Schwarz-gelbe Koalition:CSU plant Konkurrenz-Pflegereform

Kurz bevor FDP-Gesundheitsminister Bahr seine Reform der Pflegeversicherung vorstellen will, schießt Bayerns Ministerpräsident Seehofer quer. Die CSU hat offenbar eigene Pläne. Seehofer will die Hilfen für Behinderte, Demenzkranke und schwere Pflegefälle zusammenfassen. Der Koalition in Berlin droht ein neuer Zankapfel.

Guido Bohsem

Die bayerische Landesregierung arbeitet an einem eigenen Reformkonzept für die Pflegeversicherung. Die Pläne laufen auf den Aufbau eines neuen Zweigs der Sozialversicherung hinaus. Darin sollen die Leistungen für Behinderte, Demenzkranke und besonders schwere Pflegefälle zusammengefasst werden. Das geht aus einem Arbeitspapier des Landes-Sozialministeriums hervor, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Die Vorschläge stehen in direkter Konkurrenz zu den Plänen von Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP), der in wenigen Tagen seine Vorstellungen zur Reform einer Pflegeversicherung vorlegen möchte.

Ministerpraesident Seehofer fordert entschlossenes Vorgehen gegen Terrorismus

Mit eigenen Vorschlägen zur Reform der Pflegeversicherung macht Horst Seehofer Gesundheitsminister Daniel Bahr innerhalb des Regierungslagers Konkurrenz.

(Foto: dapd)

Damit droht die koalitionsinterne Auseinandersetzung um die Pflegeversicherung zu einem ähnlichen Zankapfel zu werden wie die Gesundheitsreform im vergangenen Jahr. Damals hatten sich insbesondere FDP und CSU einen wochenlangen Schlagabtausch geliefert, in dem man sich schließlich gegenseitig als "Gurkentruppe" und "Wildsäue" beschimpfte. In der Berliner Koalition reagierte man deshalb verärgert über die Planspiele aus München. Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer wolle damit die geplante Pflegereform torpedieren, hieß es.

In dem elfseitigen Konzept schlagen die Beamten von Ministerin Christine Haderthauer (CSU) ein "Bundesleistungsgesetz" vor. Darin sollen alle staatlichen Hilfsangebote gebündelt und ausgebaut werden, die Behinderten, Demenzkranken und schwerstpflegebedürftigen Härtefällen zugute kommen. Für Demenzkranke sieht der Vorschlag eine abgestufte Betreuung vor, die sich am Grad der Erkrankung orientiert.

Leistungen sollen mit Steuern finanziert werden

Im Gegensatz zur Pflegeversicherung soll das Leistungsgesetz nicht durch weitere Sozialabgaben oder Beiträge finanziert werden, sondern aus Steuermitteln auf Bundesebene. Derzeit sind die sogenannten Eingliederungshilfen für behinderte Menschen aber Aufgabe der Kommunen. Auf den Haushalt von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) kämen alleine dadurch Mehrausgaben von zwölf Milliarden Euro im Jahr zu. Eine solche Summe würde die Sparpläne Schäubles gefährden, weshalb mit den Kommunen über einen Ausgleich verhandelt werden müsste. Die für die Betreuung der Demenzkranken notwendigen Finanzmittel werden nicht beziffert, sie dürften aber deutlich über einer weiteren Viertelmilliarde Euro im Jahr liegen. Um für die Zeit gewappnet zu sein, in der die Babyboomer in das Demenzrisiko rutschen, schlagen Haderthauers Beamte die Einrichtung eines Zukunftsfonds aus Steuermitteln vor, was zusätzliche Kosten verursacht.

Weil die Anforderungen an die Betreuung der Demenzkranken von der Pflegeversicherung nicht erfüllt werden könnten, "sollten sie im Bundesleistungsgesetz gesondert geregelt werden", heißt es. "Die Betreuungsleistungen werden nach bestimmten Stufen der Demenz festgesetzt." Der Vorteil dieses Vorgehens: Durch die Aufnahme von Demenzkranken in ein Bundesleistungsgesetz würden Pflegeversicherung und Beitragszahler sowie die Kommunen entlastet. Zudem sei eine bessere Betreuung der Betroffenen möglich, falls die von der Koalition angestrebte Neufassung des Pflegebegriffs nicht erfolge, mit dem Demenzkranke besser gestellt werden sollen.

Leistungen könnten zu mehr Verwaltungsaufwand führen

Haderthauers Beamte zählen in dem Papier auch die Nachteile eines Bundesleistungsgesetzes auf. So könne eine Neuregelung zu weiteren Verwaltungsaufwand führen und eine höhere Komplexität für den Bürger mit sich bringen. Falls - wie bei der Eingliederungshilfe für Behinderte der Fall - die Hilfen für Demenzkranke nur unter Anrechnung von Einkommen und Vermögen gewährt würden, könne dies von ihnen als Verschlechterung der bisherigen Situation interpretiert werden. Damit werde "die politische Glaubwürdigkeit in Frage gestellt". Umgekehrt könnten sich Menschen mit körperlichen Gebrechen benachteiligt fühlen: Während sie nur Teilkaskoleistungen der Pflegeversicherung erhalten, erhielten Demenzkranke in bestimmten Fällen bedarfsorientierte Leistungen.

In Kreisen der Koalition hieß es zu dem Papier, die aufgelisteten Gegenargumente sprächen für sich. "Seehofers Vorschlag ist eine Finte."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: