Schwule in Ägypten:Nichts Strafbares im Hamam

Schwule in Ägypten: Angeklagte in hinter Gittern: Prozess gegen 26 Männer wegen angeblicher Verstöße gegen den Sittlichkeitsparagrafen in Kairo.

Angeklagte in hinter Gittern: Prozess gegen 26 Männer wegen angeblicher Verstöße gegen den Sittlichkeitsparagrafen in Kairo.

(Foto: AFP)

In Kairo werden 26 Männer von dem Vorwurf freigesprochen, gegen das Sittlichkeitsgesetz verstoßen zu haben. Dennoch ist ganz klar: In Ägypten werden Homosexuelle zunehmend verfolgt.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Ein Gericht in Ägyptens Hauptstadt Kairo hat 26 Männer in erster Instanz freigesprochen, die wegen "sexueller Ausschweifungen" angeklagt waren. Das meldeten am Montag staatliche Medien unter Berufungen auf Quellen im Gerichtssaal.

Die Polizei hatte Anfang Dezember ein Badehaus im Stadtteil Asbakeja gestürmt, nachdem offenbar eine Reporterin des regimenahen Privatsenders al-Kahera wal-Nas die Besucher bei der Staatsmacht denunziert hatte, sie würden in dem Hamam "homosexuelle Orgien" feiern.

Die Razzia hatte international, aber auch in Ägypten Empörung ausgelöst, weil die Männer vor laufender Kamera halbnackt abgeführt wurden und der Sender dies ausstrahlte, ohne die Beschuldigten unkenntlich zu machen - und so in Kauf nahm, ihr Leben und soziales Umfeld zu zerstören.

Man habe "die schlimmste Höhle der Gruppen-Perversion im Herzen Kairos ausgehoben", schrieb die Reporterin stolz auf Facebook. Die Männer seien "alle auf frischer Tat ertappt und verhaftet worden". Belege für strafbares Verhalten konnte sie nicht vorweisen - und nun auch das Gericht nicht erkennen.

Gummiparagrafen im Sittlichkeitsgesetz

Bei den Ermittlungen wurden die Männer medizinisch getestet, ob sie Geschlechtsverkehr miteinander hatten. Dies kritisieren Menschenrechtler als Verstoß gegen das Recht körperlicher Unversehrtheit und die Anti-Folter-Konvention.

Homosexualität ist in Ägypten nicht verboten, wohl aber gibt es einen Gummiparagrafen in einem Sittlichkeitsgesetz von 1961, der "sexuelle Ausschweifungen" unter Strafe stellt. Bei einer Verurteilung hätten die Männer mit mehrjähriger Haft rechnen müssen und wären der Gefahr von Misshandlungen im Gefängnis ausgesetzt gewesen.

In den vergangenen Monaten gab es mehrere Verfahren gegen Schwule, was Menschenrechtler als breiter angelegte Kampagne werteten. Die Verfolgung verschärfte sich nach dem Sturz des islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi durch das Militär im August 2013.

Ende Dezember hatte ein Berufungsgericht in Kairo acht Ägypter wegen einer angeblichen Homosexuellen-Hochzeit zu je einem Jahr Haft verurteilt. Damit senkte das Gericht das Strafmaß, hielt aber den Schuldspruch aufrecht. In erster Instanz wurden die Männer im November wegen "Anstachelung zu unsittlichem Verhalten" zu drei Jahren verurteilt.

Drei Prozent der Ägypter finden, Homosexualität sollte akzeptiert werden

Sie waren im September verhaftet worden, nachdem im Internet ein Video aufgetaucht war, in dem die Männer bei der angeblichen Zeremonie auf einem Boot auf dem Nil zu sehen waren. Sie beteuerten, es sei lediglich ein Scherz gewesen. Gesellschaftlich ist Homosexualität in Ägypten noch immer geächtet; die Mehrheit der Muslime wie der koptischen Christen ist konservativ.

Eine US-Umfrage ergab 2013, dass nur drei Prozent der Ägypter finden, Homosexualität sollte akzeptiert werden. Menschenrechtler kritisieren, die Regierung unterdrücke und kriminalisiere nicht nur Opposition, sondern jedes abweichende Verhalten. Neben Homosexuellen wurden jüngst immer wieder Atheisten verfolgt. Auch in diesen Fällen berichteten Medien ohne Rücksicht auf die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen.

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