Sichere Herkunftsländer:Palmer und die Ponyhof-Politik

Tübingens Oberbürgermeister provoziert scharfe Kritik mit seinen Aussagen zu Flüchtlingen.

Der Oberbürgermeister von Tübingen, Boris Palmer, hat zum wiederholten Male die Parteiführung verärgert. Der Grünen-Politiker sprach sich in der Flüchtlingspolitik erneut für einen härteren Kurs aus und erntete dafür scharfe Kritik aus den eigenen Reihen. "Es sind nicht die Zeiten für Pippi-Langstrumpf- oder Ponyhof-Politik", sagte Palmer dem Spiegel. "Wir müssen die unkontrollierte Einwanderung beenden. Das bedeutet nicht, dass wir niemanden mehr reinlassen, aber wir entscheiden, wer reinkommt."

Die EU-Außengrenzen sollen nach dem Willen Palmers mit einem Zaun und bewaffneten Grenzern gesichert werden, um deutlich mehr Flüchtlinge als bisher abzuweisen. Er sei dafür, dass Deutschland großzügig Menschen in Not aufnimmt, aber eben nicht alle. Palmer forderte die Grünen auf, die von der Union geforderte Erweiterung der Liste so genannter sicherer Herkunftsländer um Algerien, Tunesien und Marokko mitzutragen und nicht im Bundesrat zu blockieren. Proteste von Grünen-Politikern ließen nicht lange auf sich warten - auch mit Blick auf die Wahl in Baden-Württemberg am 13. März. Die Grünen-Vorsitzende Simone Peter warf Palmer im Tagesspiegel vor: "Wer Zäune und Mauern zur Begrenzung der Einwanderung von Flüchtlingen fordert, spielt in erster Linie rechten Hetzern in die Hände." Auch Co-Parteichef Cem Özdemir ging auf Distanz, per Kurznachrichtendienst Twitter: "Boris Palmer ist ein guter OB in Tübingen, aber in dieser Frage spricht er weder für Landes- noch für Bundespartei." Der innenpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Volker Beck, und die Grüne Jugend machten sich im Netz über Palmer lustig. "Ich glaube da hat ein südwestdeutscher OB zu viel Krummelus genascht", twitterte Beck in Anspielung auf Palmers Formulierung "Pippi-Langstrumpf-Politik". Krummelus-Pillen sind eine Wortschöpfung der Schriftstellerin Astrid Lindgren. Sie sollen in den Pipi-Langstrumpf-Kinderbüchern dafür sorgen, dass die Freunde Pipi, Annika und Thomas Kinder bleiben. Die Grüne Jugend postete ein Bild, das den Oberkörper Wladimir Putins mit einem darauf montierten Kopf Palmers auf einem pinkfarbenen Einhorn zeigt, das unter einem Regenbogen hindurch reitet. Dazu heißt es: "Palmer will Zäune & weniger Ponyhof. Wir wollen weniger Zäune und konsequenten Menschrechtsschutz." Palmer, 43, bringt regelmäßig seine Partei gegen sich auf, eben in der Flüchtlingsfrage. "Ich mache gern den Bad Boy, wenn es die Debatte weiterbringt", sagte er dem Spiegel. Es sei ein ungeheurer Kraftakt, etwas aufzugeben, was man 30 Jahre propagiert habe, sagte er mit Blick auf grüne Überzeugungen. Seine Stadt Tübingen habe Probleme, den Andrang der Flüchtlinge zu bewältigen, bei den Bürgern schwinde die Akzeptanz. "Spätestens seit den Übergriffen in der Silvesternacht in Köln kommen selbst grüne Professoren zu mir, die sagen: Ich habe zwei blonde Töchter, ich sorge mich, wenn jetzt 60 arabische Männer in 200 Meter Entfernung wohnen." Linken-Chef Bernd Riexinger nannte Palmer einen "reaktionären Jungspund".

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