Schröder vor dem EU-Gipfel:"Das Ziel ist der EU-Beitritt, und das Ziel wird nicht relativiert"

Bundeskanzler Schröder macht sich für die Türkei stark und hat damit Forderungen der Union eine Absage erteilt, eine Vollmitgliedschaft zu verhindern.

Von Nico Fried

Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat Forderungen der Union mit Blick auf EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei eine Absage erteilt und zugleich den Druck auf andere Regierungen der Europäischen Union erhöht.

Schröder vor dem EU-Gipfel: Reagiert gar nicht erst auf die Forderungen der Union: kanzler Gerhard Schröder.

Reagiert gar nicht erst auf die Forderungen der Union: kanzler Gerhard Schröder.

(Foto: Foto: Reuters)

Nach einem Treffen mit dem niederländischen Ministerpräsidenten Jan-Peter Balkenende sagte Schröder über die Verhandlungen mit Ankara: "Das Ziel ist der Beitritt, und das Ziel wird nicht relativiert." Die Entscheidung, ob über einen Beitritt mit der Türkei verhandelt wird, soll auf dem EU-Gipfeltreffen am kommenden Donnerstag und Freitag in Brüssel fallen.

Demonstrativ gelassen reagierte Schröder auf Äußerungen des CSU-Vorsitzenden Edmund Stoiber. Dieser hatte angekündigt, die Union werde im Falle eines Wahlsieges 2006 alles daran setzen, eine Vollmitgliedschaft der Türkei zu verhindern und war darin auch vom europapolitischen Sprecher der Unions-Fraktion, Peter Hintze (CDU), bestärkt worden.

"Herr Stoiber überschätzt sich gelegentlich und es ist nicht meine Sache, seine Überschätzung zu kommentieren", sagte der Bundeskanzler.

Auch Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne) warnte davor, das Ziel eines EU-Beitritts der Türkei zu relativieren. Die EU solle den Start der Gespräche beschließen, sagte er am Montag vor den letzten Vorberatungen der EUAußenminister. "Jede Verwässerung dieses Ziels würde meines Erachtens zu einem Abbruch der erfolgreichen Erneuerung in der Türkei führen."

Bundesregierung stärkster Befürworter des Beitrittwunsches

Die Bundesregierung gehört zu den stärksten Befürwortern des türkischen Beitrittswunsches, während vor allem die österreichische Regierung darauf dringt, in den Verhandlungen auch Alternativen zu prüfen. Zudem gibt es auch innerhalb einzelner konservativer Parteien in manchen Ländern, unter ihnen CDU und CSU, starke Vorbehalte gegen eine Vollmitgliedschaft.

Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel kündigte an, sich in dieser Frage mit dem neuen Vorsitzenden der französischen Regierungspartei, Nicolas Sarkozy, abzustimmen, der wie die Union und anders als Staatspräsident Jacques Chirac nur für eine privilegierte Partnerschaft der Türkei eintritt.

Balkenende, dessen Regierung derzeit den Ratsvorsitz in der EU innehat, sagte, es gehe um eine "dauerhafte Entscheidung", die von allen EU-Mitgliedern getragen und von der Türkei akzeptiert werden könne. Die Vorbereitungen des EU-Beschlusses befänden sich in der "Endphase". Es seien aber noch Fragen bezüglich des Abschlussdokumentes offen.

Neben der genauen Zielbeschreibung gehört dazu auch die Frage des Termins für die Aufnahme von Verhandlungen. Diese Punkte werden erst von den Staats- und Regierungschefs beschlossen werden. Vor allem der französische Präsident Chirac dringt darauf, dass Verhandlungen erst in der zweiten Jahreshälfte 2005 beginnen sollten.

Chirac will dadurch verhindern, dass ein geplantes Referendum über die EU-Verfassung in Frankreich durch die Türkei-Frage beeinträchtigt wird.

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