südostasien, mal durchs eigene Land, und als kürzlich gemeldet wurde, dass er in ein südafrikanisches Krankenhaus gebracht worden sei, da war er am nächsten Tag gesund und munter im staatlichen Fernsehen zu sehen.

Glaubt man der Schriftstellerin Doris Lessing, so wird Mugabe nur von einem Gedanken gequält. In einem Aufsatz in Le Monde Diplomatique schildert sie, dass der Despot fast ununterbrochen an seinen Todfeind, den britischen Premier Tony Blair, denke und überzeugt sei, dass dieser ihn umbringen wolle. Das Problem sei, dass keiner von Mugabes Untertanen sich traue, ihm zu sagen, dass Blair vermutlich nicht einmal eine halbe Minute pro Woche an den Diktator denke.

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