Senatsreform in Italien:Sparen mit Silvio

Italy's New Prime Minister Matteo Renzi Addresses Senate Ahead Of Confidence Vote

Oft bleibt der Saal wegen des hohen Alters seiner Mitglieder leer: der italienische Senat.

(Foto: Alessia Pierdomenico/Bloomberg)

Politische Prozesse sollen vereinfacht, Kosten gesenkt werden: Italiens Regierung will den Senat entmachten, doch dafür benötigt sie eine breite Mehrheit. Also verhandelt Matteo Renzi auch mit Ex-Premier Berlusconi.

Von Andrea Bachstein, Rom

Eine der drastischsten Reformen Italiens steht vor der entscheidenden Phase: Der Senat, eine der zwei Parlamentskammern, soll verkleinert und entmachtet werden. Einige Elemente des Reformentwurfs, den die Parlamentarier von dieser Woche an diskutieren, würden ihn dem deutschen Bundesrat ähnlicher machen. Bis Ende Juli könnte die Verfassungsänderung verabschiedet sein.

Premier Matteo Renzi und seine sozialdemokratische PD haben sich mit der Forza Italia von Silvio Berlusconi und der Lega Nord über die Reform verständigt. Ohne sie wäre die Zweidrittelmehrheit für eine Änderung der Verfassung nicht zu erreichen. Renzi sucht möglichst breite Zustimmung, so wird sein für Mittwoch geplantes Treffen mit Beppe Grillo, dem Führer der Bewegung Fünf Sterne (M5S), gespannt erwartet. Der lehnte bisher ab, mit der PD zu kooperieren, bot Renzi jetzt aber überraschend an, über die Reformen zu sprechen.

Bisher herrscht in Italien "perfekter Bikameralismus": Das Abgeordnetenhaus in Roms Palazzo Montecitorio und der Senat im Palazzo Madama haben gleiche Rechte. Jeder Gesetzentwurf geht zeitaufwendig den doppelten Weg, nach Änderungen oft mehrmals - das macht das Zweikammersystem ineffizient.

Besonders schwierig wird es, wenn wie derzeit die Mehrheiten ungleich sind. Künftig sollen nur die Abgeordneten Gesetze verabschieden. Der Senat kann dann binnen zehn Tagen die Überprüfung verlangen und Änderungen vorschlagen. Nach den Plänen darf er nicht mehr über Sein oder Nichtsein einer Regierung entscheiden - in Vertrauensfragen sollen nur Abgeordnete abstimmen.

Exquisite Gerichte zu Mensapreisen

Ein weiteres Motiv der Reform sind die Kosten des Apparats: Zu 630 Abgeordneten kommen 315 Senatoren im Palazzo Madama, plus 841 teils hoch bezahlte Beschäftigte im Senat. Die Zahl der Senatoren soll drastisch auf 100 sinken, die nicht mehr direkt gewählt würden und keine Diäten erhielten. 74 würden die 20 Regionalparlamente entsenden, 21 sollen Bürgermeister sein. Dazu kommen fünf Senatoren, die der Staatspräsident ernennen kann, jedoch nur für sieben Jahre.

Die heutigen "Senatori a vita", ehemalige Staatspräsidenten oder für besondere Verdienste ernannte Persönlichkeiten, behalten lebenslang ihren Sitz. Der dann im ehrwürdigen Plenarsaal wegen der Gebrechlichkeit greiser Senatoren oft jahrelang leer bleibt.

Der bisherige Aufwand für zwei Kammern ärgert die Bürger, auch wenn einige Privilegien schon abgeschafft sind. Symbol dafür war lange das feine Restaurant im Senat. Dort konnten Senatoren dank Subvention zu Mensapreisen Gerichte genießen, die in normalen Restaurants besonders teuer sind. Das Senatslokal schloss bald, als die Preise auf Marktniveau erhöht wurden.

In den Optimismus für den überparteilichen Konsens zur Reform mischte sich am Sonntag bereits Streit - über die Frage der Immunität, die Senatoren vor Festnahme, Telefonüberwachung und Durchsuchung schützt. Renzi nahm sie auf Druck des als Steuerbetrüger aus dem Senat ausgeschlossenen Silvio Berlusconi und der Lega Nord in den Entwurf auf. Abgeordnete der PD kündigen an, da nicht mitzuspielen, und die Fünf Sterne sprechen von einem "Gefallen an Don Silvio".

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