Serie (2): Privatisierung des Militärs:Die Kriegs-Dienstleister

Das Geschäft mit dem Krieg boomt: Private Militärfirmen sind fester Bestandteil in den Konflikten des 21. Jahrhunderts. Doch nicht zuletzt im Irak, wo mehr Söldner als Soldaten tätig sind, zeigen sich fatale Konsequenzen.

Gökalp Babayigit

"Die Söldner und Hilfstruppen sind unnütz und gefährlich, und wer seine Macht auf angeworbene Truppen stützt, der wird nie fest und sicher dastehen." Niccolò Machiavelli, "Der Fürst" (1513)

Stell dir vor, es ist Krieg, und jeder geht hin. Ob bei den Diktatoren in Afrika, den Kriegsparteien auf dem Balkan oder den Großindustriellen in Südamerika: Privaten Militärfirmen bietet sich im Krieg das große Geschäft. Kriegs-Dienstleister greifen immer mehr ein in den Herrschaftsbereich der regulären Truppen, sie kommen, wenn sie gerufen werden - und sie erfüllen jeden Auftrag.

Den wahren Boom erlebten die privaten Militärfirmen aber in Folge der Anschläge vom 11. September 2001 - und nirgendwo lassen sich die Konsequenzen der Privatisierung des Krieges besser beobachten als im Irak. Während des Engagements im Irak hat das Auftragsvolumen für private Militärfirmen nie dagewesene Ausmaße erreicht - und die mächtigste Armee der Welt, die der Amerikaner, in eine Abhängigkeit gezwungen, ohne tatsächlich bei der Befriedung des Landes geholfen zu haben.

Doch während die Privatunternehmen in der Vergangenheit im Schatten fernab der medialen Scheinwerfer operierten, finden sie sich spätestens nach den tödlichen Zwischenfällen, bei denen die Firma Blackwater eine Hauptrolle spielte, im Rampenlicht wieder. Am 16. September hatte Blackwater 17 irakische Zivilisten auf offener Straße erschossen, darunter eine Familie mit Kind. Was private Militärfirmen machen, wie sie es machen, und welche Konsequenzen die Beschäftigung solcher moderner Söldner hat - rechtlich, militärisch und politisch - rückt mehr und mehr in den Vordergrund.

Neu ist das Phänomen des Söldnertums nicht, im Gegenteil: Es ist so alt wie der Krieg selbst. Das vielfach angeführte Problem der Aushöhlung des staatlichen Gewaltmonopols durch eben jene Söldner stellt sich ohnehin erst seit ungefähr 400 Jahren. Zuvor existierte das Konstrukt des Nationalstaates gar nicht. So rekrutierten von den Ägyptern über die Römer bis hin zu den Briten alle Großreiche private Söldnertruppen. Doch schon Niccolò Machiavelli warnte im 16. Jahrhundert in seinem "Fürsten" davor, Söldner zu engagieren. Heute nennen sich die Söldner Contractors, zu Deutsch Auftragnehmer, um das negativ besetzte Wort zu vermeiden.

Nach der Einschätzung von Rolf Uesseler, der in seinem Buch "Krieg als Dienstleistung" einen Einblick in das Geschäft mit dem Krieg gewährt, arbeiten weltweit 1,5 Millionen Menschen für private Militärfirmen, Tendenz steigend. Große Firmen wie das amerikanische Unternehmen Kellogg, Brown & Root (KBR), das verantwortlich ist für beinahe die gesamte Logistik der amerikanischen Streitkräfte im Irak, verbucht dabei Gewinne von mehr als zwei Milliarden Dollar. Insgesamt taxiert Uesseler den Umsatz der Branche auf mehr als 200 Milliarden Dollar.

Aufträge werden ohne Umschweife erfüllt

Die Aufgaben der privaten Militärfirmen sind breit gefächert: Von Logistik, Verpflegung der Soldaten und Instandhaltung von Maschinen bis hin zu Luftraumüberwachung, Personenschutz und Kampfeinsätzen können Auftraggeber sämtliche Dienstleistungen kaufen, die ursprünglich Aufgaben des Staates waren. Die Militärfirmen kümmern sich um Munitionsnachschub, saubere Uniformen, gewartete Flugzeuge - oder bekämpfen mit Waffengewalt Aufständische, schützen Diplomaten und führen Verhöre.

