Sicherheitsarchitektur:Ein Schwarzbau? Ein Graubau!

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Mit dem gewalttätigen Extremismus beschäftigen sich: die Staatsschutzabteilungen der Kriminalpolizeien und Staatsanwaltschaften zum einen, der Verfassungsschutz zum anderen. Das gehört in eine Hand.

Von Heribert Prantl

Politiker der inneren Sicherheit sprechen von der "Sicherheitsarchitektur". Das ist übertrieben. Architektur heißt Baukunst; Architektur ist planvolles Entwerfen, Gestalten und Konstruieren von Bauwerken. Von einem planvollen Entwurf, von planvoller Gestaltung und Konstruktion des deutschen Sicherheitswesens lässt sich leider nicht reden.

Da ist zu viel wuchernd gewachsen; da gibt es zu viel Nebeneinander, zu viel Gegeneinander und zu wenig Miteinander. Da wird zu viel doppelt gemoppelt, da sind zu viele Behörden für das Gleiche zuständig, da weiß deshalb, trotz gemeinsamer Abwehrzentren, die linke Hand oft nicht, was die rechte tut. Der Sicherheitskomplex in Deutschland ist zwar kein Schwarzbau, weil er ja auf Gesetzen beruht; er ist ein zusammengeschusterter Graubau. Wenn es um Migranten in Deutschland geht, klagen Innenpolitiker oft über "Parallelgesellschaften". Sie selber sind schuld an schädlichen Parallelstrukturen auf dem Feld der Sicherheit.

Das ist seit fünf Jahren offenkundig, seitdem die Gründe für das Versagen der Sicherheitsbehörden bei den NSU-Morden untersucht werden. Das wurde und wird wieder offenkundig, seitdem man fassungslos vor den ungehinderten Reisen und den ungehinderten Verbrechensvorbereitungen des Berliner Weihnachtsattentäters Amri steht. Was muss eigentlich noch passieren, bis etwas passiert?

Nun muss man gewiss an die Ästhetik der Sicherheitsarchitektur keine besonderen Anforderungen stellen. Da braucht man keinen Le Corbusier und keinen Norman Foster. Es genügen: ein ordentlicher Bundesinnenminister und ordentliche Landesinnenminister. Ein guter Zweckbau genügt. Aber es zeigt sich, dass der Sicherheitskomplex den Zwecken nicht genügt. Die sogenannte Sicherheitsarchitektur, die ein Sicherheitskonglomerat ist, funktioniert nicht gut. Der Bundesinnenminister hat das erkannt und schlägt grundlegende organisatorische Reformen vor, die im Bereich des Verfassungsschutzes auf Behördenkonzentration hinauslaufen - auf die Konzentration des Staatsschutzes beim Bund. Das ist eigentlich logisch, denn die Landesverfassungsschutzämter schützen ja weniger die jeweilige Landesverfassung, sondern das Grundgesetz. Die Widerstände der Länder gegen die Pläne de Maizières, das hat sich schon in der ersten Reaktion gezeigt, sind aber groß. Warum? Die Länder messen die Güte des Föderalismus an der Zahl der Behörden, die ihnen zu Gebote stehen. Das ist numerischer Föderalismus; Föderalismus qualifiziert sich aber durch Erfolge, nicht durch Bestände.

Was muss eigentlich noch passieren, bis etwas passiert?

De Maizières Plan ist anspruchsvoll, aber nicht anspruchsvoll genug. Den größten Organisationsfehler berührt er nicht einmal. Dieser besteht darin, dass im Bereich des Staats- und Verfassungsschutzes zwei Großorganisationen mit ein und derselben Materie beschäftigt sind: Da sind zum Ersten die Staatsschutzabteilungen der Kriminalpolizeien und Staatsanwaltschaften, da ist zum Zweiten der Verfassungsschutz in Bund und Ländern. Zuständigkeit hier wie dort: gewalttätiger Extremismus. Dessen Bekämpfung gehört in eine Hand: in die von Polizei und Staatsanwaltschaft. Dann hätten sich auch die Klagen über mangelnde rechtsstaatliche Kontrolle des Verfassungsschutzes erledigt. Und der Sicherheitskomplex wäre übersichtlicher.

© SZ vom 07.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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