Schwarz-Gelb einigt sich auf Steuersenkungen:Für jeden ein bisschen

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Es ist ein bescheidenes Paket, das Schwarz-Gelb nach langer Verhandlung geschnürt und zur besten Sendezeit verkündet hat. Im Zentrum stehen Änderungen in einem Steuersystem, das so kompliziert ist, dass selbst Angela Merkel bei ihrer Erklärung ins Straucheln kommt. Die kleinen Partner, CSU und FDP, freuen sich über Punktsiege, doch auch sie wissen: Ein fulminanter Neustart einer gebeutelten Koalition sieht anders aus.

Nico Fried, Berlin

Das Steuersystem, das Angela Merkel am Sonntagabend erklärt, ist so kompliziert, dass auch die Kanzlerin selbst irgendwann durcheinander kommt. Deshalb nimmt Merkel auch noch die Hände zu Hilfe, was aussieht wie eine Karateübung für Anfänger, weil sie mit geraden und geknickten Handflächen versucht, Grundfreibeträge, Progressionen und Inflationsraten in ein Verhältnis zu setzen. Es geht darum, wie die Steuerzahler künftig entlastet werden sollen, also durchaus ein Thema von Interesse. Weil sie weiß, dass niemand ihre Darlegung verstehen konnte, schaut Merkel nun ein wenig verdrießlich.

Hätte sie sich mal lieber rausgehalten. Schön gleichmäßig hatten die drei Parteivorsitzenden eigentlich die Beschlüsse des Koalitionsausschusses verteilt. Merkel verkündete zunächst in dem ihr eigenen, eher lapidaren Stolz, dass es "eine ganze Reihe von Ergebnissen" mitzuteilen gebe. Es gehe darum, das Wachstum in Deutschland zu stärken, weil die Wirtschaftsaussichten insgesamt "nicht nur gut" seien. Jeder der beiden Kleinen, also Philipp Rösler (FDP) und Horst Seehofer (CSU), durfte dann zu dem Thema sprechen, das ihm besonders wichtig ist.

Man muss dazu wissen, dass dieser Koalitionsausschuss unter hohem Druck zur Einigung stand. Zum einen, weil Union und FDP nicht weiter den Eindruck nähren wollten, die Euro-Krise hemme die innenpolitische Regierungsfähigkeit. Zum anderen, weil der noch fatalere Eindruck zu bekämpfen war, für Pleitestaaten sei Geld da, nicht aber für die eigenen Bürger, von der schwindenden Zahl eigener Wähler ganz zu schweigen. Merkel nutzte ihre Eingangsworte dazu, "mal den Bürgern zu danken, dass sie Einbußen hingenommen haben".

Nun also hat man sich verständigt, bei den Steuern "den Menschen zurückzugeben, was ihnen durch die Inflation ungerechterweise weggenommen wird", wie Merkel es formulierte, als ihr noch einfachere Sätze gelangen. Sie meinte damit offenbar das, was gemeinhin kalte Progression genannt wird. Das Gesamtvolumen der Entlastung für die Jahre 2013 und 2014 soll bei sechs Milliarden Euro liegen, die ersten zwei soll es 2013 geben, vier Milliarden dann im Jahr darauf.

Bund trägt zwei Drittel der Entlastung

Die Systematik geht so: Der Grundfreibetrag steigt, was an einer verfassungsrechtlich gebotenen Anpassung des Existenzminimums liegt. Wenn nun die Steuerkurve nicht noch steiler ansteigen soll, so muss sich der gesamte Tarifverlauf nach rechts verschieben. Dieser Verschiebung muss der Bundesrat zustimmen. Die Koalition glaubt, den Druck auf die Länder mit dem Argument erhöhen zu können, dass bei einer Nichtanpassung die kalte Progression gerade bei unteren und mittleren Einkommen noch härter zuschlägt.

Ein zweites Argument ist gerade für die renitenten Ministerpräsidenten leicht zu verstehen: Die Gesamtkosten für die Entlastung sollen nicht geteilt werden. Vielmehr übernimmt der Bund zwei Drittel, den Ländern bliebe ein Drittel. Macht eine Ersparnis von einer Milliarde für die Länder. "Dafür", sagt Horst Seehofer ausdrücklich als Ministerpräsident, "habe sich die öffentliche Diskussion gelohnt, die er ja selbst losgetreten hatte, indem er genau das System ablehnte, dem er nun wieder zustimmt.

Weitere Gelder für Betreuung, Pflege und Verkehrsinfrastruktur

Mit solchen Fragen aber hält sich Seehofer nicht weiter auf. Er freut sich lieber über das Betreuungsgeld für Eltern, die ihre Kinder zuhause aufziehen. Es kommt in zwei Stufen bis 2014. Für Demenzkranke und ihre Angehörigen soll es künftig eine Milliarde Euro zusätzlich geben, die allerdings von den Versicherten selbst mit einer Beitragserhöhung bezahlt wird. Qualifizierte Fachkräfte erhalten künftig schon bei einem Einkommen von 48.000 Euro eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis. Und für die Verkehrsinfrastruktur steht ab 2013 eine Milliarde Euro zusätzlich bereit.

Warum dieses nicht gerade weltbewegende Paket nun eigentlich so schwer zu verfertigen war und so lange gedauert hat, bleibt offen an diesem Abend. Dafür aber lässt die Kanzlerin gar nicht erst den Eindruck aufkommen, nun werde wieder ein Neustart gefeiert, wie einst in einem Berliner Restaurant bei Tatar und Prosecco und mit eilends herbeigerufenen Fotografen. Sie habe lediglich, sagt Merkel, "noch zur Abstimmung einiger Texte und des Protokolls zu einem Glas Wein oder Wasser eingeladen". Man ist bescheiden geworden in der schwarz-gelben Koalition.

© SZ vom 07.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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