Siedlungsbau:Israel plant Tausende Wohnungen im Westjordanland

Israel trotzt aller Kritik: Laut Medienberichten will das Land 20.000 neue Wohnungen in den besetzten Gebieten bauen. Palästinenserpräsident Abbas droht deshalb mit dem Abbruch der Nahost-Friedensverhandlungen.

Das israelische Bauministerium hat nach Angaben einer Nichtregierungsorganisation die Siedlungsplanung für die Rekordzahl von 20.000 weiteren Wohnungen im besetzten Westjordanland ausgeschrieben. Zwar handele es sich nur um die erste Genehmigungsphase, die Regierung habe aber bereits 15 Millionen Schekel - das sind gut drei Millionen Euro - für das Projekt freigegeben, sagte Jariv Oppenheimer, Generalsekretär der Bürgerrechtsgruppe "Frieden Jetzt". Noch nie seien so viele Wohnungen parallel in den Palästinensergebieten geplant worden, so Oppenheimer.

Die gesamten Planungskosten für die Ausschreibungswelle lägen bei 45 Millionen Schekel (etwas mehr als neun Millionen Euro), berichtete ergänzend die Tageszeitung Haaretz. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wurden die aktualisierten Planungen am Dienstag vorgestellt. Laut "Frieden Jetzt" habe er nur gegen einen 1200 Wohnungen betreffenden Teilplan in der besonders sensiblen E1-Zone östlich von Jerusalem ein Veto eingelegt. Gegen den Siedlungsbau in diesem Gebiet hat die internationale Staatengemeinschaft mehrfach scharf protestiert, weil er die zentrale Achse zwischen dem Norden und dem Süden des Westjordanlands unterbrechen würde.

Ansonsten habe Netanjahu den weiteren Projektplanungen zugestimmt. Bei den Ausschreibungen handelt es sich um Aufträge an Architekturbüros, welche Flächennutzungspläne, Siedlungsstrukturen und Infrastrukturplanungen entwickeln sollen. Bezahlt werden diese vom Bauministerium. Die konkreten Gebäudeplanungen werden später ausgeschrieben.

Neue Siedlungspläne erzürnen Palästinenser

Die gut ein Dutzend verschiedenen Bauvorhaben liegen in oder in der Nähe von bestehenden israelischen Siedlungen im Norden des Westjordanlands, im Siedlungsblock Gusch Ezion südlich von Bethlehem und in Maale Adumim, östlich von Jerusalem, einer Großsiedlung, die bereits 40.000 Einwohner zählt.

Angesichts den Berichten über die neuen Siedlungspläne Israels hat Palästinenserpräsident Mahmud Abbas erneut mit dem Abbruch der Nahost-Friedensverhandlungen gedroht. Sollte Israel die Pläne nicht zurückziehen, "wäre dies die offizielle Ankündigung des Endes für den Friedensprozess", teilte Abbas' Chefunterhändler Sajeb Erakat am Dienstag der Nachrichtenagentur AFP mit. Abbas habe ihn damit beauftragt, diese Botschaft dem Nahost-Quartett aus UNO, EU, USA und Russland sowie der Arabischen Liga zu überbringen.

Kerrys Rettungsmission

Kaum war der amerikanische Außenminister John Kerry in Israel gelandet, da wurde die erste große Krise der neuen nahöstlichen Friedensverhandlungen offenbar: Bei einem Treffen in Jerusalem sollen sich die israelischen und palästinensischen Unterhändler übereinstimmenden Berichten zufolge lautstark in die Haare geraten sein. Die Palästinenser drohten anschließend mit einem Abbruch der Verhandlungen. Mit einer diplomatischen Pendelmission zwischen Jerusalem und Bethlehem musste Kerry sogleich versuchen, zu retten, was noch zu retten ist. Doch sowohl bei Premierminister Benjamin Netanjahu in Jerusalem als auch bei Präsident Mahmud Abbas bekam er zu hören, dass die Ende Juli neu gestarteten Gespräche auch nach nunmehr 17 Verhandlungsrunden keinerlei Fortschritte erbracht hätten. Abbas ist verbittert über den fortgesetzten israelischen Siedlungsbau. Netanjahu wiederum warf den Palästinensern vor, "künstliche Krisen vom Zaun zu brechen, wichtigen Fragen aus dem Weg zu gehen und vor historischen Entscheidungen zu fliehen". Kerry begegnete der Verhärtung mit chronischem Optimismus und erklärte, "es gibt immer Probleme und Spannungen, aber ich bin zuversichtlich, dass wir sie überwinden können."

US-Außenamtssprecherin Jennifer Psaki sagte am Dienstag, Washington sei "überrascht" und "zutiefst besorgt". Die US-Regierung sei von Israel nicht vorab über das Siedlungsprojekt unterrichtet worden und bemühe sich derzeit um mehr Informationen seitens der israelischen Regierung.

US-Außenminister John Kerry hatte in der vergangenen Woche während einer dreitägigen Vermittlungsmission in Nahost den israelischen Siedlungsausbau ungewöhnlich scharf kritisiert. Die Palästinenser hatten zuvor bereits gedroht, die im Juli wiederaufgenommenen Friedensverhandlungen zu beenden, sollte Israel die Bauaktivitäten fortsetzen. Israel hat jedoch betont, man habe nie einem Siedlungsstopp zugestimmt und baue nur in Siedlungen, die im Rahmen einer Friedensregelung ohnehin bei Israel bleiben sollten.

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