Schuldenkrise:Im Grenzbereich mit den Griechen

Jean-Claude Juncker, Alexis Tsipras

Enge Anbindung: Athens Premier Alexis Tsipras und Jean-Claude Juncker.

(Foto: AP)

Juncker balanciert bei den Verhandlungen die unterschiedlichen Interessen aus.

Von Stefan Kornelius, Alexander Mühlauer, Berlin/Brüssel

Als Jean-Claude Juncker am Mittwochabend mit Alexis Tsipras in Brüssel zusammentraf, wusste der Präsident der EU-Kommission, dass er dem Gast aus Athen nicht groß entgegen kommen kann. Die Forderungen der Gläubiger gegenüber Griechenland waren zwei Tage zuvor im Berliner Kanzleramt festgezurrt worden. Juncker darf davon nicht abweichen, er hat das so mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident François Hollande vereinbart.

Bei den Verhandlungen geht es vor allem um Zahlen. Aber: Dabei darf man das Zwischenmenschliche nicht unterschätzen - und dafür ist nun Juncker zuständig. Der Kommissionspräsident versteht sich selbst als Brückenbauer - und genau diese Rolle wird ihm nun von den Griechen zugestanden. Der Premierminister aus Athen vertraut ihm, weil er den Eindruck vermittelt, hier werde auf Augenhöhe verhandelt.

Diese Deutung ist für die griechische Zustimmung wichtig, das wissen auch Merkel und Hollande. Tsipras hat so zu Hause die Möglichkeit, gegenüber den radikalen Flügeln seiner Koalition als starker Verhandler und nicht als Befehlsempfänger aufzutreten.

Merkel und Hollande trauen dem Kommissionschef nicht ganz

Und doch trauen Merkel, Hollande und auch der Weltwährungsfonds dem Kommissionspräsidenten nicht ganz. Ihre Sorge: Juncker könnte den Griechen zu sehr entgegenkommen und damit das Regelwerk der Währungsunion aufweichen - ein gefährlicher Präzedenzfall für die anderen Schuldenländer. In Berlin heißt es, Juncker gehe über die Schmerzgrenze.

Was das bedeutet, hat Junckers Kabinettschef Martin Selmayr bereits vor dem Treffen im Kanzleramt deutlich gemacht: "Wir stehen in einer Korrektur eines Programms, das sich in einigen Punkten als unrealistisch und als sozial nicht ausgewogen herausgestellt hat." Selmayr, der an Einfluss in Brüssel kaum zu überbieten ist, teilte seine Einschätzung nicht irgendwo mit, sondern direkt vor der Haustür der Kanzlerin: in einer Rede in der EU-Vertretung in Berlin.

Der Grund für seine Kritik: Der Internationale Währungsfonds (IWF) habe vor Jahren falsche Berechnungen für die Entwicklung Griechenlands vorgelegt. "Das hat den normalen griechischen Bürger etwa 20 Prozent seines Gehalts gekostet", sagte Selmayr. Griechenland habe wegen der Größe seiner Probleme bereits mehr geleistet als die meisten Euro-Länder. So sei das Etatdefizit von minus 15 auf null Prozent gedrückt, die Gehälter im öffentlichen Dienst um 40 Prozent reduziert worden. Sein Fazit: "Griechenland hat schon einen hohen Preis bezahlt." Dass der Weltwährungsfonds von seinen Wachstumsvorgaben deutlich abgerückt ist, ist ein Erfolg Junckers.

Und doch waren es am Mittwochabend keine leichten Gespräche mit Tsipras. Es sei nicht kämpferisch zugegangen, hieß es, aber die Situation sei weiter schwierig. Tsipras will nun wieder ein Papier vorlegen. Dann wird er sich wieder treffen - mit Jean-Claude Juncker.

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