Schulz kontra Merkel:Kampf um die Kanzlerschaft - Merkels weiter Weg zur Fröhlichkeit

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Trägt Verantwortung: CDU-Regierungschefin Angela Merkel.

(Foto: imago/Metodi Popow)

Das ganze Land starrt gebannt auf den Schulz-Hype. Und die Kanzlerin tut sich schwer, in den Wahlkampf zu finden. In der CDU fürchten manche, es könne bald zu spät sein.

Von Nico Fried

Jetzt spricht sie mal über die SPD. Recht ausführlich sogar. Aber ob das, was Angela Merkel da sagt, wirklich das ist, was die Leute hier hören wollen?

Landesvertreterversammlung der CDU Mecklenburg-Vorpommern in Stralsund. 140 Delegierte, Tag eins nach einer Umfrage, in der die SPD erstmals seit zehn Jahren wieder vor der Union liegt. Dauernd müssen sie in der CDU jetzt solche Meldungen über sich ergehen lassen, seit Martin Schulz Kanzlerkandidat geworden ist. Und was macht die Kanzlerin?

Sie reitet eine Attacke, das schon. Aber sie reitet nicht geradeaus, sondern erst dreimal um den Ponyhof. Merkel würdigt Gerhard Schröder und die Agenda 2010. "Einzigartige Erfolgsgeschichte", Arbeitslosigkeit gesunken, Zahl der Beschäftigten gestiegen. Fast fünf Minuten geht das so. Schließlich sagt sie mit Blick auf Schulz' Ankündigung, die Agenda noch einmal zu korrigieren: "Unablässig hadern die Sozialdemokraten mit der Vergangenheit. Wir gestalten die Zukunft." Fast erleichtert klingt der Applaus, als Merkel endlich die Pointe setzt. Jubelstürme hören sich anders an.

Vor drei Monaten hat Merkel entschieden, noch einmal anzutreten. Sieben sind es noch bis zur Bundestagswahl. Zu beobachten ist in diesen Tagen eine Kanzlerin, die noch nicht richtig einsteigen will in den Wahlkampf, weil sie findet, es sei noch zu früh - und doch einsteigen muss, damit ihre Partei nicht glaubt, bald sei es zu spät.

"Ich bin willens, fröhlich in den Wahlkampf zu gehen", hat Merkel vor zwei Wochen gesagt. Das war nach dem gemeinsamen Auftritt mit Horst Seehofer in München, dem sogenannten Versöhnungstreffen von CDU und CSU. Wenn Merkels schlechte Laune sich damals als Stickstoff verbreitet hätte, wäre die Luft zum Atmen knapp geworden. Mittlerweile wirkt Merkel wieder lebendiger, engagierter. Aber fröhlicher?

Noch ein langer Weg für Merkel

Es ist noch lange hin bis zur Wahl. Und für Merkel ist es noch ein weiter Weg. Das Land starrt gebannt auf den Schulz-Hype. Die Leute sollen glauben, sie habe die Ruhe weg. Womöglich stimmt das sogar. Merkel wirkt manchmal, als sei sie noch ganz woanders. Bei echten Problemen.

Der Mittwoch vergangener Woche. Die Kanzlerin hat ein paar Dutzend internationale Wissenschaftler zu Gast. Es geht um globale Gesundheitsfragen. Nach dem ersten Redner, einem Dänen, der über die Digitalisierung des Gesundheitssystems in seinem Land referiert, sagt Merkel, sie habe "zwei Fragen zum Verständnis". Am Ende stellt sie sechs Fragen. Und Nachfragen noch dazu. Sie will es ganz genau wissen.

