Schröders Einstieg bei Pipeline-Projekt:Genossen gehen auf Distanz zum Altkanzler

Die Kritik an Schröders Engagement im Aufsichtsrat des russisch-deutschen Konsortiums wird immer lauter - auch innerhalb der SPD. Ein Rechtsexperte gibt jetzt zu bedenken, der Altkanzler könnte sich mit seinem Wechsel sogar strafbar machen.

"Ich hätte es nicht gemacht" - so äußerte sich Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) am Montagmorgen in der ARD zu Schröders Plan. SPD-Fraktionschef Peter Struck kommentierte Schröders Einstieg als Aufsichtsratschef bei der Betreibergesellschaft der Ostsee-Gaspipeline am Sonntag mit ähnlichen Worten.

Schröders Einstieg bei Pipeline-Projekt: Unter Druck: Ex-Kanzler Gerhard Schröder.

Unter Druck: Ex-Kanzler Gerhard Schröder.

(Foto: Foto: dpa)

Auch andere Sozialdemokraten wie Thüringens SPD-Landeschef Christoph Matschie kritisierten den früheren Regierungschef deswegen: "Schröder läuft Gefahr, sein hohes Ansehen zu verspielen", sagte er am Montag vor einer SPD-Präsidiumssitzung in Berlin.

Als Kanzler hatte Schröder das Pipeline-Projekt mit Russlands Präsident Wladimir Putin eingefädelt und vorangetrieben. Thierse räumte ein, er sei selbst nicht in der Gefahr einer zu engen Verbindung mit der Wirtschaft, weil er mit ihr bislang nicht viel zu tun gehabt habe.

Thierse tritt für "Karenzzeiten" ein

Er sei sehr dafür, "dass wir endlich Regeln haben für den Wechsel von Wirtschaft in Politik und von Politik in Wirtschaft". So müsse es "Karenzzeiten" geben, die sicherstellen, "dass kein Anlass zu Misstrauen ist, dass Politiker ihr im Amt erworbenes Wissen dann privatwirtschaftlich verwenden".

Generell gelte aber auch für Politiker das Recht auf freie Berufswahl, meinte Thierse.

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) vermied eine Bewertung. "Das muss jeder Politiker für sich selber entscheiden, welchen Stil er hat, welche Interessen er hat."

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) äußerte sich zurückhaltend. Zypries sagte am Rande eines Pressegesprächs in Berlin, sie habe den Vorgang nicht zu bewerten, rechtlich sei gegen Schröders Engagement bei Gazprom aber "nichts zu sagen".

"Ansehen der Politik beschädigt"

Nach Ansicht von Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) muss Schröder auf den Aufsichtsratsposten beim Pipeline-Projekt verzichten oder sein Gehalt offen legen.

Der Bild-Zeitung sagte der CDU-Politiker, Schröder habe mit seinem Verhalten dem Ansehen der Politik in Deutschland schweren Schaden zugefügt.

Er müsse auf den Aufsichtsratsvorsitz deshalb verzichten, weil sonst der Eindruck aufkomme, hier handele es sich um eine Belohnung für seinen Einsatz für die Pipeline.

"Schröder soll Karten offenlegen"

Der Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Peter Ramsauer, sagte der Bild-Zeitung (Montagausgabe): "So einen Deal macht man nicht von heute auf morgen klar, und vor drei Wochen war Gerhard Schröder noch Bundeskanzler. Er sollte jetzt seine Karten offenlegen und sagen, ob diese Abmachungen schon zu seiner Amtszeit getroffen wurden."

Der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Carl-Ludwig Thiele, meinte, der "Neuwahl-Coup" Schröders müsse jetzt in einem neuen Licht gesehen werden: "Wollte er sein Amt loswerden, weil ihm lukrative Jobs zugesagt waren?", fragte Thiele.

Rechtliche Konsequenzen

Mit seinem Wechsel ins Management des Betreibers der Ostsee-Gaspipeline könnte sich der Altkanzler nach Experten-Ansicht strafbar machen.

Der Tatbestand der strafbaren Vorteilsannahme könne gegeben sein, wenn ein Amtsträger im Hinblick auf sein Amt Vorteile erhalte, sagte der Bochumer Staatsrechtler Helmut Siekmann am Montag im Deutschlandradio Kultur.

"Es kann auch eine Zahlung oder eine Vorteilszuwendung sein, die nach seinem Ausscheiden aus dem Amt geleistet wird", erklärte der Professor für Öffentliches Recht der Ruhr-Universität.

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