Schwarz-Gelb streitet über Steuerreform:Seehofer greift Merkel an

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Das war keine Panne, das war Kalkül: CSU-Chef Horst Seehofer glaubt, beim Steuerkonzept von CDU und FDP bewusst übergangen worden zu sein. Auch nach einer Aussprache mit den Koalitionspartnern bleibt der Groll: Seehofer spricht von einem "schweren Fehler", der das Verhältnis "völlig unnötig schwer belastet" habe.

Stefan Braun und Nico Fried, Berlin

Auch nach einer Aussprache im engsten Führungskreis von Union und FDP belastet der Streit um die Steuerreform die schwarz-gelbe Koalition. Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer hielt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Kanzleramtsminister Ronald Pofalla am Sonntag vor, ihn und seine Partei bei der Präsentation einer Steuererleichterung in der vergangenen Woche bewusst übergangen zu haben.

CSU-Chef Horst Seehofer fühlt sich von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit Absicht übergangen. (Foto: dapd)

"Das war keine Panne", sagte Seehofer der Süddeutschen Zeitung. "Die Bayern werden das schon schlucken - das war das Kalkül. Und das war grob falsch."

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) hatten am Donnerstag in einer gemeinsamen Pressekonferenz Pläne für eine Steuerreform vorgestellt, mit der durch eine Abschwächung der sogenannten kalten Progression ein Entlastungsvolumen zwischen sechs und sieben Milliarden Euro erzielt werden soll.

Seehofer war über diese Präsentation vorab von Merkel und Pofalla informiert worden, hatte dem Vorhaben aber nach eigenen Angaben klar widersprochen.

Aus seiner Sicht, so Seehofer zur SZ, gab es "überhaupt keinen vernünftigen Grund, am Tag vor dem Koalitionsausschuss gegen den erklärten Willen eines Koalitionspartners ein Steuerreformkonzept in der Öffentlichkeit zu präsentieren". Dennoch war die Pressekonferenz nicht abgesagt worden. Dies sei "ein schwerer Fehler" gewesen, sagte Seehofer.

Das Kanzleramt habe damit "das Verhältnis zwischen den Koalitionspartnern völlig unnötig schwer belastet. Das gehört ganz sicher nicht zu den Kernaufgaben einer Regierung und muss abgestellt werden".

Der Streit war in der Sitzung der Koalitionsführung am Freitag offenbar nicht beigelegt worden. FDP-Chef Rösler berichtete in der Bild am Sonntag, die Kanzlerin habe "die Missverständnisse in der Abstimmung mit Horst Seehofer auf ihre Kappe genommen". Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung wiederum zitierte aus dem Umfeld der Kanzlerin, es habe keine Panne gegeben und Merkel habe sich nicht entschuldigt.

In der Sache wurde am Freitag beschlossen, nun mehrere Modelle für eine Steuerentlastung zu prüfen. Am 6. November treffen sich die Spitzen der Koalition erneut. Dann sollen auch die CDU-Ministerpräsidenten mit beraten. Seehofer kündigte an, er werde keinen Plan zu einer Steuerentlastung mittragen, "bei dem wir im Grunde von Anfang an wissen, dass wir keine Mehrheit haben".

"Ein richtiger und guter Vorschlag"

Eine Entlastung bei der Einkommensteuer, wie sie Schäuble und Rösler vorgestellt hatten, wird damit immer unwahrscheinlicher, weil sie der Zustimmung des Bundesrates bedürfte. Die von der SPD regierten Länder ebenso wie mehrere CDU-Ministerpräsidenten lehnen eine solche Reform jedoch bislang strikt ab.

Alternativ könnte der Solidaritätszuschlag gesenkt werden, weil dies der Bundestag alleine entscheiden kann. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle zeigte sich offen für diese Variante: "Ob die Entlastung über die kalte Progression oder den Soli erfolgt, ist für die Menschen nicht entscheidend", sagte Brüderle dem Handelsblatt. Merkel selbst sagte, "kein Modell" sei vom Tisch.

Das Ziel sei weiter, kleinere und mittlere Einkommen "wo immer möglich zu entlasten". Die Idee, dies über eine Änderung der kalten Progression zu tun, sei "ein richtiger und guter Vorschlag".

© SZ vom 24.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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