Selbsttötungen:Mehr tote US-Soldaten durch Suizid als durch Kampfhandlungen

U.S. Army soldiers react after their comrade was wounded at patrol by an IED in southern Afghanistan

Soldaten der US-Armee spenden sich Trost, nachdem einer ihrer Kameraden im Süden Afghanistans durch einen Sprengsatz verwundet worden ist (Archivbild vom Juni 2012)

(Foto: REUTERS)

Die Zahl der US-Soldaten, die sich selbst getötet haben, ist erneut gestiegen. Mit 347 Suizidopfern sind es deutlich mehr als in Afghanistan getötet wurden - trotz aller Maßnahmen des Pentagon. Warum sich so viele Soldaten umbringen, ist nicht klar. Häufig spielen Erfahrungen im Krieg eine Rolle, doch viele Opfer waren nicht an Kampfhandlungen beteiligt.

Die Zahl von Selbsttötungen von US-Soldaten ist im vergangenen Jahr auf 349 gestiegen. Damit sind mehr Angehörige der Streitkräfte im aktiven Dienst durch Suizid gestorben als im Kampf im Afghanistan-Einsatz, berichtet die Militärzeitung Stars and Stripes unter Berufung auf AP. In Afghanistan waren im vergangenen Jahr 295 Soldaten getötet worden.

182 Angehörige der Army nahmen sich demnach das Leben, im Marine Corps waren es 48. Die Air Force meldete 59 Selbstmordopfer, die Navy 60.

Pentagonsprecherin Cynthia Smith bestätigte die Zahl, die deutlich höher ist als in früheren Jahren. So hatten sich 2011 noch 301 Soldaten aller Waffengattungen umgebracht, 2010 hatte das Militär 295 Suizide gezählt, 2009 waren es 310.

Gründe unklar

Noch 2005 lag die Zahl der Soldaten, die sich getötet hatten, etwa bei der Hälfte der Opferzahlen von 2012. Dann hatten die Kampfhandlungen im Irak und Afghanistan zugenommen. Doch es ist noch immer nicht klar, wieso immer mehr Soldaten sich umbringen. Schließlich ist die Zahl der Soldaten im Kampfeinsatz zurückgegangen, nachdem die US-Armee sich aus dem Irak zurückgezogen hat.

David Rudd von der University of Utah erklärte laut Stars and Stripes, die Soldaten, die Selbstmord begingen, ließen sich in zwei Gruppen unterteilen: Erstens Irak- und Afghanistan-Veteranen, die unter Depressionen, posttraumatischen Belastungsstörungen und Drogenmissbrauch litten. Zweitens in Soldaten, die nicht an Kampfhandlungen beteiligt waren, aber Beziehungsprobleme, finanzielle Schwierigkeiten oder Probleme mit dem Gesetz hatten. Rudd rechnet nicht mit einer Abnahme der Suizide - im Gegenteil: "Tatsächlich könnte es gut sein, dass die Zahl weiter wächst."

Eine Studie des Pentagon aus dem Jahre 2011 hatte gezeigt, dass die meisten Selbstmordopfer junge unverheiratete Weiße in niedrigen Rängen und ohne College-Abschluss waren. Viele waren bereits durch Verhaltensprobleme aufgefallen.

"Dringlichstes Problem"

Verteidigungsminister Leon Panetta sprach bereits vor Monaten von "einer der komplexesten und dringlichsten Problemen" der Streitkräfte. Es müsse ein Klima geschaffen werden, das psychisch bedrängten Soldaten Hilfe biete. Armee und Regierung versuchen schon seit längerem, mit einer Reihe von Programmen gegen die steigende Suizidrate anzugehen. Unter anderem wurden Telefon-Hotlines eingerichtet. Doch offenbar reichen die Maßnahmen nicht aus, um alle Betroffenen zu erreichen. Veteranen-Organisationen kritisierten in der Vergangenheit, dass die Soldaten nicht auf angemessene Weise über die Probleme, die zum Selbstmord führen können, informiert werden.

Armeevertreter verweisen allerdings darauf, dass die Selbstmordrate in der Armee immer noch geringer ist als in der Zivilbevölkerung. Dort lag sie 2010 bei Männern zwischen 17 und 60 Jahren bei 25 von 100.000, im Militär waren es zuletzt 17,5 von 100.000.

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