Sie trägt Verantwortung, er ist Verheißung

Nach den nächsten Vorträgen geht es genau so weiter, Merkel spricht über "Aktionspläne", "Netzwerke" und die "Fachebene". Ihr Denken wirkt wie verhaftet in den politischen Prozessen des Amtes. Ihre Leidenschaft ist noch weit weg von der zugespitzten Verallgemeinerung eines Wahlkampfs. Sie klamüsert lieber komplizierte Zusammenhänge auseinander. Beim Thema Antibiotika-Resistenzen sagt sie, dass mehr Platz für aufwachsende Hühner einen geringeren Medikamenteneinsatz erforderlich mache, was zu Einsparungen in der Ernährungskette führe. "Dann ist schon viel gewonnen", so Merkel. Für die Kundgebung auf dem Marktplatz taugt das nicht. Sie will die Wahl gewinnen. Aber wenn Merkel verliert, war sie trotzdem zwölf Jahre Kanzlerin. Das hat ihr niemand zugetraut. Das kann ihr niemand nehmen. Nur darf sie das niemals ausstrahlen, denn es hilft nicht dem Abgeordneten, der um sein Mandat bangt, und nicht dem Ortsverein, der die Plakate kleben soll. Die Partei will sie kämpfen sehen, die Kanzlerin regiert erst einmal weiter. Sie würde wohl sagen, das sei ihre Art zu kämpfen.

Freitag vergangener Woche, Wirtschaftsrat Mecklenburg-Vorpommern. Merkel redet über die Digitalisierung. Eindringlich, leidenschaftlich, man kann es nicht anders nennen. Sie erklärt den Unternehmern, dass sie künftig einen engeren Umgang mit ihren Kunden haben müssten. Kinder sollten neben Lesen, Schreiben und Rechnen auch eine Programmiersprache lernen. Man wachse in das Gigabit-Zeitalter, Bildung, Landwirtschaft, der öffentliche Personennahverkehr und auch die Tele-Medizin, alle Bereiche seien betroffen. Dazu klopft sie mit dem Fingerknöchel immer lauter auf ihr Pult. Und redet immer schneller. Man könnte meinen, die Kanzlerin fürchte, dass ihr die Zeit davon läuft.

Weiter arbeiten. Das ist ihr Job. Es ist aber auch ihre Strategie gegen einen Kandidaten, der nicht im Kabinett sitzt, ja nicht einmal im Parlament. Sie kann nicht sieben Monate lang Wahlkampf machen. Er schon. Sie trägt Verantwortung, er ist nur Verheißung.

Neulich lief das Fernduell mal so, wie sie sich das vorstellt: Am Montag stellte der Wahlkämpfer Schulz vage eine Veränderung an der Agenda 2010 in Aussicht. Am Dienstag erhielt die Kanzlerin Merkel vom Peugeot-Chef die konkrete Zusage, dass sich für die Leute bei Opel nach einer Übernahme nichts ändern würde.

Dennoch finden manche in der CDU, man müsse Schulz jetzt schon härter anfassen. Seine Werte in den Umfragen machen ihnen Sorgen. Selbst ein Wolfgang Schäuble ließ die Gelassenheit vermissen, die er sich sonst gerne zuschreiben lässt, rückte den Wahlkämpfer Schulz in die Nähe von Donald Trump und erntete dafür sogar unter Freunden Kopfschütteln.

Von Steuersenkungen kein Wort

Wieder andere wollen selber was versprechen. So fordert Finanz-Staatssekretär Jens Spahn, den Milliardenüberschuss in Steuererleichterungen umzumünzen. Als Merkel am Donnerstag danach gefragt wird, spricht sie über Verteidigungsausgaben, über Hungersnöte "überall auf der Welt" und über Investitionen in die Infrastruktur. "Ich mache mir also keine Sorge, dass wir nicht wüssten, was wir Sinnvolles mit dem Geld tun können, das vielleicht vorhanden ist." Von Steuersenkungen kein Wort.

Zwei Tage später bei der CDU in Stralsund. Wieder geht es darum, wie man Geld ausgibt. Mehr für die Verteidigung, sagt Merkel. Kein Applaus. Mehr zur Bekämpfung von Fluchtursachen. Kein Applaus. Dann sagt Merkel: "Wir müssen die mittleren Einkommen in gewisser Weise entlasten." Applaus.

Merkel nähert sich dem Wahlkampf. In gewisser Weise.

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