Seehofer verärgert über Rösler:"Mein Vertrauensverhältnis hat einen Kratzer bekommen"

Es brodelt in der Bundesregierung: Die Liberalen bezeichnen es als "groben Unfug", dass die CSU die Koalition wegen des Betreuungsgeldes infrage stellt. Doch Parteichef Seehofer denkt nicht daran, seinen Kurs zu ändern, im Gegenteil. Er lässt seinem Ärger freien Lauf - und greift FDP-Chef Rösler persönlich an.

Der Streit über das Betreuungsgeld in der Koalition geht in die nächste Runde. CSU-Chef Horst Seehofer ist weiterhin nicht bereit, in dieser Frage noch einmal zu verhandeln - und hebt die Debatte jetzt auf eine grundsätzlichere Ebene. "Wenn wir uns nicht mehr darauf verlassen können, dass Vereinbarungen eingehalten werden, ist es nicht gut bestellt um die Koalition", sagte er der Bild am Sonntag.

CSU-Chef Seehofer

CSU-Chef Seehofer sieht das Vertrauensverhältnis zu FDP-Chef Rösler beschädigt.

(Foto: dapd)

Eine Koalition könne nur mit Vertrauen funktionieren. "Und Vertrauen besteht nur, wenn getroffene Vereinbarungen eingehalten werden." Dann beschreibt er einen Vorgang, über den sich Seehofer sehr geärgert hat: Nach der geplatzten Abstimmung über das Betreuungsgeld im Bundestag habe er FDP-Chef Philipp Rösler eine Nachricht zukommen lassen, dass die Koalition jetzt enger zusammenrücken müsse. Kurze Zeit später habe er dann aber gehört, dass dieser Nachverhandlungen fordere.

Das scheint den CSU-Chef auch persönlich sehr enttäuscht zu haben. In dem Interview räumt er öffentlich ein: "Mein Vertrauensverhältnis zu Philipp Rösler hat einen Kratzer bekommen." Immerhin: Es sei noch reparabel.

Beim Betreuungsgeld gehe um ein Kernthema seiner Partei. "Wir wollen allen Familien ein Angebot machen, sowohl mit dem Krippenausbau, als auch mit dem Betreuungsgeld für die Eltern, die ihr Kleinkind in den ersten Lebensjahren ohne staatliche Krippe großziehen."

"Grober Unfug"

Aus der FDP-Fraktion wurde unterdessen erneut scharfe Kritik an Seehofer laut. Fraktionsvizechef Martin Lindner sagte der Zeitung Die Welt, Seehofer betreibe "groben Unfug", wenn er die Koalition wegen des Betreuungsgeldes infrage stelle. "Die CSU in München ist unglaublich stur. Und Seehofer hat das Betreuungsgeld zu einer Glaubensfrage hochstilisiert."

Auch die Fachpolitiker in den Regierungsfraktionen müssten akzeptieren, dass "ihre persönlichen Vorstellungen nicht sakrosankt sind". So funktioniere keine Koalition, sondern "bestenfalls ein Wunschkonzert in Badenweiler", kritisierte Lindner.

Auch Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) wies die Forderungen der CSU zurück, das Betreuungsgeld ohne Abstriche umzusetzen. "Mein Eindruck aus der letzten Fraktionssitzung von CDU und CSU ist, dass eine Mehrheit der Fraktionsmitglieder Änderungen des eingebrachten Betreuungsgeld-Gesetzentwurfs nicht nur für möglich hält, sondern sie geradezu erwartet", sagte Lammert dem Tagesspiegel am Sonntag. Das Parlament habe immer das Recht, Gesetzentwürfe zu verändern, wenn es das für notwendig halte.

Gabriel bezeichnet Betreuungsgeld als "absurd"

SPD-Chef Sigmar Gabriel bekräftigte seine Absage an die familienpolitische Leistung. "Das Betreuungsgeld ist völlig absurd. Das Geld sollte in die Kinderbetreuung gesteckt werden", sagte Gabriel der Passauer Neuen Presse. "Für den Fall, dass die Koalition das Betreuungsgeld durchpeitscht, prüfen einige Landesregierungen die Möglichkeiten einer Klage", kündigte er an.

Nach dem Gesetzentwurf kommt das Betreuungsgeld zum 1. Januar 2013. Beantragen können es Eltern von Kindern im zweiten Lebensjahr, die keinen staatlich geförderten Kita-Platz in Anspruch nehmen. Sie erhalten zunächst 100 Euro monatlich. Von 2014 an soll der Zuschuss auch für Kinder im dritten Lebensjahr greifen. Dann wird er für alle auf 150 Euro monatlich angehoben. Die Leistung wird höchstens 24 Monate gezahlt.

Der Bund geht von Kosten in Höhe von 300 Millionen Euro im Jahr 2013, und 1,11 Milliarden Euro im Jahr 2014 aus. Für die Jahre 2015 und 2016 sind demnach jeweils 1,23 Milliarden Euro veranschlagt.

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