Sexuelle Belästigung im Kongress:Belästigungsvorwürfe bringen erste US-Politiker zu Fall

U.S. Senator Franken departs the U.S. Capitol after announcing his resignation in Washington

Wegen mehrerer sexueller Übergriffen gab US-Senator Al Franken seinen Rücktritt bekannt.

(Foto: REUTERS)
  • Sexuelles Fehlverhalten schien in Washington bislang konsequenzenlos.
  • Doch nun ändert sich das: Alleine in dieser Woche traten schon drei Kongressmitglieder zurück.
  • Am Donnerstag gaben Senator Al Franken (Demokraten) und der Abgeordnete Trent Franks (Republikaner) ihren Rücktritt bekannt.

Von Beate Wild, Austin

Produzenten, Schauspieler, Musiker, Manager, Moderatoren und Sterneköche: Vorwürfe sexueller Verfehlungen, von der Belästigung bis zur Vergewaltigung, haben in den vergangenen Wochen zahlreiche amerikanische Männer den Job gekostet.

Auch im politischen Washington gerieten einige Männer ins Kreuzfeuer, doch dort schienen andere Regeln zu gelten: Konsequenzen gab es trotz geäußerter Vorwürfe zunächst keine.

Das ändert sich jetzt. Am Donnerstag traten gleich zwei Kongressmitglieder zurück: Trent Franks, republikanischer Abgeordneter aus Arizona, hatte zwei weibliche Mitarbeiterinnen gefragt, ob sie sein Kind austragen wollten. Der 60-Jährige kündigte seinen Rückzug an, nachdem der Ethik-Ausschuss des Repräsentantenhauses eine Untersuchung angekündigt hatte.

Nur wenige Stunden zuvor hatte Al Franken, demokratischer Senator aus Minnesota, seinen Rücktritt bekannt gegeben. Ihm hatten mehr als ein halbes Dutzend Frauen ungewollte Annäherungen vorgeworfen. Bereits Anfang der Woche war der demokratische Abgeordnete John Conyers (Michigan) nach wochenlangem Gezerre abgetreten.

Trump und Moore bisher unangetastet

Die Demokraten hatten Franken lange unterstützt, galt der ehemalige Comedian vor Bekanntwerden der Vorwürfe doch als Hoffnung der Partei - und als möglicher Präsidentschaftskandidat 2020. Nicht wenige hofften darauf, dass der Ethik-Ausschuss des Senats das Problem lösen werde. Als am Mittwoch eine weitere Frau Belästigungsvorwürfe erhob, ergriffen elf von Frankens demokratischen Senatskolleginnen die Initiative und setzten mit koordinierten Rücktrittsforderungen ein mächtiges Zeichen.

Für die Demokraten geht es dabei auch um Glaubwürdigkeit, werfen die Republikaner ihnen doch Heuchelei vor. In der kommenden Woche findet die wichtige Senatswahl in Alabama statt, mehrere Frauen beschuldigen den konservativen Kandidaten Roy Moore, sie als Minderjährige unsittlich berührt und gestalkt zu haben.

Franken spielte darauf in seiner Rücktrittserklärung an: "Eine gewisse Ironie" stecke darin, "dass ich gehe, während ein Mann, der auf Band über seine Geschichte von sexuellen Übergriffen geprahlt hat, im Oval Office sitzt und ein Mann, der immer wieder jungen Mädchen nachgestellt hat, mit der vollen Unterstützung seiner Partei für den Senat antritt", sagte Franken bei seiner Rücktrittserklärung. Die Adressaten: US-Präsident Donald Trump ("Grab them by the pussy") und Moore.

Umfragen zufolge nehmen Anhänger der Demokraten Vorwürfe sexueller Grenzüberschreitungen ernster als Republikaner. Nur 40 Prozent der Konservativen betrachten demnach sexuelle Belästigung von Frauen als ernsthaftes Problem des Landes, bei den Demokraten sind es immerhin 60 Prozent.

Demokraten haben mehr Frauen im Kongress

Weil die Fälle unterschiedlich und die Beweislage nicht immer eindeutig ist, tut sich die Parteiführung mit einer einheitlichen Haltung schwer. Dies ist im Falle von Ruben Kihuen, einem demokratischen Abgeordneten aus Nevada, zu erleben.

Eine ehemalige Mitarbeiterin erklärte, der 37-Jährige habe sie unsittlich berührt, er selbst bestreitet dies. Die demokratische Fraktionsvorsitzende Nancy Pelosi, im Falle des altgedienten Abgeordneten Coyers noch zögerlich, hat seinen Rücktritt gefordert. Nun diskutieren die Demokraten, ob dies eine Vorverurteilung ist oder man solchen Vorwürfen grundsätzlich Glauben schenken soll.

Einigkeit herrscht, dass Beschwerden von Kongressmitarbeitern über Belästigungen künftig anders gehandhabt werden sollen. Bislang müssen die Betroffenen Stillschweigevereinbarungen unterzeichnen und lange auf eine Untersuchung der Vorwürfe warten. Zudem können die Politiker aus einem Topf des zuständigen Beschwerde-Büros Geld für Schadenersatz erhalten.

So zahlte Blake Farenthold, Republikaner aus Texas, einer ehemaligen Sprecherin 84 000 Dollar, nachdem diese ihm Belästigung vorgeworfen hatte. Den - aus Steuermitteln stammenden - Betrag will er dem Staat zurückzahlen. Von Rücktritt ist keine Rede. Niemand in der republikanischen Partei hat ihn dazu aufgefordert.

Moore könnte ein Problem mit der Ethik-Kommission bekommen

Ein Vorstoß der Frauen ist bei den Republikanern bereits zahlenmäßig nicht zu erwarten. Während die Demokraten 21 Senatorinnen stellen, sind es bei den Republikanern nur fünf. Im Abgeordnetenhaus sind es dreimal so viele Demokratinnen (62) wie Republikanerinnen (21).

Allerdings gilt im Senat Mitch McConnell, der republikanische Mehrheitsführer, als wenig tolerant bei möglichen Belästigungs- und Sex-Skandalen. Anders als seine Partei und der US-Präsident unterstützt er die Kandidatur Roy Moores weiterhin nicht.

Der 70-jährige Richter müsse zwar vereidigt werden, sollte er in der kommenden Woche die Senatswahl in Alabama gewinnen, sagte McConnell zu Reportern. Aber Moore, so prophezeite er, werde wegen der Vorwürfe sexuellen Fehlverhaltens "unmittelbar ein Problem mit der Ethik-Kommission bekommen". Ob McConnell sich an diese Worte hält, wird sich noch herausstellen.

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