Schweden unterstützt Saudi-Arabien bei Rüstungsproduktion:Geheimprojekt "Heißer Wüstenwind"

Waffenlieferungen von Deutschland und Schweden an Saudi-Arabien haben großen Protest ausgelöst. Von neuen Enthüllungen sind nun selbst Experten überrascht: Schwedische Berater helfen dem Wüstenstaat, eine Rüstungsfabrik aufzubauen.

Gunnar Herrmann, Stockholm

Schwedens Regierung ist wegen Rüstungsgeschäften mit Saudi-Arabien in Bedrängnis. Ein dem Verteidigungsministerium unterstelltes Forschungsinstitut soll jahrelang gemeinsam mit saudischen Behörden den Bau einer Waffenfabrik geplant haben. Das berichtete der Radiosenders SR am Dienstag und veröffentlichte mehrere Dokumente, die den Vorgang belegen.

Regierungsvertreter wollten den Bericht zunächst nicht bestätigen. Die Opposition forderte eine parlamentarische Untersuchung. Bei dem Geschäft geht es um die Modernisierung alter Panzerabwehrraketen der saudischen Armee. Um neue Teile zu produzieren, plant Saudi-Arabien offenbar den Bau einer Fabrik für Raketentreibsätze und Sprengköpfe. Das Know-how dafür sollte Schweden liefern.

Bei dem 2007 gestarteten Geheimprojekt mit dem Namen "Simoom" - "heißer Wüstenwind" - kam dem Bericht zufolge dem Forschungsinstitut der Schwedischen Streitkräfte (FOI) eine zentrale Beraterrolle zu. Aus den Dokumenten geht hervor, dass FOI Investitionen von umgerechnet 170 bis 225 Millionen Euro erwartete, "wovon ein Großteil bei schwedischen Lieferanten landen wird". Mit dem Bau der Fabrik wurde nicht begonnen, aber schwedische Experten sollen in der arabischen Wüste bereits Standorte inspiziert haben.

"Wohl einmalig, dass eine staatliche Behörde einer Diktatur beim Bau einer Waffenfabrik hilft"

Saudi-Arabien ist ein Großkunde der Waffenindustrie. Der Wüstenstaat rüstet Experten zufolge gegen Iran auf, aber auch gegen Unruhen im eigenen Land. 2011 hatte sich das Regime mit Truppen an der Niederschlagung der Proteste in Bahrain beteiligt. Waffengeschäfte mit Saudi-Arabien werden heftig kritisiert.

In Deutschland etwa löste eine Enthüllung über Panzerlieferungen im vorigen Sommer Proteste aus. Schweden hatte 2005 mit dem Wüstenstaat ein Abkommen über militärische Zusammenarbeit geschlossen. Dass auch Stockholm Waffen an Saudi-Arabien liefert, ist seitdem bekannt - und umstritten. Die Unterstützung des Aufbaus einer eigenen saudischen Rüstungsproduktion, verwundert dagegen selbst Experten. "Es ist wohl einmalig, dass eine staatliche Behörde einer Diktatur beim Bau einer Waffenfabrik hilft", sagte Rolf Lindahl, Sprecher der schwedischen Friedensbewegung.

Kritik rief die Geheimniskrämerei hervor. Die Regierung versuche, die Geschäfte zu vertuschen, sagte Lindahl. Dem Radiobericht zufolge gründete FOI für "Simoom" eine Scheinfirma, um die Beteiligung zu verschleiern - was Verteidigungsminister Sten Tolgfors bestritt. Der konservative Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt sagte, er gehe davon aus, das FOI alle Gesetze befolge. Die oppositionellen Grünen beantragten am Dienstag eine Untersuchung.

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