Schuldenkrise in den USA:Furcht vor der Panik

Was passiert, wenn die USA pleitegehen? Der Stichtag für die Anhebung der Schuldengrenze rückt immer näher. Auch das jüngste Krisentreffen zwischen Demokraten und Republikanern am Sonntag brachte keine Einigung. Hinter verschlossenen Türen bereitet sich die Regierung schon auf die finanzpolitische "Stunde null" vor - den Tag, an dem den USA das Geld ausgehen könnte.

Moritz Koch

In der vergangenen Woche ist der Dollar 150 Jahre alt geworden. In gewöhnlichen Zeiten wäre das Jubiläum Anlass für ein rauschendes Fest gewesen, für ein Feuerwerk vielleicht und für Lobeshymnen auf die Notenbank Federal Reserve. Doch dies sind keine gewöhnlichen Zeiten, niemandem ist zum Feiern zu Mute.

Obama meets Congressional Leaders

Die Verstimmung hält an: US-Präsident Barack Obama (rechts) mit dem Republikaner John Boehner während der Budget-Verhandlungen am Freitag.

(Foto: dpa)

Am Freitag, als die Verhandlungen über eine Anhebung der Schuldengrenze scheiterten, traf Finanzminister Timothy Geithner mit Fed-Chef Ben Bernanke und dem Präsidenten der Zentralbank von New York, William Dudley, zusammen. Offiziell bleiben Notenbank und Finanzministerium zuversichtlich, dass es dem Kongress gelingen wird, den Kreditrahmen der Regierung rechtzeitig zu erhöhen. "Es ist undenkbar, dass dieses Land seine Zahlungsverpflichtungen nicht einhält", sagte Geithner am Sonntag in einem Interview mit dem Fernsehsender CNN. "Es wird nicht passieren."

Doch das Krisentreffen vom Freitag zeigt: Hinter verschlossenen Türen bereiten sich die USA bereits auf die finanzpolitische "Stunde Null" vor, auf Dienstag, den 2. August 2011 - auf den Tag also, an dem der Regierung das Geld ausgehen könnte. Niemand kann mit Sicherheit sagen, was passiert, wenn die Schuldengrenze bis dahin nicht angehoben wird. Sicher ist nur, dass der Schaden immens sein würde - für den Dollar, die US-Konjunktur und für die Weltwirtschaft.

Wie ernst die Lage ist, zeigt auch die Tatsache, dass Geithner am Freitag noch einen weiteren Experten zu Rate zog: seinen Vorgänger Henry Paulson. Paulson war Finanzminister, als das Land in die große Rezession stürzte. Er war es, der am 29. September 2008 mit ansehen musste, wie das Abgeordnetenhaus revoltierte und den Rettungsplan zerpflückte, der die Wall Street stabilisieren sollte.

An den Märkten brach Panik aus, die Börse stürzte ab. Der Dow Jones Index verlor binnen weniger Stunden 778 Punkte, so viel wie nie zuvor an einem Tag. Geithner und Bernanke fürchten, dass die Investoren in den nächsten Tagen erneut die Nerven verlieren könnten. Vielleicht schon in der Nacht zum Montag, wenn in Asien die Märkte eröffnen und der Albtraum des amerikanischen Staatsbankrotts bis dahin nicht gebannt ist.

Das Weltuntergangsszenario, vor dem die Regierung seit Monaten warnt, lässt sich so umreißen: Die Märkte geraten in Aufruhr, die Ratingagenturen stufen die Kreditwürdigkeit der USA herab. Es droht ein Dominoeffekt: Weltweit flüchten Anleger aus US-Staatsanleihen, die Zinsen schießen in die Höhe, der Dollar bricht ein, die Wirtschaft stürzt zurück in die Rezession. Anders als 2008 kann die Regierung keine Rettungsversuche unternehmen - sie hat kein Geld mehr.

Bisher galt an den Finanzmärkten eine eiserne Regel: Je größer die Panik, desto größer die Nachfrage nach US-Staatsanleihen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Anleger wieder so reagieren. Solange die USA ihre Schulden bedienen, könnten die Anleger womöglich ignorieren, dass die Krise von Washington ausgeht.

Doch fraglich ist, ob Geithner die Zinszahlungen aufrechterhalten kann, wenn erst einmal die Schuldengrenze erreicht ist - zumindest über einen längeren Zeitraum. Für jeden Dollar, den die Regierung ausgibt, leiht sie sich 40 Cent. Steht Amerika zu seinen Anleihen, müssen die Einsparungen an anderer Stelle drastischer ausfallen.

"Die Investoren werden sich fragen, wie lange sie noch ausgezahlt werden, wenn Rentenempfänger leer ausgehen" sagt Mark Zandi, Chef-Ökonom von Moody's Analytics. Sorgenvoll blicken Experten wie er auf den 4. August. Dann werden US-Anleihen in Höhe von 87 Milliarden Dollar fällig. Möglicherweise könnte die Regierung gezwungen sein, Staatsvermögen zu verkaufen: Gebäude, Nationalparks, selbst die Goldreserven von Fort Knox.

Noch bleibt Zeit, um die drohende Katastrophe abzuwenden. Demokraten und Republikaner betonen, dass sie eine Staatspleite um jeden Preis vermeiden wollen. Als wahrscheinlichste Lösung gilt derzeit, dass Senat und Abgeordnetenhaus die Schuldengrenze anheben und zugleich in moderatem Umfang Einsparungen beschließen werden.

Doch den Ratingagenturen wäre ein solcher Minimalkompromiss wohl zu wenig: Sie haben klargemacht, dass sie die Kreditwürdigkeit Amerikas nur dann weiter mit der Spitzennote AAA bewerten wollen, wenn das hochverschuldete Land einen glaubhaften Konsolidierungskurs einschlägt. Nach Berechnungen des Internationalen Währungsfonds wird die Kreditlast der USA schon bald die jährliche Wirtschaftsleistung übersteigen. Am Freitag gab Standard & Poor's den jüngsten Warnschuss ab. Das Risiko, dass die USA innerhalb der nächsten drei Monate ihr Spitzen-Rating verlieren, bezifferte die Agentur auf 50 Prozent.

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