Kritik an Seehofer:Merkel widerspricht ihrem neuen Innenminister

Angela Merkel auf einer Pressekonferenz 2018 in Berlin.

"Wir müssen alles tun, um das Zusammenleben gut zu gestalten zwischen den Religionen", sagte Kanzlerin Angela Merkel bei einer Pressekonferenz mit Schwedens Regierungschef in Berlin.

(Foto: AP)
  • Politiker von links und rechts kritisieren Horst Seehofer für seine Aussage, der Islam gehöre nicht zu Deutschland.
  • Kanzlerin Merkel sagt: "Diese Muslime gehören auch zu Deutschland, und genauso gehört ihre Religion damit zu Deutschland, also auch der Islam."
  • Die Vizepräsidentin des Bundestags, Petra Pau, nennt Seehofers Aussage "Unsinn", auch FDP-Chef Christian Lindner übt Kritik.
  • Bayerns Integrationsbeauftrage Kerstin Schreyer verteidigte den Innenminister gegenüber der SZ.
  • Seehofer wehrt sich gegen die Kritik am Rande der Wahl von Markus Söder zum bayerischen Ministerpräsidenten.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich in der Debatte um die Rolle des Islams in Deutschland von den Äußerungen des neuen Bundesinnenministers Horst Seehofer (CSU) deutlich distanziert. Deutschland sei zwar stark vom Christentum geprägt, aber inzwischen lebten vier Millionen Muslime in Deutschland, sagte die CDU-Chefin bei einem Treffen mit dem schwedischen Ministerpräsidenten Stefan Löfven am Freitag in Berlin. "Diese Muslime gehören auch zu Deutschland und genauso gehört ihre Religion damit zu Deutschland, also auch der Islam." Man wolle einen Islam, der auf der Grundlage des Grundgesetzes basiert. "Wir müssen alles tun, um das Zusammenleben gut zu gestalten zwischen den Religionen."

Zuvor hatte Merkel bereits über ihren Regierungssprecher ausrichten lassen, sie habe "großen Respekt" für hiesige Muslime. Sie reagierte damit auf Seehofers Aussage, der Islam gehöre nicht zu Deutschland.

"So setzt die CSU ihren fatalen Kurs fort und macht Wahlkampf für die AfD", sagte der Grünen-Politiker Jürgen Trittin im Südwestrundfunk. Seehofers Einschränkung, die hier lebenden Muslime gehörten trotzdem zu Deutschland, ließ Trittin nicht gelten: "Das ist die Redeweise, die man kennt: 'Ich habe nichts gegen Ausländer, aber ...'", so der Politiker. Ein Heimatminister, der es als seine erste Aufgabe sehe, die Heimat zu spalten, sei "fehl am Platze". Seehofer verantwortet als neuer Bundesinnenminister künftig auch den Bereich Heimat. Trittin betonte: "Natürlich leben viele Muslime in diesem Land. Sie sind hier aufgewachsen. Und natürlich gehört ihr Glaube zu diesem Land." Es gebe keine Bedrohung der christlich-abendländischen Traditionen in Deutschland. "Nach wie vor findet jeden Herbst in München das Oktoberfest statt", sagte der ehemalige Umweltminister. Es werde eine Bedrohung konstruiert, die es in der Realität nicht gebe.

Auch Christian Lindner fand deutliche Worte. Die von Seehofer erneut angestoßene Debatte bezeichnete er in der Rheinischen Post als "überflüssig". Der FDP-Chef sagte weiter: "Weder verlangt irgendwer die Übernahme islamischer Sitten, noch ist das Christentum Staatsreligion."

Die Linken-Politikerin Petra Pau bezeichnete Seehofers in einem Bild-Interview getätigte Äußerungen als "Unsinn". "Die Menschen muslimischen Glaubens gehören allesamt zu Deutschland. Ich halte es für verantwortungslos, dass der Innenminister gleich nach seiner Amtseinführung hier zündelt", sagte sie dem Sender n-tv.

