Simbabwe:Alte Kameraden begehren auf

Langzeitherrscher Mugabe verliert eine wichtige Stütze des Regimes - der Staat kann die Veteranen nicht mehr alimentieren.

Von Isabel Pfaff

Manchmal kann ein verpixeltes Youtube-Video ein ganzes Land in Aufruhr versetzen. Nur vier Minuten dauert der im April gepostete Clip von Pastor Evan Mawarire; der 39-Jährige hat sich darin die simbabwische Flagge um die Schultern gelegt und hält jede Farbe einzeln in die Kamera. "Das Grün soll für unsere Ernten stehen, ich sehe in unserem Land aber keine Ernten." Das Gelb repräsentiere die Bodenschätze Simbabwes, "ich weiß nicht, wie viel von ihnen noch übrig ist". Das Rot stehe für all das Blut, das die simbabwischen Freiheitskämpfer für die Unabhängigkeit des Landes vergossen hätten. "Wenn sie hier wären und sehen könnten, was aus ihrem Land geworden ist, würden sie ihr Blut zurückverlangen!"

Das eindringliche Video des Pastors hat die Internetkampagne #ThisFlag ins Rollen gebracht, inzwischen ist daraus die größte regierungskritische Bewegung geworden, die Simbabwe im vergangenen Jahrzehnt gesehen hat. Und sie gewinnt wöchentlich an Dynamik.

Anfang Juli kam es in den großen Städten des Landes zum Generalstreik. Wenige Tage später wurde Pastor Mawarire verhaftet. Unter dem Jubel seiner Anhänger ließen ihn die Behörden zwar 24 Stunden später wieder frei, doch die Polizeigewalt gegen Regierungskritiker ging weiter; Hunderte Demonstranten sollen bei den Protesten mittlerweile festgenommen worden sein. Diesmal aber sieht es ganz so aus, als lasse sich das Problem nicht einfach mit Repression lösen. Erstmals haben sich auch Teile der Kriegsveteranen - eigentlich eine wichtige Stütze des Regimes - von Robert Mugabe, Simbabwes umstrittenem Langzeitherrscher, abgewandt. Der Grund: "diktatorische Tendenzen", die nicht mehr vereinbar seien mit den Werten des Unabhängigkeitskampfs. Doch selbst die Kritik seiner einstigen Kampfgefährten prallte an Mugabe ab. Am Mittwoch und Donnerstag ließ er erste Mitglieder der abtrünnigen Veteranengruppe verhaften.

Ein Drittel der Bevölkerung ist derzeit auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen

Nun hat der 92-jährige Mugabe schon viele Erschütterungen überstanden. Doch diesmal häufen sich die Schwierigkeiten. Simbabwes Wirtschaft geht es so schlecht wie lange nicht. Der Bergbausektor steckt wegen der niedrigen Rohstoffpreise in der Krise, die Landwirtschaft leidet unter der Dürre, die das El-Niño-Wetterphänomen im östlichen und südlichen Afrika ausgelöst hat. Nach Regierungsangaben ist ein Drittel der Bevölkerung derzeit auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen. Um die knappen Devisenvorräte zu schonen, verhängte das Regime im Juni außerdem ein Importverbot für zahlreiche Lebensmittel - woraufhin die Stimmung auf den Straßen endgültig kippte.

Simbabwe ist Krisen gewohnt. Doch diesmal trifft es nicht nur den privaten Sektor. Der Staat ist enorm verschuldet, viele Beamte, Lehrer, Ärzte und Krankenpfleger warten seit Monaten vergeblich auf ihr Gehalt. Auch die Sicherheitskräfte kann die Regierung kaum noch bezahlen - eine Gruppe, auf die ein autoritärer Herrscher wie Mugabe dringend angewiesen ist. Sogar hinter der Erklärung der Veteranen steckt aller Wahrscheinlichkeit nach die knappe Staatskasse: Die alten Kämpfer und ihre Familien wurden bisher vom Staat gut versorgt. Im Gegenzug ließen sie sich vom Regime öfter als paramilitärische Einheiten einspannen. Mit diesem Tauschgeschäft dürfte es nun vorbei sein.

So verschieden die Motive auch sein mögen: Der Widerstand gegen Mugabe hat in den vergangenen Wochen eine kritische Masse erreicht. Hinzu kommt eine von Flügelkämpfen geschwächte Regierungspartei - und nicht zuletzt das hohe Alter des Präsidenten, das sich zunehmend bemerkbar macht.

Selten musste das Regime so viele Probleme auf einmal bewältigen, meint der simbabwische Analyst Eldred Masunungure. Im Gespräch mit dem Economist warnt er aber davor, den einstigen Freiheitskämpfer Mugabe und seine Partei zu unterschätzen. Sie hätten sich schon mehrmals neu erfunden.

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