Sexskandal um San Diegos Bürgermeister:Die Stadt ist schuld!

San Diego mayor Bob Filner attends the ground breaking ceremony for improvements for the San Diego Trolley system in San Diego

San Diegos Bürgermeister Bob Filner

(Foto: REUTERS)

Frivole Politik-Skandale erschüttern immer wieder die USA. Besonders dreist ist San Diegos Bürgermeister Bob Filner. Er soll acht Frauen sexuell belästigt haben - und macht dafür die Stadt verantwortlich. Er könnte damit sogar durchkommen.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Frivole Skandale sind nicht neu in der US-Politik. Marilyn Monroe sang dereinst für John F. Kennedy nicht nur ein Geburtstagsständchen. Präsident Bill Clinton hatte eine Praktikantin, Gouverneur Arnold Schwarzenegger ein Hausmädchen, Detroits Bürgermeister Kwame Kilpatrick feierte mitten in der Rezession Orgien im Rathaus.

Derzeit ist Anthony Weiner in den Schlagzeilen, der vor zwei Jahren als Kongressabgeordneter hatte zurücktreten müssen, weil er fremden Frauen Fotos seines Geschlechtsteils über Social-Media-Kanäle geschickt hatte. Nun möchte er Bürgermeister von New York werden - doch erneut gibt es Penisfotos und Berichte über Online-Beziehungen mit mehreren jungen Frauen. Weiner zieht seine Kandidatur jedoch nicht zurück, in einem Wahlwerbespot vergleicht er seine Situation tatsächlich mit den Wochen nach dem 11. September 2001 in New York City.

"Ich bin ein Umarmer"

Der Dreisteste von allen indes ist Bob Filner. Der ist Bürgermeister der Stadt San Diego und ein Mensch, der auf Knopfdruck beide Mundwinkel bis zu den Ohrläppchen nach oben ziehen kann. Der 60-Jährige saß sechs Jahre lang im Stadtrat von San Diego, danach war er 19 Jahre lang Abgeordneter im Repräsentantenhaus, seit Dezember vergangenen Jahres amtiert er als Stadtoberhaupt.

Es war bislang eine phänomenale politische Karriere, die einzigen Skandälchen bestanden darin, dass er sich im Jahr 2007 am Flughafen vordrängeln wollte und dass ihm während verschiedener Wahlkämpfe von seinem Konkurrenten Juan Vargas Korruption vorgeworfen wurde - das war nicht weiter schlimm, weil Filner mit Korruptionsvorwürfen gegen Vargas konterte. Mittlerweile ist Vargas der Nachfolger von Filner im Repräsentantenhaus, die beiden unterstützten sich bei den jeweiligen Wahlkämpfen gegenseitig.

Nun aber hat Filner eine Klage wegen sexueller Belästigung am Hals, mittlerweile haben sich neun Frauen gemeldet und bestätigt, von Filner gegen ihren Willen geküsst, umarmt, betatscht oder sexuell angesprochen worden zu sein. Er habe Frauen schlecht behandelt, er habe sie bisweilen sogar eingeschüchtert. Eine der Frauen, Donna Frye, sagt über Filner: "Es ist tragischerweise für keine Frau sicher, sich in seiner Nähe aufzuhalten." Filner gab sich sogleich betroffen über die Vorwürfe, er entschuldigte sich für seine Übergriffe mit dem Hinweis, dass er eben ein Mensch sei, der gerne Körperkontakt zu seinen Mitmenschen suche. "Ich bin ein Umarmer", sagte er - und grinste. Die Untersuchungen würden jedoch ergeben, dass die Vorwürfe gegen ihn haltlos seien.

Stadt soll Filners Sextherapie bezahlen

Vor zwei Wochen jedoch reichte die Anwältin Gloria Allred Klage gegen Filner wegen sexueller Belästigung in mehreren Fällen ein, der Bürgermeister wird sich wohl doch vor Gericht verantworten müssen. Die konkreten Vorwürfe: Er habe eine Mitarbeiterin aufgefordert, doch bitte ohne Unterwäsche zur Arbeit zu erscheinen, forderte Küsse ein und erklärte ihr, wie gerne er sie nackt sehen würde. Seine Verlobte Bronwyn Ingram beendete die Beziehung mit der Begründung, der bereits zwei Mal geschiedene Filner habe sie wiederholt beschimpft und ihr unverschämte Bilder per SMS geschickt.

Am Freitag trat Emily Gilbert im Fernsehen auf. Sie arbeitet als Marilyn-Monroe-Double und berichtete von den Übergriffen durch Filner: "Er hat mich umarmt, dann hat er seine Hand über meinen Hintern rutschen lassen." Sie beschrieb auch die typische Bewegung, die in den Vereinigten Staaten "Filner-Headlock" genannt wird: Filner umarmt Frauen, packt sie dann am Hals, zieht sie zu sich heran. Dann flüstert er ihnen ins Ohr oder küsst sie auf die Wange.

Sextherapie auf Kosten San Diegos

Bis hierhin klingt es wie ein schlimmer, in der amerikanischen Politik indes gar nicht so selten vorkommender Sexskandal. Doch nun wird es interessant: Als Filner merkte, dass er doch gewaltige Probleme bekommen könnte, kündigte er schnell an, sich von 5. August an in Therapie begeben zu wollen. Das hört sich vernünftig an, jedoch: Filner plant gerade mal einen Aufenthalt von zwei Wochen in der Klinik, danach will er wieder ins Rathaus zurückkehren.

Das Sahnehäubchen ist allerdings: Die Stadt San Diego solle doch bitteschön die Kosten für die Therapie übernehmen. Klingt dreist? Es geht noch besser: Der Stadtrat beschloss einstimmig (9:0 Stimmen), dass Filner die Kosten selbst zu übernehmen habe. Sein Anwalt Harvey Berger verfasste daraufhin einen Brief und beschuldigte die Stadt San Diego, für das Verhalten des Bürgermeisters verantwortlich zu sein: "Die Stadt ist rechtlich dazu verpflichtet, allen Mitarbeitern in verantwortlichen Positionen eine Ausbildung gegen sexuelle Belästigung zukommen zu lassen." Die Stadt San Diego habe das im Fall Filner verpasst und trage deshalb laut Berger eine Mitschuld an den Vorfällen: "Ich habe erfahren, dass viele, wenn nicht gar die meisten Bürger nicht wissen, was im Bereich der sexueller Belästigung nach Kalifornischem Gesetz legal und was illegal ist." Die Stadt solle ihn deshalb beim Prozess unterstützen.

Das Schlimme daran ist, dass Filner damit durchkommen könnte. Mehrere Experten haben angedeutet, dass die Stadt San Diego tatsächlich verantwortlich gemacht werden könnte. Und Filner? Der sagt nichts mehr - und begibt sich nun erst einmal für zwei Wochen in Therapie.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: