Schreiber und die CDU-Spendenaffäre:Der späte Sieg des Jägers

Auf diesen Tag hat Oberstaatsanwalt Nemetz seit Jahren gewartet: Karlheinz Schreiber, Waffenhändler und Schlüsselfigur der CDU-Spendenaffäre, sitzt in Augsburg im Gefängnis. Die Geschichte eines langen Kampfes, der noch lange dauern wird.

Stefan Mayr, Augsburg

Laut krachend schlug Karlheinz Schreiber am Montag um 11.37 Uhr vor der Justizvollzugsanstalt Augsburg auf. Die silbergraue Mercedeslimousine des Bundeskriminalamts mit dem Wiesbadener Kennzeichen WI-JU127 fuhr mit Vollgas durch die enge Karmelitengasse in der Altstadt und bog derart schwungvoll in die Gefängniseinfahrt mit der Hausnummer 12 ein, dass der Unterboden scheppernd auf dem Gehweg aufschlug.

Schreiber bei einer Anhörung in Kanada, AFP

Schreiber bei einer Anhörung in Kanada.

(Foto: Foto: AFP)

Hinten rechts sitzend, im blauen Hemd, wurde Karlheinz Schreiber, 75, kräftig durchgeschüttelt. Jener Mann, der stets als "Waffenlobbyist" und "Schlüsselfigur in der CDU-Spendenaffäre" bezeichnet wird. Der Mann, der dem derzeitigen CDU-Innenminister Wolfgang Schäuble unter bis heute ungeklärten Umständen anno 1994 eine 100.000-Mark-Spende zukommen ließ, was Schäuble das Amt des Partei- und Fraktionschefs kostete. Jener Mann, dem die Staatsanwaltschaft Augsburg Steuerhinterziehung in zweistelliger Millionenhöhe, Korruption sowie Beihilfe zur Untreue und zum Betrug vorwirft, der sich aber jahrelang dem Zugriff der Justiz im kanadischen Exil entzog.

Bevor Schreiber 1999 aus der Schweiz nach Kanada flüchtete, war der kleine Mann aus dem oberbayerischen Kaufering Intimus des bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß. Viele Jahre lang gab es kaum eine Tür, die sich für Schreiber nicht geöffnet hätte. Nun ist er Untersuchungshäftling, und die Tür seiner Neun-Quadratmeter-Zelle in der ehemaligen "Eisenfronfeste" unweit des Augsburger Doms wird wohl für längere Zeit verschlossen bleiben.

"Heute ist ein guter Tag für die Rechtspflege", sagte der Augsburger Leitende Oberstaatsanwalt Reinhard Nemetz am Montag, "und für die Staatsanwaltschaft Augsburg". Schon seit 1995 ermittelte die Behörde gegen den ehemaligen Teppichhändler, 1997 erging der erste Haftbefehl. Damals begann ein nunmehr zwölfjähriges Katz-und-Maus-Spiel, in dem sich Schreiber mit allen juristischen und politischen Mitteln gegen die Auslieferung wehrte - und stets der lachende Sieger war.

Bis zum Sonntag, als er um 19.15 Uhr die Air Canada-Maschine Richtung München besteigen musste. Bereits am 9. März 2000 hatte die Staatsanwaltschaft Augsburg eine 140-seitige Anklageschrift gegen Schreiber und weitere Beschuldigte vorgelegt. Darin wird Schreiber vorgeworfen, den ehemaligen Rüstungsstaatssekretär Ludwig-Holger Pfahls bestochen zu haben. Hinzu kommen Beihilfe zur Untreue zweier Manager und Beihilfe zum Betrug zum Nachteil von Saudi-Arabien. Dies alles bringt zwangsläufig den Vorwurf der Steuerhinterziehung mit sich, denn alle Schmiergeldzahlungen wurden am Fiskus vorbei geleistet. Die mögliche Höchststrafe für all diese Straftaten beziffert Nemetz auf 15 Jahre.

"Wir halten an unserer Anklage fest"

Bereits am 1. August 2000 hatte das Landgericht die Eröffnung des Hauptverfahrens verfügt. Dieser Beschluss gilt bis heute. "Jetzt endlich kann Herr Schreiber vor Gericht gestellt werden", sagte Oberstaatsanwalt Nemetz. Nemetz rechnete nach eigener Aussage zwar bereits seit mehreren Wochen mit der Auslieferung, doch von ihrem Vollzug erfuhr er erst in der Nacht zum Montag um 3 Uhr. "Damit hat der aufwändige und nervenaufreibende Austausch mit den kanadischen Behörden ein glückliches Ende gefunden", so der Chefermittler.

All die Jahre zuvor hatte er meist nur aus der Presse von Schreibers Tricks gegen die Auslieferung erfahren. Die kanadischen Behörden fühlten sich nicht verpflichtet, ihn zu informieren - und die Kommunikation mit Schreiber und dessen Anwälten lief auf einer ganz anderen, viel subtileren Ebene; 2004, als der flüchtige Staatssekretär Pfahls gefasst worden war, sagte Nemetz: "Wir erwischen sie alle. Auch den Schreiber." Schreiber seinerseits ließ 2006 über die Medien ausrichten: "Wenn Dummheit weh täte, wäre Nemetz schon lange tot." Eine Aussage, die den Tatbestand der Beleidigung erfüllen könnte - Nemetz aber kalt lässt: "Wissen Sie, ich entscheide selbst, von wem ich mich beleidigen lasse."

Reinhard Nemetz ist seit 1999 Leitender Oberstaatsanwaltschaft in seiner Geburtsstadt. Der 59-Jährige gibt sich stets betont sachlich. "Ich werde nicht für Emotionen bezahlt", pflegt er zu sagen, wenn er nach seinen Gefühlen über juristische Erfolge befragt wird. Das Persönlichste, was er zur Auslieferung Schreibers sagt, ist: "Ich fahre ziemlich zufrieden in den Urlaub." Auf die Frage, ob er ein bisschen feiern werde, antwortet er: "Das wäre übertrieben."

Zuständig ist die neunte Strafkammer, sie wird am Dienstag um 10 Uhr den Haftbefehl eröffnen. In einer nichtöffentlichen Sitzung wird Rudolf Weigell, der Vorsitzende Richter, dem Angeklagten im Beisein seiner Verteidiger den Haftbefehl vom 2. September 1999 verlesen. Danach darf Schreiber Stellung nehmen - oder die Aussage verweigern.

Die Kammer muss schließlich entscheiden, ob Schreiber in Haft bleibt oder auf freien Fuß gesetzt wird. Eine Prognose über diese Entscheidung wagte am Montag niemand - zumal der Gesundheitszustand des 75-Jährigen unklar ist. Denkbar ist, dass Schreiber Haftunfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen geltend macht.

Nach Angaben von Reinhard Nemetz wurde Schreiber auf dem Flug von einem kanadischen Arzt begleitet - und in München von einem deutschen Mediziner übernommen. "Dabei gab es keine Gesichtspunkte, die Anlass zu Bedenken geben könnten", berichtete Nemetz.

Wann der Prozess gegen Schreiber beginnt, ist noch offen. Landgerichtspräsident Herbert Veh kündigt zwar einen schnellstmöglichen Start an, andererseits ist Nemetz überzeugt, dass das Verfahren einen enormen organisatorischen Vorlauf benötige und deshalb "unmöglich vor der Bundestagswahl" beginnen könne.

Der Prozess selbst werde wohl "mehr als ein Jahr dauern", so Nemetz. Eine Beschleunigung des Verfahrens durch eine Absprache zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung hält er für unwahrscheinlich: "In allen bisherigen Äußerungen beteuerte Schreiber seine Unschuld. Wir aber halten an unserer Anklage fest."

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