Schuldenkrise in Griechenland:Parlament beschließt strikten Sparkurs

Athen will keine neuen Schulden mehr machen - schon im kommenden Jahr. Eine wesentliche Voraussetzung dafür hat das griechische Parlament mit großer Mehrheit verabschiedet: den strikten Sparhaushalt für 2012. Den Bürgern stehen nun harte Einschnitte bevor. Bei Protesten kam es erneut zu Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten.

Das griechische Parlament hat mit großer Mehrheit den Sparhaushalt für 2012 gebilligt. Der Budgetplan von Ministerpräsident Lucas Papademos sieht höhere Steuern und drastische Ausgabenkürzungen vor. Nach fünftägiger Debatte stimmten 258 Abgeordnete der Sozialisten, der Konservativen und der Ultrakonservativen dafür. Dagegen votierten 41 kommunistische, linksgerichtete und unabhängige Abgeordnete, wie Parlamentspräsident Filippos Petsalnikos mitteilte.

Athen hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, im kommenden Jahr keine neuen Schulden mehr zu machen. Das soll durch Einsparungen im staatlichen Bereich und Privatisierungen erreicht werden. Zudem soll es einen freiwilligen Schuldenschnitt in Höhe von 50 Prozent für griechische Staatsanleihen geben.

Papademos rief die Griechen vor der Abstimmung zur Einheit auf, das Land stehe vor einem historischen Moment seiner Geschichte. Die Schulden müssten reduziert und die Steuerhinterziehung bekämpft werden, sagte Papademos. "Wenn wir das nicht tun, wird uns die Geschichte dies nicht verzeihen", sagte er. Griechenland befinde sich nicht unter der Aufsicht der Troika aus EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds (IWF), "sondern unter Aufsicht der Geschichte", betonte Papademos in einer emotionalen Rede.

Die Umsetzung aller Reformen und des freiwilligen Schuldenschnitts ist nach den Worten des griechischen Finanzministers Evangelos Venizelos "von existenzieller Bedeutung". Gewiss seien Löhne und Renten gekürzt worden. Es gebe aber keinen anderen Weg. Wer andere Vorschläge habe, wie die Defizite abgebaut werden könnten, solle "sich bitte melden", sagte Venizelos.

Warten auf das Hilfspaket

Erste Verhandlungen mit den Banken über den freiwilligen Schuldenschnitt haben begonnen. Sie gestalten sich nach Informationen aus Kreisen des Finanzministeriums "schwierig". Griechenland erwartet bis Mitte Dezember von den Euroland-Geldgebern und dem IWF eine weitere Kredittranche in Höhe von acht Milliarden Euro. Die Auszahlung ist bereits genehmigt. Das Geld stammt noch aus dem Hilfsprogramm von 2010 in Höhe von 110 Milliarden Euro.

Kommendes Jahr soll der Rest dieses ersten Programms (etwa 27 Milliarden Euro) und ein neues Hilfspaket in Höhe von 130 Milliarden Euro zur Auszahlung kommen. Experten der Troika haben die ersten Prüfungen für das neue Hilfsprogramm bereits eingeleitet. Am 12. Dezember werden auch die Chefs der drei Institutionen in Athen erwartet. Der Präsident der griechischen Notenbank, Giorgos Provopoulos, hatte bereits vergangene Woche Alarm geschlagen: Das Sparpaket müsse jetzt umgesetzt werden. Das nächste Hilfspaket sei "die möglicherweise letzte Chance" für Griechenland, sagte er im Parlament.

Vor der Abstimmung hatte Papademos seinen strikten Sparkurs verteidigt. Die erfolgreiche Umsetzung der Sparpläne werde die internationale Glaubwürdigkeit Griechenlands wiederherstellen und die Bedingungen schaffen, um die Wirtschaft zu retten, sagte Papademos vor den Abgeordneten. "Wir können es uns nicht leisten, länger zu jammern. Die Ziele sind ehrgeizig, aber sie sind erreichbar", fügte der neue Regierungschef hinzu. Sein rigider Sparkurs, mit dem das enorme Defizit Griechenlands verringert werden soll, ist in der Bevölkerung allerdings heftig umstritten.

Proteste und Ausschreitungen

Am Dienstagabend war es vor dem Parlament erneut zu Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Demonstranten gekommen. Das griechische Fernsehen zeigte Bilder, wie die Polizei in der Hauptstadt mit Tränengas gegen rund hundert Demonstranten vorging, die Steine und Molotow-Cocktails auf die Sicherheitskräfte warfen. In Thessaloniki, der zweitgrößten griechischen Stadt, beschädigte eine Gruppe von Schülern nach Polizeiangaben Autos und warf Steine auf ein Ministerium.

Die Demonstranten hatten sich zum Gedenken an den 15-jährigen Alexis Grigoropoulos versammelt, der am 6. Dezember 2008 von einem Polizisten erschossen worden war. An der Kungebung beteiligten sich in Athen rund 1.500 Schüler und Studenten, in Thessaloniki protestierten etwa 400 junge Menschen.

Am Abend nahmen in beiden Städten erneut Tausende Demonstranten an weiteren Protestkundgebungen teil. Die Polizei nahm in Athen neun Menschen fest. 15 Polizisten, ein Reporter und zwei Jugendliche wurden nach Angaben des Gesundheitsministeriums verletzt. Die Kundgebung richtete sich zwar nicht direkt gegen den Sparkurs der Regierung. Doch viele Demonstranten forderten in Sprechchören auch eine Rücknahme der Sparmaßnahmen.

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