Sicherheit:Politiker diskutieren, wie man potenzielle Terroristen besser erkennen kann

Police Arrest Terror Suspect Jaber Al-Bakr

Der Apartment-Gebäude in Leipzig, in dem Jaber al-Bakr von der Polizei festgenommen wurde.

(Foto: Getty Images)
  • Nach dem Terror-Fall von Chemnitz wiederholte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz seine Forderung, der Verfassungsschutz müsse einen kompletten Zugang zur zentralen Flüchtlingsdatei erhalten.
  • Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sitzt allerdings ohnehin schon seit Längerem im Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum der deutschen Sicherheitsbehörden mit am Tisch.
  • Wenn ein Flüchtling sich aber plötzlich und erst in Deutschland radikalisiert, wird es schwieriger.

Von Stefan Braun, Berlin

Nachdem deutsche Sicherheitskräfte im Bündnis mit couragierten syrischen Flüchtlingen einen Terrorverdächtigen in Leipzig festgenommen hatten, dauerte es nur Stunden, bis Rufe nach schärferen Gesetzen laut wurden. Sie kamen aus der Unionsfraktion, aber auch aus den Nachrichtendiensten. Dabei geht es - wieder einmal - um die Frage, wie viele Daten Polizei und Nachrichtendienste tatsächlich erhalten und sammeln dürfen. Ergänzt wurde das noch durch die Forderung, eine Art Vorbeugehaft einzuführen, um sogenannte Gefährder frühzeitig in Haft nehmen zu können.

Letzteres, das zeigte sich bald, war einer etwas überhitzten Debatte geschuldet. Aber die anderen Fragen sind durchaus von Bedeutung. Das hängt auch am konkreten Fall von Chemnitz und Leipzig. Denn wie sich nun herausstellt, ist der verhaftete Dschaber al-Bakr bei seiner Einreise nach Deutschland von den Sicherheitsbehörden überprüft worden. Dabei ist aber nichts Ungewöhnliches aufgefallen. Außerdem ist er später, als Asylbewerber, ein- oder sogar zweimal in der Türkei und von dort aus womöglich sogar in Syrien gewesen. Auch das, so viel ist jetzt klar, ist den Behörden nicht aufgefallen. Aus diesem Grund wiederholte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, seine Forderung, der Verfassungsschutz müsse einen kompletten Zugang zur zentralen Flüchtlingsdatei erhalten.

Bislang hält das Bundesinnenministerium an dieser Stelle dagegen. Das ist bemerkenswert, weil das Ministerium von Thomas de Maizière (CDU) in anderen Fragen längst neue Pläne hat. Aber in dieser Frage erklärte der Innenminister am Mittwoch, die Geheimdienste hätten schon jetzt jede Möglichkeit, Flüchtlinge zu überprüfen. Richtig daran ist, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge seit Längerem im Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum der deutschen Sicherheitsbehörden mit am Tisch sitzt. Und das aus genau dem Grund: Sobald irgendetwas Auffälliges passiert, sollen alle Infos über einen Flüchtling ausgetauscht werden.

Darüber hinaus hatte die Regierung zu Jahresbeginn ein neues Datenaustauschverbesserungsgesetz verabschiedet. Und wenn man de Maizière glauben kann, dann gibt es seither eine Grundlage für jeden erdenklichen Austausch. Der Minister sprach gar von einem "automatisierten Abruf" aus dem Kerndatensystem; im Übrigen würden allen Sicherheitsbehörden zur Erfüllung ihrer Aufgabe auf Anfrage Infos geliefert.

Was aber ist, wenn sich ein Flüchtling erst in Deutschland radikalisiert?

Das Problem, das dabei auftritt: Bislang ist das meiste darauf ausgerichtet, Dschihadisten zu erkennen, die - als Flüchtlinge getarnt - schon bei der Einreise Dschihadisten sind. Was aber ist, wenn, wie im Fall des Attentäters von Ansbach, ein Flüchtling sich plötzlich und erst in Deutschland radikalisiert? Dann wird es schwieriger, das musste de Maizière am Mittwoch indirekt einräumen. Auf die Frage, wie es sein könne, dass der verhaftete Syrer 2015 zweimal in der Türkei war, sagte der CDU-Politiker, eigentlich müsse sich jeder Asylbewerber Reisen genehmigen lassen. Das Problem entstehe, wenn die Reise nicht bemerkt werde. Das dürfte der Verfassungsschutz ganz genauso sehen.

An anderer Stelle dagegen will de Maizière im Bündnis mit der Unionsfraktion Gesetze ändern. Das gilt vor allem für abgelehnte Asylbewerber, die straffällig geworden sind oder als gefährlich gelten und sich der freiwilligen Ausreise entzogen haben. Hier soll eine verschärfte Abschiebehaft möglich werden - ein Gedanke, den auch die SPD bislang nicht rundweg abgelehnt hat. Die Gesetzesänderung ist derzeit in der Ressortabstimmung.

Der terrorverdächtige al-Bakr hätte nach Einschätzung des Verfassungsschutzes innerhalb weniger Tage eine Bombe in Deutschland zünden können. Maaßen sagte der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, seine Behörde habe den Eindruck gewonnen, "dass der Verdächtige schon in dieser Woche einen Anschlag verüben könnte". Deswegen sei der Zugriff auf al-Bakr am Wochenende erfolgt.

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