Sicherheitsdebatte:Müntefering hält Merkel Opportunismus vor, Kanzlerin stützt Schäuble

Die Kanzlerin solle beim Thema innere Sicherheit und Bekämpfung des Terrorismus "klarmachen, was sie denkt und will", fordert der Vizekanzler im Interview. Kanzlerin Merkel stärkt unterdessen ihrem Innenminister den Rücken.

Christoph Schwennicke

Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) hat Angela Merkel (CDU) mangelnde Führung vorgeworfen. Er wünsche sich, dass die Bundeskanzlerin "klar und im richtigen Augenblick sagt, was sie will", sagte Müntefering der Süddeutschen Zeitung. Bei Themen wie dem jüngsten Vorstoß von Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) zur inneren Sicherheit erwarte er, dass die Kanzlerin klarmache, "was sie denkt und will - auch wenn nicht klar ist, ob sie damit gewinnt oder verliert." Indirekt warf er Merkel damit Opportunismus vor.

Allerdings stellte sich die Kanzlerin im Sender RTL ganz klar vor Schäuble: ,,Ich glaube, dass wir eine Bedrohung haben, wie wir sie vor zehn Jahren noch nicht gekannt haben. Und deshalb ist es auch die Pflicht jeder Politik über die neuen Bedrohungen nachzudenken.'' Sie wolle einen Innenminister, ,,der sich mit diesen neuen Bedrohungen auseinander setzt. Denkverbote helfen nicht weiter.''

"Wir bestimmen die Richtung"

Müntefering riet der SPD zu mehr Selbstbewusstsein gegenüber der Linken: "Wir bestimmen die Richtung." Für den Herbst kündigte er Initiativen bei Dienstleistungen im privaten Bereich an. Industriepolitisch forderte er Widerstand gegen den Aufkauf deutscher Unternehmen durch ausländische Investoren. "Einige autoritäre Regime in der Welt verfügen heute über starke Volkswirtschaften. Sie handeln schneller und rücksichtsloser als Demokratien. Es gibt Unternehmen, da würden die Menschen hier zu Recht zucken, wenn diese vom Ausland kontrolliert würden." Letztlich gehe es um die Zukunft der Demokratie.

Zur Debatte über Maßnahmen gegen Terroristen und mögliche Attentäter sagte Müntefering, man dürfe "Menschen keine Angst machen". Es gebe Gefahren, deshalb müsse über die innere Sicherheit geredet werden, allerdings zunächst intern. "Durch die öffentliche Debatte, wie sie jetzt ausgelöst wurde, wird kein Problem gelöst, geschweige denn mehr Sicherheit geschaffen. Ich erwarte, dass schnell eine Form gefunden wird, mit diesem Thema anders umzugehen als mit lautstarker Panikmache, parteitaktischem Kalkül und höchst umstrittenen Lösungsansätzen." Am Mittwoch wird sich das Kabinett mit Schäubles Vorschlägen befassen.

Der Bundesminister gerät wegen seiner Pläne für eine härtere Gangart bei der Terrorismusbekämpfung zunehmend unter Druck. Nach den Linken forderten am Dienstag auch die Grünen den Rücktritt des CDU-Politikers. Schäuble wolle den politischen Mord legalisieren und eine Präventivhaft nach dem Vorbild des US-Gefangenenlagers auf Guantanamo einführen, kritisierte die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth. "Das hat mit unserem Rechtsstaat und unserer Demokratie nichts zu tun", sagte sie dem Sender n-tv. "Ich glaube, dass Herr Schäuble sich nach solchen Aussagen völlig disqualifiziert hat und zurücktreten muss."

Kritik an Schäuble auch aus der Union

FDP-Generalsekretär Dirk Niebel sagte im ARD-Morgenmagazin, er vermisse bei Schäuble die Verhältnismäßigkeit. Die FDP sei "kategorisch gegen eine Vermischung von Polizei- und Kriegsrecht". Schäuble sei als Verfassungsminister beauftragt, "das Grundgesetz zu schützen und nicht, das Grundgesetz zu demontieren".

Auch in der Union wurde Kritik an Schäubles Vorschlägen laut. Der stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Bosbach sagte, er halte eine gezielte Tötung von Attentätern für "mehr als problematisch". Selbst bei einem Islamisten wie Osama bin Laden müssten die rechtsstaatlichen Grundsätze mit Anklage und Verurteilung eingehalten werden. Der Innenexperte nahm seinen Parteifreund gegen pauschale Angriffe aber in Schutz. "Ich halte die Kritik an Wolfgang Schäuble für völlig überzogen", sagte Bosbach.

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