Schweiz:Blocher holzt gegen Berlin

Verschanzen oder kooperieren? Während die Schweizer über einen Ausweg aus der Affäre zanken, attackiert Rechtspopulist Blocher die Bundesregierung.

"Die Deutschen haben uns am Wickel", schreibt das Schweizer Boulevardblatt Blick. Der aktuelle Fall geklauter Bankdaten und deren Ankauf durch die Bundesregierung löst in der Alpenrepublik Beklemmung aus - und eine innenpolitische Debatte über einen Ausweg.

Rechtspopulist Christoph Blocher SVP Bankdaten Schweiz Steuerhinterziehung Reuters

Gefürchtet für seine verbalen Ausfälle: Rechtspopulist Christoph Blocher

(Foto: Foto:)

Zwei Lager stehen sich gegenüber: Die einen plädieren darauf, das Schweizer Bankgeheimnis weiter zu schleifen, um ausländischen Steuerbetrüger nicht länger zu schützen. Die andere Seite denkt gar nicht daran: Sie schaltet auf stur - und lässt der Wut über Datendiebe und deutsche Datenkäufe freien Lauf.

Der rüdeste Verbal-Angriff kommt von Rechtspopulist Christoph Blocher. Der gewesene Minister und heutige Vize-Chef seiner Schweizer Volkspartei (SVP) wähnt in Berlin einen Gegner, der Hehlerei betreibe und Diebstahl fördere. "In der deutschen Regierung hat es Kriminelle", polterte der alternde Rechtsaußen im Sender TeleZüri.

Der vom deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) forcierte Kauf der Daten-CD sei eine krasse Gesetzesverletzung.

Blocher pocht deshalb darauf, dass die Regierung in Bern die Verhandlungen zum Doppelbesteuerungsabkommen (DAB) zwischen der Schweiz und Deutschland aussetzt - und vehement in Berlin protestiert.

Einziges Motiv für den Kauf der Daten ist laut Blocher die desolate Haushaltslage der Deutschen. "Mit Rechtsbruch soll das Defizit verkleinert werden."

Sozialdemokraten und Grüne fordern Umdenken

In etwas weniger aggressiver Wortwahl äußerten sich Politiker der konservativen CVP. Der Abgeordnete Pirmin Bischof, fordert laut Tagesanzeiger, nicht den Steuerhinterziehern das Handwerk zu legen, sondern den Datendieben. Parteichef Christophe Darbellay bezeichnet das deutsche Vorgehen als Skandal - und fordert ebenso den Stopp der DAB-Gespräche.

Auf der anderen Seite stehen Sozialdemokraten (SP) und Grüne: Sie sehen die Zeit zum Umdenken gekommen. "Die Schweiz braucht eine klare Strategie gegen Steuerflucht und eine deutliche Absage an Steuerhinterzieher", erklärt etwa die SP-Fraktionschefin Ursula Wyss. "Nur solange die Schweiz Milliarden Steuerschwarzgeld verwaltet, werden Kundendaten überhaupt brisant".

Der Schutz der Steuerhinterziehung müsse fallen, fordert auch der Grüne Daniel Vischer, dann seien die eidgenössischen Banken auch nicht mehr erpressbar.

"Angst vor der SVP"

Inzwischen mehren sich auch in der Freisinnigen Partei, der FDP, moderate Stimmen, auch wenn Liberale den Kauf der Daten-CD als "Hehlerei" gegeißelt hatten. "Wir sollten eine rasche Verbesserung der Atmosphäre mit unseren wichtigen Partnerländern anstreben," zitiert der Blick den FDP-Bundesrat Didier Burkhalter, der Innenminister. "Eine klare Absage an die Unterscheidung von Steuerhinterziehung und Steuerbetrug ist dafür eine gute Basis."

Sein Parteifreund, der Abgeordnete Philip Müller kritisiert den Datenklau und Datenkauf, auch empfiehlt er einen Stopp der DAB-Verhandlungen als "Missfallenskundgebung" gegenüber Berlin. Allerdings räumt Müller im Tagesanzeiger auch ein: "Die Verwaltung von Schwarzgeld ist kein Modell für die Zukunft".

Und Franz Steinegger, der frühere Parteichef der Freisinnigen, sagt selbstkritisch, das Bankgeheimnis sei zu lange ein Dogma gewesen. An eine "saubere Lagebeurteilung" habe sich niemand getraut - "aus Angst" vor der rechten SVP.

Diesmal scheinen Blocher und seine Leute jedoch nicht durchzukommen - die Regierung in Bern will das Doppelbesteuerungsabkommen mit Berlin nicht kippen, berichten Schweizer Medien.

Ausgerechnet die konservative Bundespräsidentin Doris Leuthard wollte das Papier möglichst schnell durch das Parlament schleusen. Laut Tagesanzeiger geht es ihr darum, um ein Zeichen zu setzen. Das Abkommen mit den Deutschen soll eine Art Musterlösung sein, die auch für andere Staaten gelten könnte.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: