Schwarz-Gelb zankt über Griechenland:FDP und CSU torpedieren Merkels Euro-Kurs

Die Euro-Krise spaltet die Koalition: Vizekanzler Rösler denkt über einen Euro ohne Griechenland nach und weiß selbst die CSU auf ähnlicher Linie. Die Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel ist alarmiert. Sie lässt ihre Büchsenspanner ausschwärmen - und dagegenhalten.

Oliver Das Gupta

In den Reihen der schwarz-gelben Bundesregierung hat sich ein Streit entzündet über eine mögliche Staatspleite Griechenlands oder den Ausschluss des Landes aus der Euro-Zone. Der Konflikt verläuft nicht, wie so oft in der Vergangenheit, zwischen der FDP und der CSU - diesmal haben Liberale und Christsoziale dieselbe Grundausrichtung und setzen sich damit vom Kurs der Bundeskanzlerin Angela Merkel ab.

Bundestag

Gedankenspiele zur Euro-Rettung, die nicht allen gefallen: Koalitionspartner Merkel und Rösler im Bundestag

(Foto: dpa)

Forciert hat die Debatte ausgerechnet Merkels Vizekanzler Philipp Rösler: Der FDP-Vorsitzende und Wirtschaftsminister will eine geordnete Insolvenz Griechenlands zur Rettung des angeschlagenen Euro nicht mehr ausschließen. "Um den Euro zu stabilisieren, darf es auch kurzfristig keine Denkverbote mehr geben", schreibt Rösler in einem Gastbeitrag für die Welt. FDP-Generalsekretär Christian Lindner sekundiert: Falls die Griechen ihre Sparziele verfehlten, müssten sie selbst entscheiden, ob sie im Euro verbleiben wollen. Er fügt hinzu, dass es dabei um Szenarien gehe, "die man nicht mehr ausschließen kann, aber auf die wir nicht hinarbeiten".

Christian Lindners Parteifreund Martin Lindner haut in die gleiche Kerbe: Im Gespräch mit sueddeutsche.de erklärt der stellvertretende FDP-Fraktionschef und wirtschaftspolitische Sprecher, was Griechenland seiner Ansicht bevorsteht, falls es die vereinbarten Sanierungsauflagen nicht erfüllt: "eine staatliche Insolvenz und das Ausscheiden der Hellenischen Republik aus der gemeinsamen Währung". Alles andere wäre nicht zumutbar, sagt Lindner, weder für die Glaubwürdigkeit der Troika, die Gläubiger- sowie die übrigen Schuldnerstaaten - und "vor allem für den deutschen Steuerzahler".

Fordernde Solidarität

Ähnlich sieht man das in München: Die CSU fordert, hochverschuldete EU-Staaten notfalls aus der Eurozone auszuschließen. Der Parteivorstand hat an diesem Montag einen entsprechenden Leitantrag für den CSU-Parteitag Anfang Oktober beschloßen. Es habe keine Gegenstimmen gegeben, verlautete aus Teilnehmerkreisen. Überschuldete Staaten sollten damit rechnen, die Währungsunion verlassen zu müssen, heißt es in dem Papier. Parteichef Horst Seehofer lässt keinen Zweifel daran, dass dies aus seiner Sicht auch für Griechenland gilt: "Wenn es die Griechen trotz aller Anstrengung nicht schaffen, darf man auch diese Überlegung nicht ausschließen".

Es gelte nun, die durch die Hilfspakete "gekaufte Zeit" zu nutzen, um "die Märkte auf eine solches Szenario vorzubereiten", sagte der CSU-Abgeordnete Georg Nüßlein im Gespräch mit sueddeutsche.de. Ein "überzogenes Europapathos" verstelle hingegen nur den Blick. Wirtschaftsexperte Nüßlein meint, es sei richtig, offen über Griechenland zu diskutieren, und pflichtet damit FDP-Chef Rösler bei.

Auf machtpolitischer Ebene ist die Positionierung von FDP und CSU bemerkenswert: Seehofer und Rösler scheinen auf einer Linie zu sein - dabei flogen gerade zwischen diesen Parteien in den vergangenen zwei Jahren schwarz-gelber Koalition die Fetzen.

Die Einigkeit beim Thema Euro-Rettung bringt Angela Merkel in Nöte - sie konnte bisher stets zwischen den Streithähnen moderieren und lavieren: Die Bundeskanzlerin hat sich schließlich bei der Haushaltsdebatte vor wenigen Tagen als Euro-Bewahrerin in Szene gesetzt: "Scheitert der Euro, scheitert Europa", postulierte Merkel und wirkte dabei so leidenschaftlich, wie man sie selten erlebt hat. Die Regierung habe die Verpflichtung, künftigen Generationen ein "intaktes Europa" zu übergeben, rief die Kanzlerin. Es sollte ein starkes Statement pro Euro sein, das deutsche Bekenntnis zu fordernder Solidarität, ein Signal aus Berlin an den Rest des Kontinents.

"Griechen nicht pleite reden"

Rösler und Seehofer scheint das wenig zu beeindrucken: Durch ihr gemeinsames Vorpreschen nehmen sie die Kanzlerin und CDU-Chefin in die Zange. Die lässt ihre Büchsenspanner sofort ausschwärmen und dagegenhalten: Unionsfraktionschef Volker Kauder bekräftigt, dass ein Ausschluss Griechenlands aus der Währungsunion rechtlich nicht möglich sei. "Deshalb sollten wir das diskutieren, was möglich ist", mahnt der CDU-Politiker in der ARD.

Merkels Statthalter in der Parteizentrale, CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe, stellt sich demonstrativ gegen Röslers Position: "Wir müssen die Griechen fordern, dürfen sie aber nicht pleitereden", sagte Gröhe der Nachrichtenagentur Reuters.

"Verwirrung und Durcheinander"

Ähnlich scharf klingt die Kritik von Peter Altmaier, einem weiteren Christdemokraten, der Merkel sehr nahesteht: Es müsse nun durchgesetzt werden, dass Griechenland die Bedingungen erfülle und die nächste Hilfs-Tranche bekomme, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion in der ARD. "Alle anderen Spekulationen sind kontraproduktiv und gefährlich" - eine Spitze gegen Rösler, die Altmaier noch ergänzt: "Ich bin besorgt wegen manchem Interview und mancher öffentlicher Äußerung, auch von Verantwortlichen, in diesen Tagen. Ich glaube, dass man damit auch Konsequenzen auslöst, die man eigentlich verhindern möchte", warnt Altmaier. Das bezieht er offenbar auch auf die Szenarien zu einer Insolvenz Griechenlands, die angeblich im Bundesfinanzministerium durchgerechnet werden.

Michael Meister, Vizevorsitzender der Unionsfraktion, keilt ebenfalls gegen Gedankenspiele über einen Euro-Ausstieg Griechenlands. Es helfe nicht, "wenn wir über Insolvenzen oder den Ausschluss Griechenlands spekulieren", sagt CDU-Mann Meister dem Sender n-tv. Sein Parteifreund Joachim Pfeiffer, wirtschaftspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, sagt zu sueddeutsche.de: Im Falle Griechenlands werde es "eine Lösung innerhalb des Euros geben." Pfeiffer wendet sich gegen eine Debatte, die "Verwirrung und Durcheinander" stiftet. "Unser politisches Ziel muss sein: ein Euro, der nach innen und außen stabil ist". Man dürfe nie vergessen, dass Deutschland einer der größten Profiteure der Gemeinschaftswährung sei, sagt CDU-Mann Pfeiffer.

Merkel selbst schweigt bislang, allerdings redet Regierungssprecher Steffen Seibert zur Causa Griechenland: "Die Bundesregierung geht davon aus, dass Griechenland alles tut, um seine Auflagen zu erfüllen". Allein der kommende Bericht der Troika-Mission von EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds bilde die Grundlage für das weitere Vorgehen, so Seibert. Ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums erklärte, Griechenland solle in der Eurozone bleiben. Auch die Frage einer Insolvenz stelle sich derzeit nicht. Für einen solchen Fall gebe es momentan keine "Instrumente".

Aufsehen erregt der Redebeitrag von Werner Hoyer. Der Staatsminister im Auswärtigen Amt ist FDP-Mitglied - und geht auf Distanz Röslers Äußerungen. "Die Gefahr, dass es Dominoeffekte gibt, ist einfach zu groß. Behutsamkeit auch in der Wortwahl ist hier angesagt", mahnt Hoyer in Richtung seines Parteichefs. Da es kein bewährtes Instrument für die geordnete Insolvenz eines Euro-Staats gebe, dürfe man mit dem Thema nicht herumspielen.

Von Hoyers Amtschef, dem Außenminister Guido Westerwelle, hört man an diesem Tag vieles zum Nahost-Konflikt, aber nichts zum Thema Euro und Europa - vermutlich will sich der angezählte Ex-FDP-Chef schlichtweg raushalten.

Dafür meldet sich ein namhafter Liberaler zu Wort: Rainer Brüderle. Der Fraktionschef gilt neben Parteichef Rösler und Generalsekretär Lindner als der dritte starke Mann in der FDP - als früherer Wirtschaftsminister hat sein Wort Gewicht. Auch er lässt die mögliche Rückkehr Griechenlands zur Drachme anklingen: Wenn die Troika von EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) feststelle, dass es keine Fortschritte Griechenlands bei den Reformen gebe, werde es keine weitere Tranche aus dem EU-Hilfspaket geben, sagte Brüderle.

Die Griechen müssten dann selbst entscheiden, welchen Weg sie gehen wollten. "Die Frage, ob sie das mit einem Schnitt beantworten oder ob sie einen anderen Weg gehen, ist die Entscheidung des souveränen griechischen Staates," sagt der Freidemokrat. Für Deutschland sei klar: "Wenn die Zusagen erneut nicht eingehalten sind - irgendwo ist dann auch ein Endpunkt erreicht."

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