Schulen:Massive Gewalt gegen Lehrer

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Mobbing, Drohungen, körperliche Angriffe: An beinahe jeder zweiten deutschen Schule werden Pädagogen bedrängt. Und womöglich sind die Zahlen noch erschreckender.

Von Paul Munzinger, München

Lehrer sind in den vergangenen fünf Jahren an fast jeder zweiten Schule Opfer von Gewalt geworden. Das geht aus einer am Mittwoch veröffentlichten Forsa-Umfrage unter Schulleitern hervor, die die Lehrergewerkschaft Verband Bildung und Erziehung (VBE) in Auftrag gegeben hatte. Demnach gab es an 48 Prozent der Schulen Fälle von Lehrern, die beschimpft, bedroht oder gemobbt wurden. An jeder fünften Schule wurden Pädagogen im Internet diffamiert oder belästigt. Körperliche Angriffe gab es an jeder vierten Schule, in Nordrhein-Westfalen sogar an jeder dritten. "Die Ergebnisse sind so eindeutig wie erschütternd", sagte der VBE-Vorsitzende Udo Beckmann. "Sie strafen die Ministerien Lügen, die behaupten, Gewalt gegen Lehrer sei ein Randphänomen."

Für die repräsentative Erhebung wurden 1200 Schulleitungen befragt. Zu verbaler Gewalt kam es ihren Angaben zufolge an 59 Prozent der Haupt-, Real- und Gesamtschulen und damit deutlich häufiger als an Grundschulen und Gymnasien. Die meisten körperlichen Angriffe ereigneten sich an Grundschulen, jede dritte Schule ist davon betroffen. Vielen Kindern fehlten positive Vorbilder, sagte Beckmann, in der Familie ebenso wie in der Gesellschaft. "Die sprachliche Verrohung, die wir im täglichem Umgang erleben, spiegelt sich auch bei den Kindern wider", so Beckmann. An Grundschulen komme der hohe Anteil an weiblichen Lehrkräften hinzu. Ihnen gegenüber sei die Schwelle zur Gewalt bei Schülern offenbar vergleichsweise gering. Aus der Studie geht allerdings nicht hervor, von wem die Gewalt ausgeht - von Schülern oder womöglich auch von Eltern.

Die Ergebnisse decken sich weitgehend mit einer Untersuchung, die der VBE Ende 2016 veröffentlicht hatte - dem Verband zufolge die erste zum Thema Gewalt gegen Lehrer überhaupt. Damals waren nicht die Schulleitungen, sondern Lehrer selbst befragt worden. Die Zahlen hätten sich seitdem auf einem "unerfreulich hohen Niveau eingependelt", sagte Beckmann. Allerdings gelinge es zunehmend, das Thema aus der "Tabuzone" zu holen. Waren 2016 noch 57 Prozent der Befragten der Meinung, Gewalt gegen Lehrer sei eher ein Tabuthema, gaben dies nun nur noch 39 Prozent an. Unter ihnen sind besonders viele jüngere Schulleiter unter 40 Jahren sowie mehr Frauen als Männer.

In neun von zehn Fällen konnten Betroffene den Schulleitern zufolge ausreichend unterstützt werden. Wo dies nicht gelang, nannten sie als Gründe vor allem uneinsichtige Schüler und Eltern. Je ein Fünftel gab an, die Meldung von Vorfällen sei zu bürokratisch oder führe zu einem Reputationsverlust der Schule; jeder Zehnte sagte, Meldungen seien von den Schulbehörden nicht gewünscht. Beckmann sprach von einer "Kultur des Schweigens", die viel zu lange geherrscht habe, und kritisierte, dass viele Bundesländer Daten zur Gewalt gegen Lehrer nicht erhöben oder nicht publizierten. Er sprach von einer "Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß"-Haltung. Die Kultusministerien forderte er auf, Statistiken zu führen und regelmäßig zu veröffentlichen.

© SZ vom 03.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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