Sicherheit:Gläserne Waggons

Belgien will die Daten von Bahnkunden speichern - eine Folge der Terroranschläge. Der Plan könnte weitreichende Folgen haben - Passagiere dürften vielleicht schon bald nicht mehr in letzter Minute einsteigen.

Von Thomas Kirchner, Brüssel

Der Terrorismus hat Folgen für die Freiheit und die Mobilität der Menschen, auch in Europa. Etwa im Flugverkehr; dort müssen von 2018 an in allen Staaten ausführliche Daten der Passagiere registriert und monatelang gespeichert werden. Dabei wird es vermutlich nicht bleiben. Die belgische Regierung plant, Daten von Nutzern aller öffentlichen Verkehrsmittel zu erheben, mit denen das Land erreicht werden kann, also neben Flugzeugen auch Bahnen, Busse und Schiffe. Das könnte bedeuten, dass Kunden nicht mehr kurz vor Abfahrt in einen Zug springen dürfen. Vielmehr müssten sie sich am Kartenautomaten oder im Internet erst persönlich ausweisen.

Die europäischen Bahnen reagieren alarmiert. "Das diskutierte Gesetz hätte weitreichende Auswirkungen auf den Eisenbahnverkehr zwischen Deutschland und Belgien und würde die Freizügigkeit unserer Kunden infrage stellen", heißt es bei der Deutschen Bahn. Der Europäische Eisenbahnverband CER schrieb einen Protestbrief an Belgiens Premier Charles Michel, dessen Innenminister Jan Jambon von der flämisch-separatistischen N-VA den Plan forciert. Es seien gerade die Flexibilität und der offene Zugang, die das Bahnfahren attraktiv machten, heißt es darin. Datenerhebung und Kontrolle wären derart aufwendig, dass dadurch Kunden vertrieben und zum Ausweichen auf das Auto veranlasst würden. Außerdem liefen die Pläne dem Schengener Abkommen über grenzfreies Reisen in Europa zuwider.

Belgien versteht sich, nicht zuletzt nach den Anschlägen von Brüssel im März vergangenen Jahres, als Vorreiter in Sicherheitsfragen. Terroristen wählten den Weg des geringsten Widerstands, sagt eine Sprecherin Jambons, deshalb müssten alle Verkehrsmittel Richtung Belgien erfasst werden. Allerdings würden von den Bahnen weniger Daten angefordert als von Fluggesellschaften. Über die Regierungsvorlage soll im Oktober im Parlament diskutiert werden.

In der EU-Kommission ist man nicht glücklich über die belgischen Pläne, kann und will aber nicht verhindern, dass Staaten zu solchen Maßnahmen greifen. Mehr Klarheit soll im November eine Studie zum Thema Bahn und Sicherheit bringen. Im EU-Parlament ist die Reaktion geteilt. "Ist es sinnvoll, immer mehr Daten über Lebensumstände zu sammeln, die in keinem Zusammenhang mit dem Risiko stehen?", fragt der Grüne Jan Philipp Albrecht. Der CDU-Abgeordnete Axel Voss hingegen erklärte, er wolle sich einer entsprechenden Diskussion nicht verwehren.

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