Schwarz-gelbe Koalition in der Krise:Ronald Pofalla, der Chaosamtsminister

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Was tut dieser Mann? Eigentlich soll Kanzleramtsminister Ronald Pofalla die Koalitionspartner besänftigen, Streit schlichten, die Länder auf Linie bringen. Macht er aber nicht. Stattdessen befeuert der ehemalige CDU-Generalsekretär den Zwist zwischen Union und FDP noch - und wird immer mehr zur Belastung für die Koalition. Warum Kanzlerin Merkel dennoch an ihm festhält.

Thorsten Denkler, Berlin

Ronald Pofalla sollte wissen, wie Ertrinkende zu retten sind. Er hat mit 16 Jahren seinen Rettungsschwimmer der DLRG gemacht und war danach einige Zeit im Hallenbad seiner Heimatstadt Weeze im Einsatz.

Die Bundeskanzlerin schätzt seine Loyalität: Angela Merkel unterhält sich während einer Bundestagsdebatte mit Kanzleramtsminister Ronald Pofalla. (Foto: dpa)

Inzwischen hat er dafür keine Zeit mehr. Pofalla ist Kanzleramtsminister der schwarz-gelben, sogenannten Wunschkoalition. Einer Regierung, die kurz vor dem Ertrinken ist. Pofalla, der von der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft geprüfte Rettungsschwimmer, müsste dafür genau der richtige Mann sein. Doch nicht wenige finden, er verhalte sich eher wie ein Betonklotz am Bein des Notleidenden.

Zugegeben, er hängt da nicht alleine. Kaum eine Spitzenfrau, kaum ein Spitzenmann in der Regierung, der nicht seinen Teil zum Misslingen dieser Koalition beitragen würde. Es wäre jedoch Pofallas Job gewesen, sie genau davon abzuhalten.

Überparteilichkeit ist unabdingbar

Die Stellenbeschreibung des Chefs des Bundeskanzleramts lautet: Mehrheiten organisieren, die Länder auf Linie bringen, Streit schlichten, Kompromisse finden und die Koalition in möglichst gutem Licht dastehen lassen. Gemessen daran versagt Pofalla seit seinem Amtsantritt auf der ganzen Linie.

Kaum eine Bundesregierung zuvor ist in der Wählergunst so schnell so massiv abgerutscht. Kaum eine zuvor hat so viel versprochen und so wenig gehalten. Zwei Jahre nach dem Start von Schwarz-Gelb ist ein Projekt so gut wie tot, das nie so richtig mit Leben gefüllt wurde. Der Kanzleramtsminister spielt dabei eine zentrale Rolle.

Für seinen Job ist eine gewisse Überparteilichkeit unabdingbar. Pofalla muss drei Parteien bei Laune halten: CDU, CSU und FDP. Vor allem in der FDP aber ist der Unmut über Pofalla groß. Die Liberalen erleben ihn als treuen Vasallen der Kanzlerin. Er hat Angela Merkel zuvor schon als Generalsekretär gedient. Dabei hat er nicht Ausgleich, sondern Angriff gelernt. Und noch heute haben manche den Eindruck, er sei mehr Merkels General, mehr Parteipolitker, als Advokat der gemeinsamen Sache.

Weit hinter Steinmeier und Steinbrück

Hauptsache, Merkel und die CDU stehen bei allem Streit noch halbwegs gut da. Bisher hat er das ganz passabel hinbekommen. Zu Beginn von Schwarz-Gelb schienen die CDU und die Kanzlerin der ruhende Pol zu sein zwischen zwei Koalitionspartnern, die sich bis aufs Messer bekriegten: FDP-Chef Guido Westerwelle auf der einen, CSU-Chef Horst Seehofer auf der anderen Seite.

Schon das sollte ein Kanzleramtsminister nicht zulassen. Inzwischen aber verliert selbst die Kanzlerin an Ansehen. In der Beliebtheitsskala der führenden Politiker liegt die einstige Umfragekönigin auf einem enttäuschenden mittleren Rang. Weit vor ihr liegen die möglichen Kontrahenten von der SPD, Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück.

Wenn sich Pofalla um eine Angelegenheit kümmern soll, wird das als Drohung empfunden. Nach der Einigung über die Verlängerung der Anti-Terror-Gesetze zwischen Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger wurde die FDP-Vizechefin nicht müde zu betonen, dass sie den Kompromiss ohne Hilfe eines "Vermittlers" gefunden hätten.

Wie chaotisch Pofalla zuweilen agiert, zeigte sich jüngst im Fall der angeblich verschwundenen Baupläne für den Neubau des Bundesnachrichtendienstes (BND) in Berlin. Am vergangenen Montag hat der Focus darüber erstmals berichtet. Am Freitag zuvor hatte das Kanzleramt schon den Obmann der SPD im Parlamentarischen Kontrollgremium für die Geheimdienste, Thomas Oppermann, grob über die anstehende Berichterstattung unterrichtet.

Pofalla ist qua Amt auch Geheimdienstkoordinator der Bundesregierung. Bis zum Tag der Veröffentlichung aber war es ihm offenbar nicht möglich, die Sache intern auch nur ansatzweise aufzuklären. In der Bundespressekonferenz am Montag hatte Regierungssprecher Steffen Seibert die Sache noch als "sehr ernst" eingestuft. Inzwischen aber scheint sich herauszustellen, dass sicherheitsrelevante Bereiche nicht betroffen sind.

Die ganze Angelegenheit scheint nur eine Peinlichkeit zu sein, mehr nicht. Pofalla war offenbar nicht in der Lage, das frühzeitig zu erkennen.

Liebäugeln mit Schwarz-Grün

Völlig aus dem Ruder gelaufen ist auch die Debatte um mögliche Steuersenkungen. Nach einer informellen Einigung zwischen Merkel und FDP-Chef Philipp Rösler hat offenbar niemand mit den Ministerpräsidenten der CDU gesprochen. Die haben umgehend interveniert. "Irre" sei die ganze Debatte, konstatierte Thüringens Landesmutter Christine Lieberknecht.

Dem früheren CSU-Chef Erwin Huber fehlt in der Steuerpolitik die "ordnende Hand". Er vermisse in einer solchen Situation Kanzleramtsminister Pofalla, sagte er der Nachrichtenagentur dapd. Huber dürfte da nicht der Einzige sein.

Als Koordinator und Vermittler gilt Pofalla in den Koalitionsfraktionen als Totalausfall. Den Job hat de facto der für seine ausgleichende Art bekannte Unions-Fraktionsgeschäftsführer Peter Altmeier übernommen. Wenn noch Kompromisse zustande kommen in der Koalition, dann hat Altmaier sie auf den Weg gebracht.

Pofalla aber könnte ganz anderes im Sinn haben, als Schwarz-Gelb zum Erfolg zu führen. Er ist ein Anhänger schwarz-grüner Gedankenspiele, war Mitte der neunziger Jahre Teil jener Pizza-Connection, in der sich Grüne und Schwarze näher gekommen sind. Es braucht nicht viel um festzustellen, dass mit der FDP kaum noch ein Staat zu machen ist. Fraglich, ob sie 2013 überhaupt wieder ins Parlament kommt.

Ein weiterer Grund, Pofalla zu misstrauen

Pofalla hat zumindest keine erkennbaren Hemmungen, die Interessen des Koalitionspartners zugunsten der Grünen zu übergehen. Als Pofalla und die Chefs der 16 Staatskanzleien die Ausgestaltung des Atomausstieges vorbereiteten, da schlug der Grüne Klaus-Peter Murawski aus Baden-Württemberg einen festen Stufenplan für die Abschaltung der verbliebenen Atmmeiler vor. Pofalla ließ sich sofort darauf ein. Dass die FDP verbindliche Abschaltdaten auf jeden Fall vermeiden wollte, störte ihn offenbar nicht. Der Deal wurde Rösler als weitere Schlappe angeheftet. Die Liberalen hatten einen Grund mehr, Pofalla zu misstrauen.

Es gab schon vor Pofalla umstrittene Kanzleramtsminister. Bodo Hombach etwa, der unter Gerhard Schröder diente, dem aber wohl zu häufig das nötige Wissen fehlte, um Fallstricke rechtzeitig zu erkennen. Das anfängliche rot-grüne Chaos war auch sein Verdienst. Schröder zog schnell die Notbremse und holte Frank-Walter Steinmeier, der sich später als Architekt der Agenda 2010 profilierte.

Merkel aber wird wohl an Pofalla festhalten. Loyalität ist ihr das Wichtigste. Und davon hat der Rettungsschwimmer mehr als genug.

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