Sicherheit:Fahndungserfolg wird zur Krise

Das Innenministerium in Mecklenburg-Vorpommern hatte die Festnahme dreier Terrorverdächtiger aus Güstrow schon als großen Erfolg gefeiert. Jetzt sind alle wieder frei. Wer trägt die Verantwortung?

Von Thomas Hahn, Hamburg

Dass aus einem Fahndungserfolg eine Krise erwachsen kann, hätte sich Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier bestimmt selbst nicht vorstellen können. Aber es ist tatsächlich so, das muss der CDU-Mann aus dem rot-schwarzen Kabinett der Ministerpräsidentin Manuela Schwesig feststellen, nachdem die Polizei am Mittwoch bei einer Anti-Terror-Aktion im Raum Güstrow drei Verdächtige in Gewahrsam genommen hatte. Caffier bekam noch Zeit, einen "Schlag gegen den islamistischen Terror" zu bejubeln. Aber am nächsten Tag ließ das Amtsgericht in Güstrow die Terrorverdächtigen aus formalen Gründen wieder frei. "Wir sind überrascht und verwundert", sagt Caffiers Sprecher Michael Teich und versucht jetzt zu erklären, was kaum einer im Land so richtig verstehen kann.

Verschiedene Rechtsauffassungen von Landeskriminalamt (LKA) und Amtsgericht Güstrow haben offensichtlich dazu geführt, dass Mecklenburg-Vorpommern in der öffentlichen Wahrnehmung gerade dasteht wie ein Land, das seine mutmaßlichen Terroristen nicht festhalten kann. Am 3. August dürfte Caffier diesen Umstand in einer Sondersitzung des Innenausschusses genauer ausführen. Aber schon jetzt ringen Teich und Michael Schuldt, Teichs Sprecher-Kollege beim LKA, um die Deutungshoheit in diesem Fall von versuchter Gefahrenabwehr.

Es geht auch um diese Frage: Gehen 13 und 17 Stunden noch als unverzüglich durch?

Demnach lief der Einsatz in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch im Grunde gut. Nach Erkenntnissen des Generalbundesanwalts durchsuchten LKA-Beamte mithilfe ihrer Kollegen vom Bundeskriminalamt Häuser und nahmen die drei besagten Männer vorläufig fest; es soll sich um zwei Bosnier und einen Deutschen handeln. In der zentralen Gewahrsamsstelle wurden die Verdächtigen erkennungsdienstlich erfasst und vernommen. Anschließend war klar, dass die Generalbundesanwaltschaft keinen Grund für einen Haftbefehl sah und das LKA stattdessen beim Amtsgericht in Güstrow die Ingewahrsamnahme der mutmaßlichen Terroristen beantragen musste. "Das zuständige Amtsgericht in Güstrow ist daraufhin unmittelbar und damit frühzeitig in Kenntnis gesetzt und in den Entscheidungsprozess einbezogen worden", betont das LKA.

Trotzdem lehnte das Güstrower Amtsgericht den Antrag ab. Grund: Die Verdächtigen seien nicht wie rechtlich vorgeschrieben unverzüglich, sondern erst "13 bzw. 17 Stunden" nach der Ingewahrsamnahme dem Haftrichter vorgeführt worden. "Die verzögerte Vorführung wurde nicht sachlich nachvollziehbar begründet." Das LKA hält diese Entscheidung für falsch. Es geht davon aus, dass sein Antrag rechtzeitig kam und die Vorführung vor dem Haftrichter später hätte stattfinden dürfen. "Es gibt unterschiedliche Rechtsauffassungen über den Begriff unverzüglich", sagt Michael Teich.

Das LKA hat Beschwerde eingelegt gegen den Beschluss des Amtsgerichts. Aber das ändert natürlich zunächst nichts an dem Umstand, dass die Terrorverdächtigen frei sind. "Durch die konsequente Ermittlungsarbeit aller Beteiligten konnte zielgerichtet eingegriffen und eine konkrete Gefahrenlage verhindert werden", sagte Caffier noch am Mittwoch in voller Zufriedenheit. Jetzt besteht die Gefahrenlage also wieder? Nein, antwortet darauf Michael Teich vom Innenministerium. "Die besagten Personen werden offen von der Polizei begleitet." Und das Ermittlungsverfahren gegen sie geht weiter.

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