Verfechter des Outsourcings von Aufgaben, für die ansonsten das Militär Kapazitäten bereitstellen müsste, loben das unkomplizierte Geschäft. Oftmals beschäftigen die Unternehmen mit ehemaligen (Elite-)Soldaten kompetentes und kampferprobtes Personal und erfüllen ohne Umschweife die Aufträge, die im Vertrag festgeschrieben sind: billiger, unkomplizierter und schlicht schneller als der staatliche Militärapparat. Der ehemalige US-General William Tuttle schätzte gar, dass die Kosten der US-Armee für die Logistik um bis zu 20 Prozent gesenkt werden könnten, wenn die privaten Dienstleister für den gesamten Aufgabenbereich engagiert würden.

Nach Meinung der Befürworter arbeiten Angestellte von Militärfirmen aber nicht nur billiger, sondern auch kosteneffizienter. Sie müssen nur dann bezahlt werden, wenn sie einen Auftrag erfüllen. Soldaten bekommen immer ihren Sold, egal ob sie im Einsatz sind oder nicht.

Auch sind die Privaten oftmals schneller und flexibler als der Militärapparat eines Staates, wenn es sich um Ad-hoc-Aufträge handelt. Als der Konvoi des polnischen Botschafters Anfang Oktober in Bagdad in einen Hinterhalt geriet und beschossen wurde, versprach das US-Militär über Funk Rettung innerhalb einer Stunde. Daraufhin erhielt die Firma Blackwater, die auch für den Schutz von US-Diplomaten verantwortlich ist, den Auftrag und rettete den verletzten Diplomaten per Hubschrauber - innerhalb von sieben Minuten.

Doch für die Kritiker der privaten Militärfirmen gelten diese Vorteile nur bedingt und haben einen viel zu hohen Preis. Durch die Aufträge an Militärfirmen "wird den Contractors eine Lizenz zum Töten ausgestellt", sagt Militärexperte Uesseler - und das staatliche Gewaltmonopol damit ausgehöhlt. Mit dem Einsatz der Militärfirmen sind also schwerwiegende völkerrechtliche Probleme verbunden.

Die Kriegs-Dienstleister

Zwar existieren Konventionen und Richtlinien, etwa die UN-Söldnerkonvention oder das erste Zusatzprotokoll der Genfer Konvention, doch agieren die privaten Militärfirmen in der Praxis in einer Grauzone. Gelten die Contractors nun als legale Kombattanten oder als Zivilisten? Gilt für sie das Kriegsrecht wie für normale Soldaten? Und vor allem: Wer kann die Durchsetzung des Rechts garantieren?

"Die internationalen Richtlinien sind wachsweich formuliert", urteilt Politikwissenschaftler Herbert Wulf, der sich eingehend mit der Privatisierung des Krieges beschäftigt. "Noch nie ist ein Söldner tatsächlich nach den Konventionen verurteilt worden."

Seit mehreren Jahren führt Wulf ein Forschungsprojekt zur Internationalisierung und Privatisierung von Krieg und Frieden durch. "Unter Contractors herrscht die Meinung vor, es wäre die Schuld des Anwaltes, wenn nach den existierenden Konventionen ein Söldner verurteilt würde."

Insbesondere im Irak, an dem man alle fürchterlichen Konsequenzen des Einsatzes von privaten Militärfirmen beobachten kann, sind die Beispiele zahlreich. Vor allem hier zeigt sich, in welcher legalen Grauzone sich die Dienstleister des Krieges bewegen.

Während im Folterskandal um das Gefängnis in Abu Ghraib mehrere Soldaten verurteilt worden sind, wurde kein einziger beteiligter Contractor belangt. Der betrunkene Blackwater-Angestellte, der an Weihnachten 2006 einen Leibwächter des irakischen Vizepräsidenten Adel Abdul Mehdi erschoss, wurde in einer Nacht- und Nebelaktion 36 Stunden nach der Tat aus dem Land geschafft, bevor sich die Empörung in Bagdad entfalten konnte.

Blackwater entließ den Täter, doch vor ein Gericht kam er nie. "Dem irakischen Innenministerium liegen mindestens 150 gut dokumentierte Zwischenfälle vor, in denen Contractors massiv gegen das Gesetz verstoßen haben", sagt Buchautor Uesseler. Doch die Iraker seien machtlos. Wegen der "Order 17".

