Schwans Wahlkampfhelfer:Im Dienste einer ehrgeizigen Frau

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Der junge Sozialdemokrat Thymian Bussemer steuert den Wahlkampf der Präsidentschafts-Kandidatin Gesine Schwan - unter anderem mit einer Internetkampagne.

M. F. Serrao

Nein, ein Fan ist Thymian Bussemer nicht. Der weißgrüne Schal des VfLWolfsburg liegt "nur so zur Erinnerung" neben seinem Schreibtisch, sagt er. Genau wie der Korb mit den Würsten und dem Ketchup aus der "Volkswagen Servicefactory".

Die Chancen von Gesine Schwans zweiter Kandidatur für das höchste Amt im Staate sind nicht besonders gut. (Foto: Foto: Reuters)

Im Oktober hat Bussemer sein Berater-Büro auf der Manageretage von Volkswagen geräumt. Nun arbeitet er auf zehn Quadratmetern im Berliner Willy-Brandt-Haus, der SPD-Zentrale, und schon vor seiner Tür erinnert ihn ein grimmiges Karl-Marx-Portrait daran, dass man dem Kapitalismus hier Grenzen setzen will.

Bussemer, 36, ist der neue Bürochef von Gesine Schwan, 65. Er soll mit einem kleinen Team dafür sorgen, dass die ehemalige Hochschulpräsidentin am 23. Mai 2009 zur Bundespräsidentin gewählt wird. Warum er sich das antut, haben ihn Freunde gefragt: weniger Geld, kein Dienstwagen, mehr Stress. Er lächelt. Das sei "automatisch" passiert. Wie bei einem Fan - aber das sagt er nicht.

Moderne Internetkampagne

Die Chancen von Gesine Schwans zweiter Kandidatur für das höchste Amt im Staate sind nicht rosig. In der Bundesversammlung gibt es eine schwarz-gelbe Mehrheit, daran dürfte die Hessenwahl am 18. Januar nichts ändern. Und Horst Köhler, der 2004 als turboliberaler Technokrat auf FDP-Ticket kritisiert wurde, ist heute einer von Deutschlands beliebtesten Politikern. Einer aktuellen Umfrage zufolge wünschen sich zwei von drei Bürgern eine zweite Amtszeit Köhlers.

Aussichtslos? "Quatsch", sagt Bussemer. Sein Team setze auf Unterstützer außerhalb der Parteien, eine moderne Internetkampagne und "stille Helden". Damit meint er Mitglieder der Bundesversammlung, die gegen ihre Parteilinie abstimmen. 2004 waren das mindestens zehn auf Schwans Seite. Damit es noch mehr werden, will die Kandidatin nun durch die Republik touren.

Neben Bussemer gehören zu Schwans Team zwei Referenten, eine Online-Redakteurin, eine Sekretärin und ein Fahrer. Von Dezember an ist auch Peter Ziegler dabei, zurzeit noch Sprecher im Bundesarbeitsministerium. "Der wird unseren Altersschnitt nach oben korrigieren", sagt Bussemer. Ziegler ist 51 Jahre alt, alle anderen deutlich unter 40.

Bei einer Zigarettenpause diskutieren die unter 40-Jährigen, was sie da eigentlich machen. "Keinen Wahlkampf", sagt Online-Redakteurin Tatjana Brode. Die anderen nicken. "Eher eine kleine Kampagne." Man betreibe ja kein "negative campaigning" gegen Köhler und "den anderen" von der Linkspartei, Peter Sodann.

Schwans Team arbeitet je zur Hälfte in der SPD-Zentrale und in der von Schwan gegründeten Humboldt-Viadrina School of Governance. Bussemer betont, dass die Räume in der Schule "selbstverständlich" angemietet seien. Auch die Sekretärin werde von der SPD bezahlt. "Das hat auch etwas mit politischer Hygiene zu tun."

Die Ratiopharm-Affäre

Bei solchen Sätzen schwingt die Erinnerung an die Ratiopharm-Geschichte vom Sommer 2007 mit. Damals hatte Gesine Schwan dem Pharmakonzern in einem Brief Unterstützung bei dem Versuch angeboten, Glaubwürdigkeit zu erlangen.

"Entscheidend beitragen" könne eine Spende mit einem "nennenswerten Betrag" an ihre neue Governance-Schule. Die Aufregung war groß, Bussemer spricht von "missverständlichen Formulierungen". Das Ganze sei in der Woche ihrer Nominierung hochgekocht und "garantiert gesteuert" worden. Was er nicht sagt, was aber alle Beteiligten wissen: Eine zweite, ähnliche Sache würde sie wahrscheinlich aus dem Rennen werfen.

Schwan und Bussemer kennen sich seit 15 Jahren. Er ist, neben ihrem Mann, ihr engster Berater. Sie war damals seine Mentorin bei der Studienstiftung. Später, an der Uni, machte sie ihn zu ihrem Referenten. Im Gespräch nennt Schwan ihn "ein Geschenk". Sie schwärmt von "seiner Klugheit, seinem Mut, seinen Kommunikationsfähigkeiten, seinem riesigen Netzwerk". Ihre Mails an Bussemer unterzeichnet sie mit "Deine G."

Das mit dem Netzwerk stimmt. Bussemer ist SPD-Mitglied, seit er 16 Jahre alt ist. Er hat bei Peter Glotz über "Propaganda" promoviert, für Matthias Machnig Reden geschrieben und spätestens seit dem Job bei VW einen guten Draht zu IG-Metall-Chef Berthold Huber.

Ein Denkermensch

Außerdem kennt er viele Journalisten, sogar die vom Boulevard, die seine Chefin eher selten trifft. "Bussemer? Das ist doch dieser Rotschopf", sagt Walter Mayer. "An den habe ich eine absolut positive Erinnerung. Das ist ein Denkermensch." Bussemer war mal Volontär beim Stadtmagazin Prinz; Mayer, heute Chefredakteur der Bild am Sonntag und einer von Deutschlands abgebrühtesten Boulevardjournalisten, war damals sein Chef.

Aktuell versucht Bussemers Team sich mit anderen Denkermenschen zu vernetzen. Online-Redakteurin Brode hat prominente Blogger zu einem "Workshop" am 3. Dezember eingeladen. Da solle es darum gehen, wie man die Kandidatin im Netz bekannt macht, erklärt sie. Sascha Lobo, Gründer der Seite "Riesenmaschine", habe schon zugesagt, ebenso Markus Beckedahl ("netzpolitik.org").

Ein weiterer kommt an diesem Tag mittags dazu: Erst hört man die Online-Redakteurin durch das Büro schreien, dann die Referentin. Man versteht nur "Mail" und "Motte", und wie sich herausstellt, hat Matthias Roeingh, bekannt als Dr. Motte von der Loveparade, Gesine Schwan angemailt. Es sei "schön", dass sie sich für die Demokratie und gegen den Überwachungsstaat einsetze, schreibt er. Und: "gebildette menschen sind kein problem!" Wenn das keine Werbung für eine Professorin ist.

© SZ vom 25.11.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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