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz (CDU), sagte der Rheinischen Post: "Wir brauchen eine sachliche Debatte darüber, nach welchen Regeln und welchem Werteverständnis wir in Deutschland zusammenleben wollen."

Seehofers Aussagen riefen auch in den sozialen Medien Kritik und Unverständnis hervor.

CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer sagte am Freitag der Deutschen-Presse-Agentur: "Die Stärkung des Zusammenhalts in unserer Gesellschaft ist unser gemeinsames, im Koalitionsvertrag festgelegtes Ziel. Religionsfreiheit auf dem Boden des Grundgesetzes gehört unstreitig zu Deutschland, genau wie auch die Muslime in Deutschland mit ihrem Glauben, dem Islam, zu unserem Land gehören."

Zudem erntet Seehofer aus den Bundesländern Kritik. "Ich finde Herrn Seehofers Äußerung an seinem zweiten Arbeitstag alles andere als hilfreich", sagte Baden-Württembergs Sozial- und Integrationsminister Manne Lucha (Grüne) am Freitag in Nürnberg. Angesprochen auf Seehofers Islam-Satz brachte Lucha zum Abschluss der zweitägigen Integrationsministerkonferenz den lateinischen Spruch: "Si tacuisses, philosophus mansisses". Auf Deutsch: Wenn du geschwiegen hättest, wärst du ein Philosoph geblieben. "Es leben vier Millionen Menschen islamischen Glaubens hier. Sie alle gehören zu dieser Gesellschaft", sagte Lucha bei der Abschlusspressekonferenz der Tagung als Vertreter der Unions-geführten Länder. Die für Integration zuständige Hamburger Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) erklärte für die SPD-geführten Länder in Richtung Seehofer: "Man ist gut beraten, als Minister für alle Deutschen da zu sein, egal welcher Religion sie angehören." Das Grundgesetz garantiere Religionsfreiheit.

Bayerns Integrationsbeauftrage Kerstin Schreyer verteidigte den Innenminister. Die CSU-Landtagsabgeordnete sagte der SZ: "Horst Seehofer hat Recht, wenn er sagt, dass der Islam nicht zu Deutschland gehört". Deutschland habe "seine Wurzeln im christlich-jüdischen Kulturerbe, es hat aber keine im muslimischen Glauben". Deshalb müsse man "unterscheiden, zwischen den Menschen mit muslimischen Glaubens, die hier leben und dem Islam". "Die gut integrierten Muslime gehören zu Deutschland, aber der Islam an sich noch nicht." Menschen "unterschiedliche Glaubens werden respektiert und toleriert. Im Rahmen der Werte, die wir hier leben passen auch viele Muslime nach Deutschland", sagte sie weiter.

Auch Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) verteidigte ihren Kabinettskollegen Seehofer. "Ich bin der Meinung, wir sollten differenzieren. Es gibt nicht 'den Islam' und das hat Herr Seehofer so auch gesagt", sagte die stellvertretende CDU-Vorsitzende am Freitag in Mainz. Sie warnte vor Pauschalisierung: "Zu uns in Deutschland gehört keine Radikalisierung, gehören keine Fundamentalisten. Unsere Wurzel ist die christlich-jüdische Religion. Aber natürlich gehören auch Menschen muslimischen Glaubens zu uns."

Seehofer selbst wehrte sich gegen die Kritik am Rande der Wahl von Markus Söder zum bayerischen Ministerpräsidenten. Kritiker sollten lieber erst ganze Interview lesen anstatt nur einzelne Passagen herauszugreifen. Die CSU trete für Toleranz und Respekt gegenüber anderen Religionsgemeinschaften ein, auch wolle er weiter zur Islamkonferenz laden. Allerdings forderte er auch, dass sich der Islam klar von Gewalt distanziere.

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