Selbstmordattentat in Moskau:Deutscher unter den Toten

Weltweites Entsetzen über den Anschlag im Moskauer Flughafen Domodedowo. Unter den 35 Toten sind auch acht Ausländer. Dazu gehören zwei Briten - und eine Person aus Deutschland.

Bei dem verheerenden Terroranschlag auf dem Moskauer Flughafen Domodedowo mit 35 Toten ist auch ein Deutscher ums Leben gekommen. Der 1976 geborene Mann befand sich unter den ersten identifizierten Leichen und stammt aus Köln. Sein Arbeitgeber, das Remscheider Heiztechnikunternehmen Vaillant, bestätigte am Dienstag entsprechende Medienberichte. "Wir wurden vom BKA darüber informiert", sagte ein Unternehmenssprecher.

A woman cries, while talking on the phone to an acquaintance who is at Domodedovo airport, as she travels by train to the airport from Moscow

Eine weinende Frau auf dem Rückweg vom Flughafen Domodedowo ins Zentrum Moskaus: Der Selbstmordanschlag mit mindestens 35 Toten hat auch international Entsetzen ausgelöst.

(Foto: REUTERS)

Der Mann sei als Logistikspezialist für die Firma nach Moskau gereist. Dort sollte er Arbeitsabläufe bei der russischen Tochtergesellschaft verbessern. Nach russischen Medienberichten ist unter den rund 180 Verletzten auch eine deutsche Frau, die im Krankenhaus behandelt wird.

Weiter handele es sich bei den Todesopfern um Menschen aus Bulgarien, Usbekistan, Kirgisistan, Tadschikistan und der Ukraine. Auch ein Österreicher soll darunter sein. "Es gibt konkrete Hinweise, dass sich ein Österreicher unter den Todesopfern befindet", sagte der Sprecher des Außenministeriums, Harald Stranzl, in Wien.

Die Identifizierung der Leichen ging am Dienstag weiter. Dies sei schwierig, weil viele Menschen von der Druckwelle der Bombe und durch umherfliegende Metallteile des Sprengsatzes zerrissen worden seien, sagten Ärzte. Zahlreiche Verletzte schweben weiter in Lebensgefahr. Das russische Zivilschutzministerium veröffentlichte die ersten Namen der Todesopfer auf seiner Internetseite. Demnach starben acht Ausländer, darunter zwei Briten und ein Bulgare.

Der Selbstmordattentäter kam vermutlich aus dem Konfliktgebiet im russischen Nordkaukasus. "Ich bringe euch alle um", rief der mutmaßliche Islamist nach Augenzeugenberichten, bevor er seine mit Nägeln und anderen scharfkantigen Metallstücken gespickte Bombe zündete. Russische Ermittler leiteten eine Untersuchung wegen eines "Terrorakts" ein, gefahndet wurde nach Angaben der Nachrichtenagentur Interfax nach drei Verdächtigen.

Am Anschlagsort wurde offenbar der Kopf des mutmaßlichen Attentäters gefunden. Es handle sich um einen Mann zwischen 30 und 35 Jahren mit "arabischem Aussehen", berichtete Interfax unter Berufung auf Polizeikreise. Die Ermittler wollen den Täter über eine DNA-Analyse identifizieren. Der Mann sei bei der Sprengung der mit Nägeln und Schrauben gespickten Bombe derart zerrissen worden, dass nicht einmal das Gesicht richtig zu erkennen sei. Das meldeten russische Nachrichtenagenturen unter Berufung auf Ermittler und Gerichtsmediziner. Der Agentur RIA Nowosti zufolge hatten die Sicherheitsdienste vergangene Woche Hinweise auf einen möglichen Anschlag an einem der Hauptstadtflughäfen erhalten.

Politiker aus aller Welt haben das Attentat scharf verurteilt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach von einem "feigen Anschlag". Sie sagte Präsident Dmitrij Medwedjew Unterstützung bei der Aufklärung zu und sprach den Opfern ihre Anteilnahme aus.

US-Präsident Barack Obama bezeichnete das Attentat als "abscheulichen Terrorakt gegen das russische Volk". Es handele sich um eine "vorsätzliche Attacke auf unschuldige Zivilisten", hieß es in einer Erklärung Obamas. Sein Sprecher Robert Gibbs sagte, die USA würden die russischen Behörden in jeder möglichen Form unterstützen. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zeigte sich "entsetzt" über den "durch nichts zu rechtfertigenden" Anschlag. Ban sprach den betroffenen Familien sein tiefstes Beileid aus und bekundete Solidarität mit der russischen Regierung.

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso nannte die Tat "erbärmlich". Die EU-Kommission bot Russland technische Hilfe an. Man sei bereit, Moskau jede Unterstützung zu bieten, die benötigt werde, teilte die EU-Kommission in Brüssel mit.

Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen erklärte, er verurteile diese "entsetzliche Tat zutiefst". Der Terrorismus sei eine "gemeinsame Bedrohung, der wir uns vereint stellen müssen". Rasmussen sagte Russland enge Zusammenarbeit im Kampf gegen den Terrorismus zu. "Wir sind zusammen in diesem Kampf", sagte er in Brüssel. "Das ist eine gemeinsame Bedrohung, die wir vereint angehen müssen. Die Nato drückt ihre Solidarität mit dem russischen Volk und der Regierung aus."

EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy forderte eine rasche Bestrafung der Drahtzieher des Anschlags. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu forderte eine internationale Reaktion gegen den Terrorismus. Kanadas Regierungschef Stephen Harper sagte, die Anwendung von Gewalt gegen unschuldige Menschen dürfe niemals tolieriert werden. Australiens Premierministerin Julia Gillard verurteilte den Anschlag als "brutale Attacke".

Staatschef Medwedjew ordnete die Einsetzung eines "speziellen Sicherheitssystems" in allen Bahnhöfen und Flughäfen des Landes an. Die Polizei in Moskau wurde in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt, die Sicherheitsvorkehrungen in der U-Bahn und an den anderen Flughäfen wurden verstärkt. Er kritisierte, dass Sicherheitsvorkehrungen offenbar zu lax gehandhabt wurden. Die Gesetze würden nicht konsequent genug eingehalten, sagte Medwedjew. Außerdem habe es eklatante Verstöße gegen die Sicherheitsvorschriften gegeben, sagte er der Zeitung Wedomosti. Auch das Nationale Anti-Terror-Komitee hatte die Flughafenleitung kritisiert. Seine für Dienstag geplante Reise zum Weltwirtschaftsforum in Davos verschob der Präsident.

Der Russland-Beauftragte der Bundesregierung, Andreas Schockenhoff (CDU), warnte in der Passauer Neuen Presse vor einer Polarisierung der russischen Bevölkerung in Folge des Anschlags. Es drohten Gewalt und Diskriminierung gegenüber Nichtrussen.

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