Schwarzgeldaffäre:Aufklärer mit Gedächtnislücken

Roland Koch, Hessens Ministerpräsident, wusste zunächst von nichts, aber dann musste er doch eine faustdicke Lüge einräumen.

Bei der Rekonstruktion der Schwarzgeldaffäre im Gerichtssaal könnte auch die Rolle des Zeugen Roland Koch von Bedeutung sein. Mit vielerlei Tricks, reichlich Chuzpe und mit zumindest einer faustdicken Lüge hatte der Wiesbadener CDU-Ministerpräsident den Parteispendenskandal überstanden.

Öffentlich spielte er damals den "brutalstmöglichen" Aufklärer. Dabei hat er nachweislich versucht, Spuren, die zu ihm hätten führen können, zu verdecken. Als die Affäre in ihren ersten Umrissen publik wurde, stand fest, dass Koch im Wahlkampf für die Landtagswahl 1999 rund 1,4 Millionen Mark Schwarzgeld zur Verfügung gestanden hatten.

Dennoch erklärte Koch auf einer Pressekonferenz am 10. Januar 2000, er kenne "bis zum heutigen Tage keinen einzigen Vorgang außerhalb der offiziellen Buchhaltung der Christlich Demokratischen Union". Das war gelogen.

Ein paar Wochen zuvor hatte der gelernte Anwalt für Wirtschafts - und Wettbewerbsrecht einen Scheindarlehensvertrag mit dem früheren Schatzmeister Casimir Prinz zu Sayn-Wittgenstein unterschrieben, um die 1998 bereits verausgabten 796000 Mark im Rechenschaftsbericht verbuchen zu können.

"Etwas harmloser ausgesehen"

Der Scheinvertrag wurde auf den 6. Februar 1998 rückdatiert. Der Öffentlichkeit teilte Koch zunächst mit, der von ihm unterschriebene Darlehensvertrag sei "so in die Akten" gegangen. Am 20. Dezember 2000 räumte der Regierungschef dann ein: "Ich kannte also die Rückdatierung. Sie hat mich nicht besonders interessiert." Die Sache habe eben mit dem alten Datum "etwas harmloser" ausgesehen.

Er hatte über den Scheindarlehensvertrag und über die Rückdatierung auch Wirtschaftsprüfer, die er selbst eingesetzt hatte, im Unklaren gelassen. Sogar Eingangsvermerke waren gefälscht worden.

Obwohl die Wiesbadener Staatsanwaltschaft ausdrücklich die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen Koch abgelehnt hatte, könnte in dem Prozess eine Rolle spielen, wann der Regierungschef von dem Schwarzgeldsystem seiner Partei Kenntnis hatte. Nach seiner Darstellung war das erst am 21. Dezember 1999.

Seine engsten Vertrauten hatten aber schon Anfang Dezember davon erfahren. Bis heute ist nur schwer nachvollziehbar, dass die Getreuen ihren Chef nicht informiert haben. Als Koch behauptete, von nichts zu wissen, stückelte sein damaliger CDU-Generalsekretär Helmut Müller noch eine geheime Spende des Süßwarenherstellers Ferrero in viele kleine Privatspenden.

Auch Kochs enger Freund, Staatskanzleichef Franz Josef Jung, musste gehen, weil er von der Sache wusste.

Die Opposition im hessischen Landtag hofft, dass im Prozess einer der Angeklagten Koch belasten könnte. Vielleicht habe der heutige Ministerpräsident Koch doch von den Auslandsmillionen gewusst. Jetzt werde sich zeigen, ob Kanther bei seiner Version bleibe, dass Koch nicht eingeweiht gewesen sei, sagt Reinhard Kahl, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD im Hessischen Landtag.

Selbst wenn Koch, was er vehement bestreitet, von dem "Honigtopf im Süden" (Weyrauch) wusste: Ist es überhaupt vorstellbar, dass der Parteisoldat Kanther auspackt? Koch soll im Spätherbst vor Gericht als Zeuge aussagen.

Vor den Untersuchungsausschüssen in Wiesbaden und Berlin hatte er sich geweigert, seine Aussagen unter Eid zu beschwören.

Bauernopfer Franz Josef Jung, enger Vertrauter des Ministerpräsidenten, ist übrigens längst wieder als neuer CDU-Fraktionschef zurück im Landtag.

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