Schuldenkrise:Tsipras gibt nach

Griechenlands Premier kann auf ein 86-Milliarden-Rettungspaket hoffen, muss aber harte Vorgaben erfüllen.

Von A. Mühlauer, C. Gammelin, T. Kirchner und M. szymanski, Brüssel/Berlin/Athen

Mit einem Kraftakt haben die Mitglieder der europäischen Währungsunion in der Nacht zu Montag die Zahlungsunfähigkeit Griechenlands und damit das Ausscheiden aus der Euro-Zone vermieden. Nach 17-stündigen Verhandlungen einigten sich die Staats- und Regierungschefs auf einem Euro-Sondergipfel in Brüssel darauf, mit Athen über ein drittes Hilfsprogramm zu verhandeln. Das Land braucht in den kommenden drei Jahren 82 bis 86 Milliarden Euro. Im Gegenzug musste Premierminister Alexis Tsipras allerdings harte Sparmaßnahmen und Reformen sowie tiefe Eingriffe in Politik und Verwaltung akzeptieren.

Das trifft auf erbitterten Widerstand großer Teile seiner linken Syriza-Partei und könnte nach Ansicht von Beobachtern Tsipras' politisches Überleben infrage stellen. Mindestens 32 Syriza-Abgeordnete gelten als strikte Gegner einer weiteren Sparpolitik. Ein Auseinanderbrechen der Linkspartei aufgrund der immer größer werdenden Spannungen wird nicht mehr ausgeschlossen. Der griechische Arbeitsminister Panos Skourletis rechnet mit Neuwahlen in diesem Jahr.

Über die Einigung soll das Parlament in Athen abstimmen. Obwohl der Koalitionspartner Anel die Vereinbarung scharf kritisierte, gilt ein Ja dank vieler Stimmen aus der Opposition als sicher. Die Angestellten im Öffentlichen Dienst kündigten zugleich einen 24-stündigen Streik für den Tag der Abstimmung an. Bis Mittwoch muss das Parlament erste Steuer-, Renten- und Finanzreformen billigen, bis 22. Juli müssen viele weitere Schritte folgen, bis hin zur Rücknahme von Gesetzen, die Tsipras gegen den Willen der Gläubiger beschlossen hatte. Die Institutionen Europäische Zentralbank (EZB), Internationaler Währungsfonds und EU-Kommission (die frühere Troika) sollen künftig allen haushaltsrelevanten Gesetzen in Athen zustimmen, bevor sie dem eigenen Parlament vorgelegt werden dürfen. Weiter steht in der Vereinbarung, Tsipras und die Gläubiger hätten sich auf einen Zeitplan und Bedingungen für eine Arbeitsmarktreform geeinigt, die auch Massenentlassungen erleichtert. Die konservative Vorgängerregierung hatte versucht, vor allem öffentlich Beschäftigte über Auffanggesellschaften zu entlassen.

Der Zugriff auf die Erlöse aus Privatisierungen wird Athen weitgehend entzogen: Sie werden von einem Treuhandfonds verwaltet und vor allem in die Schuldentilgung und Bankenrekapitalisierung gesteckt. Am Streit über diesen Fonds, der in drei Jahren 50 Milliarden Euro eintreiben soll, wäre der Gipfel fast gescheitert. Er ist nun in Griechenland und nicht im Ausland angesiedelt, wie Berlin zunächst gefordert hatte. Das Programm ist damit härter als die Auflagen, die das Volk vor einer Woche beim Referendum abgelehnt hatte.

Schuldenkrise: Aufgeregt debattiert dieser Rentner vor einer Bank in Athen. Ältere Menschen spüren die Einschnitte in Griechenland besonders stark.

Aufgeregt debattiert dieser Rentner vor einer Bank in Athen. Ältere Menschen spüren die Einschnitte in Griechenland besonders stark.

(Foto: Emilio Morenatti/AP)

Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte, sie trage die Verhandlungen aus voller Überzeugung mit. Griechenland müsse das Vertrauen der Euro-Partner aber wieder aufbauen. Die Euro-Zone erlasse den Griechen keine Schulden, möglich sei indes eine längere Frist zum Schuldendienst. Tsipras sagte, der Grexit sei ein Thema der Vergangenheit. Das Land erhalte jetzt eine Chance, sich zu erholen und könne auf Investitionen hoffen. Die Vereinbarung sei zwar schwierig umzusetzen, doch die Lasten würden nun gerecht verteilt.

Nach dem politischen Kompromiss beschloss die EZB, die Notkredite für griechische Banken zu verlängern. Deren Zahlungsfähigkeit sichert die EZB seit geraumer Zeit mit den ELA-Krediten. Wie aus Finanzkreisen verlautete, bleiben die griechischen Banken zunächst bis Mittwoch geschlossen. Dann werde die Lage geprüft.

Der deutsche Bundestag soll sich am Freitag zu einer Sondersitzung treffen. Bereits am Vortag treffen sich die Fraktionen, um über die Anträge zu beraten. Geplant ist, dass die Regierung das Plenum um ein Mandat bittet, Verhandlungen mit Griechenland über Finanzhilfen aus dem Euro-Rettungsfonds ESM aufnehmen zu dürfen. Dieses Mandat ist Bedingung dafür, mit offiziellen Gesprächen zu beginnen.

Zugleich muss der Bundestag der geplanten Brückenfinanzierung zustimmen, also schnellen Übergangskrediten für Griechenland. Geplant ist, dem Land bis zum 20. Juli sieben Milliarden Euro und bis Mitte August weitere fünf Milliarden Euro bereitzustellen. Mit dem Geld will Athen laufende Kreditverpflichtungen erfüllen.

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