Durch diese besondere rechtliche Verfügung, verabschiedet von Zivilverwalter Paul Bremer einen Tag vor seiner Ablösung, können amerikanische Staatsbürger, egal ob Zivilisten oder Soldaten, nicht von der irakischen Justiz belangt werden. Da Angestellte der privaten Unternehmen aber auch nicht vor einem Militärgericht landen können, bewegen sie sich im Irak praktisch in einem rechtsfreien Raum. Bisher wurde nur ein einziger Contractor im Irak, ein KBR-Angestellter, rechtlich belangt. Er hatte versucht, eine US-Soldatin zu vergewaltigen.

Ohne Contractors wäre der Irak-Einsatz nicht möglich

Am Beispiel Irak wird ersichtlich, was der tatsächliche, aber verschwiegene Hauptgrund des Einsatzes privater Dienstleister ist. "Die amerikanische Regierung kauft sich durch die Beschäftigung von Militärfirmen politischen Handlungsspielraum", sagt Wulf. Mit mehr als 180.000 Beschäftigten sind mehr Contractors als amerikanische Soldaten im Land. Ohne die Contractors, so der Schluss des amerikanischen Politikwissenschaftlers Peter W. Singer, wäre der in den USA unpopuläre Einsatz im Irak, die Besetzung und der Wiederaufbau, nicht möglich. "Die Tendenz zur Privatisierung wird auch in Zukunft weitergehen", sagt auch Politologe Wulf.

Da eine weitere Truppenaufstockung angesichts des Widerstandes in der amerikanischen Öffentlichkeit undenkbar wäre, werden stattdessen immer mehr private Dienstleister engagiert. Tote Contractors tauchen schließlich nicht in der offiziellen Statistik auf. Ebenso wenig kann der US-Kongress seine Kontrollfunktion nicht wahrnehmen, sobald die Regierung militärische Dienste auslagert.

Die demokratische Abgeordnete Jan Schakowsky brachte die Ohnmacht des Kongresses auf den Punkt: "Wir glauben, dass 40 Cent von jedem Dollar an die Contractors gehen, aber wir wissen es nicht. Wir glauben, es sind bereits 800 Contractors im Irak ums Leben gekommen, aber wir wissen es nicht. Und wir glauben, 40.000 private Dienstleister sind in militärische Aktionen involviert, aber wir wissen es nicht. Und: wir können es nicht herausfinden."

Die Kriegs-Dienstleister

Was aber dem Kongress sowie der gesamten Weltöffentlichkeit nicht verborgen bleibt, ist das Verhalten mancher privaten Militärfirmen. Dabei ziehen freilich jene Vorkommnisse, die irakischen Zivilisten das Leben kosteten, die größte Aufmerksamkeit auf sich. Doch auch in alltäglichen Routinen der Dienstleister wird ein Problem offensichtlich, das dem Konzept des Outsourcings innewohnt.

Wenn Blackwater einen Diplomaten eskortiert, rast der Konvoi der gepanzerten Fahrzeuge mit hoher Geschwindigkeit auf der falschen Fahrbahn - entgegenkommende Autos werden mit Warnschüssen begrüßt und müssen in den Graben ausweichen. Beim Vorbeifahren richtet der Contractor sein Maschinengewehr auf das stehende Auto. Ein Contractor begründet das ultra-aggressive Verhalten so: "Unsere Mission ist es, den Auftraggeber zu schützen, koste es, was es wolle. Wenn das bedeutet, den Irakern ans Bein zu pinkeln: too bad."

Machiavelli schrieb weiter in seinem "Fürsten": Söldner hätten keine andere Liebe und keinen anderen Anlass, im Felde zu liegen, als den Sold. Private Dienstleister erfüllen ihre Aufträge, doch das übergeordnete Ziel interessiert sie nicht. Die "hearts & minds" der Iraker zu gewinnen, wie das Präsident Bush von seinen Truppen forderte, liegt ihnen fern.

In manchen Fällen - wie im Irak - schadet ihr Einsatz sogar dem Engagement der regulären Truppen. Die arabische Welt, so schreibt der US-Politologe Peter W. Singer in einer Analyse, macht keinen Unterschied zwischen Soldaten und Contractors. Doch selbst wenn sie den Unterschied erkennt, fragt sie vorwurfsvoll: "Wie können die Amerikaner, die Moral und Demokratie predigen, solch brutale, schießwütige Söldner engagieren?"

Die Worte des französischen Staatsmannes Georges Clemenceau (1841-1929), der Krieg sei zu wichtig, um ihn den Generälen zu überlassen, können ein Jahrhundert später, angesichts der Erfahrungen mit Kriegsdienstleistern, umformuliert werden: Der Krieg ist zu wichtig, um ihn den privaten Militärfirmen zu überlassen.

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