Schuldenkrise:Hat Merkel Schäuble ausmanövriert?

Der Bundesfinanzminister nimmt nicht an einem nächtlichen Treffen zur Griechenland-Krise teil.

Von Cerstin Gammelin

Es muss nicht jeder bei jedem Treffen dabei sein, um zu wissen, was passiert. Der Sprecher von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ließ diesen Satz am Freitag in Berlin wie einen Betonstein fallen auf die Frage, warum sein Chef nicht an dem nächtlichen Krisentreffen im Bundeskanzleramt über Griechenland teilgenommen habe. Montagnacht hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem französischen Präsidenten François Hollande und den Präsidenten von Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank und Weltwährungsfonds zusammengesessen, um ein gemeinsames Angebot an Griechenland abzustimmen. Der Bundesfinanzminister, der drei Tage zuvor auf dem Treffen der G-7-Finanzminister in Dresden mit Mario Draghi und Christine Lagarde darüber beraten hatte, fehlte. Und weil in der griechischen Krise die Nerven blank liegen, stellte sich sofort die Frage: Hat Merkel die Verhandlungen übernommen; womöglich, weil sie Athen im Euro halten will - und Schäuble nicht?

Tatsächlich betrachten beide CDU-Politiker das Schuldendrama aus unterschiedlichen Perspektiven. Schäuble ist dafür zuständig, Steuergeld zu sichern. Andererseits hat er die Währungsgemeinschaft entworfen, die Regeln mit den europäischen Kollegen ausgehandelt. Die Euro-Zone ist sein Vermächtnis. Wenn der 72 Jahre alte Jurist in Pension geht, will er sie in ordentlichem Zustand übergeben. Länder, die sich nicht an die Regeln halten und sein Vermächtnis gefährden, müssen bis dahin raus sein. Merkel verfolgt einen pragmatischen Ansatz. Sie hat die Euro-Zone samt deren Regeln bei ihrem Einzug ins Kanzleramt vorgefunden. Sie will sie zusammenhalten. Weil sie nicht weiß, was passiert, wenn ein Land ausgeschlossen wird, will sie das Risiko nicht eingehen.

Die unterschiedlichen Ansätze traten erstmals 2010 zutage, als die Krise aufzog, Schäuble entwarf damals einen Europäischen Währungsfonds, um die Krise zu bewältigen. Merkel zeigte sich wenig begeistert und setzte durch, dass sich der Internationale Währungsfonds an den Hilfen beteiligte. In Eigenregie hat Merkel auch das Treffen im Kanzleramt organisiert. Der Minister sei während des G-7-Treffens in Dresden informiert worden, sagte sein Sprecher, Schäuble habe also vor Draghi und Lagarde davon erfahren. Von den beiden Eingeladenen verlautete, sie seien überrascht gewesen von der Nachricht aus dem Kanzleramt. Dem Vernehmen nach fragten sie bei Schäuble vertraulich nach, was Merkel vorhabe. Der wiederum habe empfohlen hinzufahren.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: