Sexualstrafrecht:Wenn ein "Nein" nicht reicht

'Slutwalk' in München

Demonstranten fordern beim "Slutwalk" (Schlampenmarsch) in München eine Reform des Strafrechts. Eine Tat kann derzeit nicht als Vergewaltigung gewertet werden, wenn das Opfer nur "Nein" sagt. (Archivbild)

(Foto: picture alliance / dpa)
  • Justizminister Maas (SPD) plant eine Reform des Sexualstrafrechts. In Zukunft soll eine Tat leichter als Vergewaltigung gewertet werden können.
  • Frauenverbänden und Kritikerinnen aus allen Bundestagsfraktionen geht das nicht weit genug. Ein "Nein" des Opfers müsse zur Begründung eines Sexualdelikts reichen.
  • Einige fordern auch, dass sogenanntes Begrapschen unter Strafe gestellt werden müsse.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Halbherzig, unzureichend, lieber gar kein Gesetz als dieses - der Protest gegen die geplante Reform des Sexualstrafrechts durch Justizminister Heiko Maas (SPD) wird immer lauter. Nach Parlamentarierinnen aller Bundestagfraktionen schlagen jetzt Frauenverbände Alarm. "Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung ist auch weiterhin nicht an sich geschützt", heißt es in einem Brandbrief, den das Bündnis "Nein heißt Nein" an die Bundeskanzlerin geschickt hat.

Darin kritisieren Organisationen wie der Deutsche Juristinnenbund, Terre des Femmes oder UN Women Deutschland, dass nach dem Gesetzentwurf des Justizministers auch in Zukunft sexuelle Übergriffe straffrei bleiben sollen, "wenn die von Gewalt betroffene Person ihren entgegenstehenden Willen bekundet" habe. Dies widerspreche der Istanbuler Konvention des Europarats, wonach alle nicht-einvernehmlichen sexuellen Handlungen zu bestrafen sind.

Im deutschen Strafgesetzbuch ist eine Vergewaltigung bisher so definiert, dass das Opfer durch Gewalt, akute Bedrohung von Leib und Leben oder Ausnutzung von Hilflosigkeit zu einer sexuellen Handlung genötigt wird. Auf dieser Grundlage konnten kaum Vergewaltigungen verurteilt werden. Denn Frauen - nicht alle, aber die meisten Opfer sind Frauen - können nach Vergewaltigungen nur selten körperliche Gegenwehr oder ein Messer am Hals nachweisen.

Maas' Entwurf will das ändern. Auch wenn das Opfer bedroht wird, sich schutzlos fühlt oder der Täter eine Überraschung ausnutzt, soll die Tat als Vergewaltigung gewertet werden können. Ein "Nein" des Opfers dagegen reicht nicht.

Ungenügend, meinen Kritikerinnen aus allen Bundestagfraktionen, die im Parlament nun nachbessern wollen. "Beim Entwurf von Heiko Maas muss das Opfer immer noch darlegen, ob und warum es keinen Widerstand geleistet hat", sagte die grüne Rechtspolitikerin Renate Künast. Auf Widerstand dürfe es aber gerade nicht mehr ankommen: "Ein ,Nein' des Opfers muss zur Begründung eines Sexualdelikts ausreichen." Auch die CDU-Abgeordnete Elisabeth Winkelmeier-Becker zeigte sich offen für solche Überlegungen .

Zudem müsse sogenanntes Begrapschen unter Strafe gestellt werden, "Beim Begrapschen handelt es sich nicht um ein Kavaliersdelikt, sondern um einen massiven und traumatisierenden Übergriff, der durch nichts zu rechtfertigen ist", sagte sie. Das Strafmaß könne von Geldstrafen bis zu einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren reichen. Ähnliche Töne kommen aus der Linkspartei, aber auch aus der CSU. Nach der Kölner Silvesternacht monierte Bayerns Justizminister Winfried Bausback (CSU), dass "flüchtige Griffe an die Geschlechtsteile, also das sogenannte Begrapschen" von den Gerichten bestenfalls als Beleidigung gewertet werden könnten. Dies sei unzureichend. "Für eine Frau ist etwa ein Griff an den Busen mehr als beleidigend."

Breite Front gegen den Entwurf von Maas

Die Front gegen den Entwurf von Maas ist breit, und der Rückenwind aus der CSU sorgt in der SPD für Belustigung. "Wir freuen uns über jeden Neufeministen, mal sehen, wie weit die Unterstützung trägt", sagte die SPD-Familienpolitikerin Carola Reimann. Auch sie hält den Entwurf von Parteifreund Maas für verbesserbar. Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz werde zivirechtlich geahndet, es fehle aber ein Strafrechtsparagraf, der sexuelle Selbstbestimmung überall zum schutzwürdigen Gut mache. Deutschland habe 2011 die Istanbuler Konvention des Europarats unterzeichnet, aber nie ratifiziert. Dies sei nur durch Änderung des Strafrechts möglich.

Der Justizminister reagiert verhalten. Gegen den Grapschparagrafen hat Maas nichts. Aber dass ein "Nein" des Opfers zur Verurteilung wegen Vergewaltigung reichen soll, sieht er skeptisch. "Es stellt sich die Frage ob das in der Praxis handhabbar wäre, wir haben hier ja keine objektivierbaren Kriterien", sagte eine Sprecherin. Ein Nein sei kaum nachzuweisen, es drohten Falschanzeigen. "Sozialübliche Verhaltensweisen zu Beginn einer Beziehung könnten kriminalisiert werden." Festgelegt aber habe Maas sich noch nicht, eine Expertenkommission prüft die Fragen bis Herbst. Dann könnte das Gesetz schon verabschiedet sein.

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