Siemens:Verantwortung für Sachsen

Der Weltkonzern aus München will 7000 Stellen streichen, einen bedeutenden Teil davon in Ostdeutschland. Auch wenn die Gründe dafür betriebswirtschaftlich einleuchten, so einfach darf es sich Siemens nicht machen. Der Konzern hat auch eine politische Verantwortung.

Von Caspar Busse

In der Energiebranche sind die Veränderungen derzeit radikal - und sie sind im Grundsatz richtig: Viele kleine dezentrale Energieproduzenten statt großer, überdimensionierter Kraftwerke; Strom aus erneuerbaren Quellen wie Windkraft oder Sonnenenergie statt aus Kohle oder Gas. Dass die Menschheit bei der Energieproduktion angesichts des Klimawandels, angesichts immer neuer Umweltkatastrophen und angesichts endlicher Bestände fossiler Ressourcen schnell umsteuern muss - daran gibt es keinen Zweifel. Viele Länder, etwa Deutschland mit seiner Energiewende, die Kanzlerin Angela Merkel vor sechs Jahren so jäh vollzogen hat, sind da auf einem richtigen Weg.

Aber es gibt eine Kehrseite - und das ist die verzweifelte Lage der Unternehmen, die jahrelang sehr gut vom Bau und vom Verkauf eben jener Großkraftwerke gelebt haben, die heute nicht mehr gefragt sind. Siemens hat jetzt den Abbau von knapp 7000 Stellen in der Energiesparte verkündet. Es ist ein für die Münchner beispielloser Vorgang, ganze Werke sollen geschlossen werden. Die Standorte in Görlitz und Leipzig gehören dazu, das Werk in Erfurt soll möglicherweise verkauft werden. Dass es damit ausgerechnet auch Ostdeutschland, und dort vor allem Sachsen treffen wird, ist in ein doppelt schwerer Schlag.

Gerade für diese weiterhin sehr strukturschwachen Regionen ist das kaum zu verkraften. Die Arbeitslosigkeit in Städten wie Görlitz liegt immer noch über dem Durchschnitt Deutschlands, und es gibt nur wenige industrielle Arbeitgeber wie Siemens. Die fast tausend Siemens-Mitarbeiter, die nun in Sachsen vor dem Aus stehen, dürften nicht so leicht eine neue Beschäftigung finden.

Gerade in Sachsen aber ist die politische Lage labil, zuletzt haben sich dort zahlreiche Wähler für die AfD entschieden. Es sind viele von denen, die sehr unzufrieden mit "denen da oben" sind. Nach dem Siemens-Schlag könnte sich die öffentliche Meinung weiter radikalisieren und die politischen Ränder könnten gestärkt werden. Das dürfen Siemens-Chef Joe Kaeser und die für Personal zuständige Janina Kugel nicht außer Acht lassen.

Ein Weltkonzern wie Siemens hat auch eine gesellschaftliche und politische Verantwortung. Siemens muss die Pläne überdenken; zumindest sollten großzügige sozial verträgliche Regelungen gefunden werden. Auch Arbeitnehmer und Gewerkschaften wollen die Ansage aus München nicht hinnehmen: So gebe es keine Basis für Verhandlungen, sagt die Chefin des Betriebsrats. Eine Konfrontation darüber könnte das bislang doch sehr einvernehmliche Miteinander von Management und Mitarbeitern bei Siemens gefährden.

Siemens, vor 170 Jahren in Berlin gegründet, steht wie kaum ein anderes Unternehmen für deutsche Ingenieurskunst. Dem Unternehmen, das nach der Wende massiv in den neuen Ländern, etwa in Chipfabriken in Dresden, investiert hat, darf es nicht egal sein, welche gesellschaftlichen Konsequenzen die Streichmaßnahmen haben - selbst wenn diese aus wirtschaftlicher Sicht geboten sind. Denn Siemens kann einen Bereich, der absehbar keine große Zukunft hat, nicht mitschleppen, auch wenn in der Konzern-Bilanz Milliardengewinne stehen. Sonst wird das börsennotierte Unternehmen als Ganzes gefährdet - und damit noch mehr der insgesamt 350 000 Siemens-Jobs.

Aber es war auch das Siemens-Management, dass es versäumt hat, frühzeitig auf neue Energien zu setzen. Die Folgen nun alleine bei den Beschäftigten abzuladen - das geht ebenso wenig.

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